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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Peru – Auswirkungen der politischen Lage auf die Soziale Ungleichheit 

TECHO | | Artikel drucken
Lesedauer: 8 Minuten

In Peru kam es Ende 2022 und Anfang 2023 zu landesweiten Protesten gegen die Präsidentin Boluarte und die vorherige Amtsenthebung von Pedro Castillo. Die Proteste wurden teils gewaltvoll niedergeschlagen und mehrere Personen verloren ihr Leben. Mittlerweile sind die Proteste und die damit einhergehende Welle der Gewalt gegen Demonstrierende abgeflacht, jedoch hat sich die politische Situation auch auf die soziale Ungleichheit im Land ausgewirkt.

Auf diese Situation möchten wir von TECHO e.V. in diesem Artikel eingehen. Möglicherweise erinnern sich einige Leser*innen an unseren ersten Artikel, in dem wir uns vorgestellt haben. Zudem haben wir aktuell eine gemeinsame Kampagne mit TECHO Peru, die wir gerne vorstellen möchten.

Peru zählt etwa 34.000 Millionen Einwohner*innen (Stand 2022). Die Amtssprachen des Landes sind Quechua, Aimara und Spanisch. Die Hauptstadt ist Lima und das Land erstreckt sich über eine Fläche, die etwa 3,5 Mal so groß ist wie Deutschland.

Nach den Stichwahlen am 06.06.2021 wurde Pedro Castillo zum Präsidenten des Landes ernannt. Er erhielt insbesondere aus dem ärmeren Teil der Bevölkerung große Zustimmung. Auch die indigene und ländliche Bevölkerung sowie Personen aus dem linken Spektrum gehörten zu seiner Wählerschaft. Pedro Castillos Ziel war es, die Profite aus Bodenschätzen der vor Ort ansässigen, meist indigenen, Bevölkerung zugutekommen zu lassen und der durch den Abbau verursachten Umweltverschmutzung entgegenzuwirken. Castillo, der selbst aus einfachen Verhältnissen kommt und indigener Abstammung ist, galt für viele als Hoffnungsträger.

Doch unter dem politisch bisher unerfahrenen Präsidenten herrschte Chaos. Ein Grund war unter anderem die politische Distanzierung des Präsidenten zu seiner Partei. Während seiner Amtszeit berief Castillo mehr als 80 Minister*innen ein beziehungsweise ab. Die Zunahme von Armut und die Verschlechterung der Lebensbedingungen während seiner Amtszeit, bedingt durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und Inflation, lösten Unruhen in der gesamten Bevölkerung Perus aus. Als Reaktion leiteten seine politischen Gegner*innen Amtsenthebungsverfahren ein. Zwei Amtsenthebungsverfahren konnte Pedro Castillo überstehen, doch das dritte führte zu einem Knall, nicht nur politisch.

Am 7. Dezember 2022, kurz bevor im Kongress die Abstimmung über die Amtsenthebung stattfinden sollte, kündigte Pedro Castillo an, den Notstand auszurufen, das Parlament auflösen und eine Notfallregierung mit ihm als Präsidenten einsetzen zu wollen. Auch eine neue Verfassung sollte ausgearbeitet werden. Für Castillos Verhalten gab es keine Rechtsgrundlage, was von peruanischen Politiker*innen, auch von einigen seiner Unterstützer*innen, scharf kritisiert wurde, da dies ihrer Ansicht nach die verfassungstreue, demokratische Ordnung untergrub und praktisch einem Staatsstreich glich. Pedro Castillo wurde von der Polizei festgenommen, was das Ende seiner Amtszeit bedeutete. Aktuell befindet sich Castillo in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft beantragte insgesamt eine Haft von 34 Jahren. 

Nach der Verhaftung Pedro Castillos wurde der Kongress abgesetzt und es kam zur Vakanz des Präsidentenamtes. Vizepräsidentin war zu diesem Zeitpunkt Diana Boluarte, von Beruf Juristin, die dem peruanischen Ministerium für Entwicklung und soziale Eingliederung angehörte. Sie hinterging die amtierende Regierung, indem sie Bündnisse mit Konservativen und der peruanischen Wirtschaftselite einging. Sie erklärte sich zur ersten Frau im Präsidentenamt des Landes und übernahm die Macht, indem sie einen Eid auf die Verfassung bis 2026 schwor. Sie ignorierte die Forderungen großer Teile der Bevölkerung, die mit ihrer Machtergreifung nicht einverstanden waren. In einer Rede sprach sie sich gegen Korruption und Misswirtschaft aus und rief zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung auf.

Es konnte eine soziale Politisierung beobachtet werden, da es zu zahlreichen kollektiven Protestaktionen gegen die nationale Regierung kam, die in Form von Streiks, Kundgebungen und Mahnwachen stattfanden. Diese verliefen meist friedlich. Es wurde jedoch mit polizeilicher und militärischer Repression reagiert, was zu einem Ausnahmezustand führte, der darauf abzielte, die Mobilisierungen zu diskreditieren, indem man diese beschuldigte, mit Terrorismus und illegalen Geschäften in Verbindung zu stehen. Der Staat wendete exzessiv Gewalt an, indem er Waffen und verbotene Munition einsetzte, um die Kontrolle zu erlangen, was Hunderte von Toten zur Folge hatte, die Demokratie des Landes schwächte und autoritäre Züge annahm.

