Die Nachrichten aus dem peruanischen Regenwald sind erschreckend. Die Gewalt nimmt kein Ende. Ja, schlimmer noch, die Gewaltspirale dreht sich immer schneller. Im März 2017 wurde bekannt, dass seit Dezember des vergangenen Jahres 48 Personen in Madre de Dios verschwunden sind. Für die meisten Vermissten besteht wohl keine Hoffnung. Denn erst unlängst fand sich ein Massengrab mit den verkohlten Resten von mindestens 20 Personen.
Zentrum der Gewalt ist das Herz der Finsternis, die Goldsuchercamps in La Pampa, zwischen Kilometer 98 und 115 der Interoceánica. Die Berichte, die an die Öffentlichkeit gelangen, zeichnen ein Bild von unvorstellbarer Menschenverachtung. Ein Mann erklärte beispielsweise, er sei seinen vermissten Bruder im Camp Quemadero suchen gegangen. Als er ihn fand, zwangen ihn die Entführer, ihn anzuzünden, und er verbrannte vor seinen Augen. Ähnlich erging es einem Vater, der von seinem Sohn nur Aschereste fand.
Dabei sind die offiziell 48 Vermissten, die fast ausschließlich aus den Camps Mega 11, Zorro Valencia und La Peña stammen, wohl nur die Spitze des Eisberges. Keiner kennt die genaue Zahl der Getöteten. Einige Ortskundige vermuten, es gäbe seit Juli 2016 ungefähr ein Opfer pro Tag. In der Regel seien es Goldsucher, die von bewaffneten Gruppen entführt und bei lebendigem Leibe verbrannt werden.
Die Mordrate in Madre de Dios, dem am dünnsten besiedelten Department Perus, liegt bei 20,1 Morden pro 100.000 Einwohner, 13 Punkte über dem landesweiten Durchschnitt. Außerdem zeigt die Statistik, dass die größte Stadt in Madre de Dios, Puerto Maldonado, keine auffällige Mordrate aufweist. Die meisten Morde geschehen also weit weg von der Stadt, in dem Fall vor allem in den Gebieten der illegalen Goldsuche, wo weder Polizei, noch Recht oder Staat hingelangen.
Erfolge des Militärs, der Polizei und des Zolls beim Kampf gegen die illegale Goldsuche sind Tropfen auf den heißen Stein. Die Aktivitäten sind vereinzelt, nicht koordiniert und vor allem nicht auf Dauer ausgelegt. Weiterhin werden täglich tausende Liter Diesel und hunderte Kilogramm Quecksilber – die Grundlagen für die illegale Goldsuche – in das Gebiet geschmuggelt. Selbst die Zerstörung von Goldsuchercamps sind nur Nadelstiche des Staates, der das Gewaltmonopol in der Region weitgehend verloren hat. Bezeichnend hierfür ist, dass die Massaker ganz in der Nähe des Militärpostens, der im Jahr 2016 bei Kilometer 105 der Interoceánica errichtet worden ist, geschahen. Bezeichnend ist auch, dass keine zwei Kilometer weiter die Straße aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zur Versorgung der Camps nur noch einspurig befahrbar ist. Polizei und Militär unternehmen nichts dagegen.
Schlimmer noch. Ausgerechnet Ex-Angehörige der Streitkräfte, die in der Region eine kriminelle Vereinigung gebildet haben, gelten nun als Hauptverdächtige bei den Mordfällen. Hinzu kommt, dass die Betroffenen nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden könnten. Denn die bewaffneten Gruppen trügen immer Armeekleidung.
Das grausige, neue Geschäftsmodell ist es demnach, nicht mehr selbst nach Gold zu schürfen, sondern mit Gewalt den Profit einzustreichen. Die kriminellen Gruppen kontrollieren die Zugangswege zu den Camps und verlangen Wegezoll. Die Summe liegt bei ungefähr 100 Nuevos Soles pro Woche oder 40 Gramm Gold für jeden, der in die Zone will. Wer nicht zahlt, wird umgebracht. Dennoch fühlen sich viele Bewohner der Region ausgerechnet den Banden näher als dem Staat. Beispielsweise versuchten 300 Goldsucher aus La Pampa den Polizeiposten zu überfallen, um vier Mitglieder der kriminellen Vereinigung zu befreien. Der Versuch scheiterte. Aber er zeigt, wie stark das Gewaltmonopol des peruanischen Staates in dieser Region in die Defensive geraten ist und wie sich die Gewaltspirale immer weiter dreht. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
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