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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Abschied von Daniel Viglietti (1939-2017)

Gonzalo Compañy | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Der Oktober endete dieses Jahr unter schlechten Vorzeichen. Nach einem Herzanfall verstarb am 30. Oktober der uruguayische Komponist, Sänger und Gitarrist Daniel Viglietti. Er war am 24. Juli 1939 als Sohn der Pianistin Lydia Indart und des Gitarristen Cédar Viglietti in der Hauptstadt Uruguays, Montevideo, geboren worden. Viglietti erhielt eine musikalische Ausbildung als Konzertgitarrist, begeisterte er jedoch vor allem mit seiner Fähigkeit, diese klassische Ausbildung mit dem Volksmusik Uruguays und Lateinamerikas zu verbinden und so einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Auch wenn dieses Merkmal sein gesamtes Werk durchzieht, zeigt es sich auf besonderer Weise in Alben wie „Canciones Chuecas“ (1971), wo eine eher rockige Quartett-Besetzung von einem ungewöhnlichen Oboe-Fagott-Posaune Trio harmonisch unterstützt wird.

Daniel Viglietti startete seine Laufbahn 1957. Beginnend mit dem ersten Album „Canciones folklóricas y seis impresiones para canto y guitarra“ (1963) bis zum letzten „Trabajo de hormiga“ (2008) legte er insgesamt 16 Studioaufnahmen vor. Ab seineViglietti_Canciones_Chuecas_CoverScanm zweiten Album „Hombres de nuestra tierra“ (1964), das in Zusammenarbeit mit Juan Capagory entstand, vertonte er immer wieder literarische Werke von Dichtern wie Líber Falco, César Vallejo, Rafael Alberti, Federico García Lorca und Nicolás Guillén. Als Ergebnis dieser Verknüpfung, welche an die Lieder-Tradition des 19. Jahrhunderts erinnert, entstand 1968 das Album „Canciones para el hombre nuevo“, das ein grundlegendes Werk der Musikgeschichte Lateinamerikas darstellt.

Viglietti gründete in den 1960er Jahren zusammen mit Protagonisten der uruguayischen Musik wie Alfredo Zitarrosa und der Band Los Olimareños das sogenannte „Canto Popular Uruguayo“. Im Laufe seiner 60jährigen Karriere prägte Viglietti mit seiner Musik mehrerer Generationen politisch engagierter Menschen auf der ganzen Welt. Ebenso wie andere Vertreter des sogenannten Lateinamerikanischen Protestsongs wie Violeta Parra, Atahualpa Yupanqui oder Víctor Jara verlieh Viglietti mit seinen Liedern der Stimme des Volkes Ausdruck.Viglietti_Canciones_para_el_hombre_nuevo_CoverScan

Seine ethisch-politische Entscheidung, musikalische Brücken zwischen den Welten zu schlagen, resultierte aus seinem Wunsch, zur Herstellung der Einheit Lateinamerikas beizutragen. Unter Bezug auf Simón Bolívar, José Artigas, José Martí und Ernesto Che Guevara schrieb er 1966 „A desalambrar“, wobei ein neues Verb entstand, welches ganze Generationen von LateinamerikannerInnen prägte. Aufgrund seines politischen Engagements und der Nähe zu den „Tupamaros“ kam Viglietti 1972 ins Gefängnis. Der Putsch 1973 in Uruguay zwang ihn ins Exil zuerst nach Buenos Aires und Monate später nach Paris, wo er elf lange Jahre lebte. Während dieser Exil-Jahre bereiste er die Welt und engagierte sich für die Widerstand gegen die Diktaturen und für die Rückkehr der Demokratie sowohl in seinem Land als auch in den anderen Ländern Lateinamerikas. Erst 1984 konnte er nach Uruguay zurückkehren. Die Live-Aufnahme „Trabajo de hormiga“ Viglietti_Benedetti_A_dos_voces_CoverScan(1984) legt Zeugnis für jene Zeit ab, in denen die Demokratie in Uruguay und den Ländern der Region wiederhergestellt werden konnte. Einige Monate später konzipierte er zusammen mit dem Dichter Mario Benedetti das bewengende Stück „A dos voces“, das 1985 im Album-Format erschien und zehn Jahre später wieder aufgeführt und aufgenommen wurde.

Viglietti schrieb hauptsächlich eigene Stücke, arbeitete aber auch mit anderen Dichtern zusammen und arrangierte Lieder lateinamerikanische MusikerInnen. Außerdem waren und sind viele seiner Lieder Bestandteil des Repertoires legendärer Interpreten auf der ganzen Welt wie Víctor Jara, Quilapayún, Isabel und Ángel Parra, Joan Manuel Serrat, Mercedes Sosa, Amparo Ochoa, Chavela Vargas, Soledad Bravo, Jan Hammarlund, Lars Klevstrand, Marc Ogeret u.v.a. In seinem Werk steckt sowohl die Dringlichkeit der Klage als auch die Zärtlichkeit der Liebe. Beide Aspekte stellen zwei Seiten der Medaille dar, was er mit den Worten zum Ausdruck brachte, dass Bewusstsein ohne Gefühl nicht möglich sei. Deshalb definierte er sich selber als Sänger von „Songs aus dem Innern“. Der Außenseiter des Showbusiness – mehr als die Hälfte seiner Auftritte stellte Benefizkonzerte dar – war mit seiner Gitarre überall dort zu Gast, wo es galt, eine gerechte Sache zu unterstützen. Überzeugt davon, dass die Musik ein Mittel darstellt, mit dem das soziopolitische Interesse der Gemeinschaft geweckt werden kann, schrieb er außerdem für die legendäre Zeitschrift „Marcha“. In der letzten Zeit war er außerdem Moderator eines eigenen Fernsehprogramms („Párpado“ bei TV Ciudad1) und einer Radiosendung („Tímpano“ bei Rundfunk El Espectador2).

Unter der Menschenmenge, die am 31. Oktober von den sterblichen Überresten Daniel Vigliettis im Teatro Solís in Montevideo Abschied nahm, war auch der ehemaligen Präsident Uruguays, José „Pepe“ Mujica. In seinen Abschiedsworten betonte er, die beste Ehrung für Viglietti sei, sich seiner nicht nur als Poet zu erinnern, sondern ebenso als eines engagierten Menschen, der sich für eine bessere Welt und eine gerechte Gesellschaft eingesetzt hat. Neben dem Sarg Vigliettis stand die Gitarre, die den Sänger seit 30 Jahren begleitet hatte und nun als Ausdruck ihrer tiefen Trauer an einer Saite gerissen war.

 

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2 Audiothek: http://www.espectador.com/timpano

 

Bildquelle: [1],[2],[3] CoverScans

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