Es ist schwer, Prognosen über die zukünftige politische Situation des Landes abzugeben. Es ist möglich, dass neue politische Kräfte hervorgehen werden oder dass es zu vielen ungültigen Stimmen bei den nächsten Wahlen kommen wird. Es ist auch möglich, dass der Protest des Volkes durch den Sturz der Regierung Boluartes und ihres Kongresses gestärkt wird. Dabei wäre eine effiziente Organisation des Volkes entscheidend, um das Ziel einer verfassunggebenden Versammlung zu verfolgen. Diese könnte neue politische Akteure hervorbringen. Allerdings gilt zu bedenken, dass dies auch zu Konfrontationen mit den herrschenden Klassen führen könnte. 

Nun stellt sich die Frage, wie sich die politische Situation auf die soziale Ungleichheit im Land auswirkt.

Peru ist von einer starken sozialen Ungleichheit geprägt. 27,5 Prozent der peruanischen Bevölkerung leben in Armut, welche sich unter anderem in besonders prekären Lebensumständen an den Stadträndern der großen Städte zeigt. Die anhaltenden politischen Krisen stellen das Land vor eine zusätzliche Herausforderung und verstärken die soziale Ungleichheit. Die Auswirkungen für die Gesellschaft sind auf diversen Ebenen spürbar. 

Trotz früherer Fortschritte erlebt Peru einen Anstieg der Armut im zweiten Jahr in Folge. 

Zusätzlich zu den Menschen, welche aktuell bereits von Armut betroffen sind, müssen auch jene, die zukünftig mit erhöhtem Risiko von Armut betroffen sein könnten, nun akut unterstützt werden. Sechs von zehn Peruaner*innen befinden sich in einer solchen Lage, was auf ein tiefgreifendes Problem hinweist. Besorgniserregend ist zudem, dass mehr als 60 Prozent der Kinder im Alter bis vier Jahren von Armut betroffen sind, insbesondere in ländlichen Gebieten.

Darüber hinaus ist der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Einrichtungen für die unterschiedlichen sozialen Gruppen ungleich verteilt. 

Die politische Krise drückt sich auch in der hohen Unzufriedenheit mit der Demokratie aus. Peru verzeichnet die höchste Unzufriedenheit mit der Demokratie als Staatsform in Lateinamerika im Jahr 2023. Nur die Hälfte der Bevölkerung glaubt, dass das Land in einer stabilen Demokratie lebt. Der Grund dafür ist unter anderem die weit verbreitete Korruption, welche das Vertrauen der Menschen in die demokratischen Institutionen erschüttert hat.

Auch Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheiten sind weit verbreitet.

Peru sieht sich jedoch nicht nur mit internen, sondern auch externen Herausforderungen konfrontiert. Der Klimawandel bedroht die Umwelt und die Wirtschaft des Landes, da ein Viertel der Arbeitsplätze vom Agrarsektor abhängt. 

Peru befindet sich in einem kritischen Stadium, in dem soziale Ungleichheit, politische Instabilität und Umweltprobleme einander bedingen und bestärken. Die Herausforderungen sind divers und eine umfassende und koordinierte Anstrengung auf nationaler sowie internationaler Ebene ist erforderlich. Ziel ist es, einen nachhaltigen Wandel herbeizuführen und die Lebensbedingungen der peruanischen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern.

Das Projekt 

Die soziale Ungleichheit des Landes zeigt sich vor allem in den informell entstandenen Gemeinden rund um Lima, wo eine mangelhafte Infrastruktur, kaum Trinkwasserversorgung sowie unzureichende Abwasser- und Elektrizitätsausstattung herrscht.

TECHO Peru hat es sich seit der Gründung 2006 zum Ziel gesetzt, die soziale Ungleichheit durch gemeinschaftliche Projekte seiner Freiwilligen und der Bewohner*innen in den informellen Siedlungen zu bekämpfen. So konnten bisher über 5.000 Notunterkünfte und 100 Projekte in 240 Gemeinden Perus realisiert werden. Über 38.000 Freiwillige haben zu diesen Erfolgen beigetragen.

Eine Folge der fehlenden formellen Elektrizitätsversorgung sind düstere Stadtviertel ab Sonnenuntergang um 18 Uhr. Der Arbeits- und Schulweg ist durch die Dunkelheit morgens wie abends beängstigend. Die fehlende Beleuchtung von Straßen und öffentlichen Plätzen in den Siedlungen senkt die Verkehrssicherheit auf den unbefestigten und zum Teil steilen Straßen und erhöht die Gefahr von Kriminalität. Die fehlende Beleuchtung wirkt sich negativ auf die Lebensqualität der Bewohner*innen aus, schränkt das gemeinschaftliche Leben ein und fördert die Stigmatisierung der informellen Siedlungen.

Um dem Problem der mangelhaften Beleuchtung und den damit verbundenen Einschränkungen entgegenzuwirken, hat TECHO Peru das Projekt ‘Luz al Barrio’ entwickelt. Dabei wird nach gemeinsamer Bedarfsanalyse mit den Gemeinschaften die Beleuchtung des öffentlichen Raums innerhalb der informellen Siedlungen durch nachhaltige und autarke Laternen verbessert. Die Laternen bestehen aus Mast, LED-Strahler, Solarpanel und einem Sensor, welcher die Laterne bei Dämmerung automatisch einschaltet und entsprechend bei Sonnenaufgang wieder ausschaltet. 

Neben dem positiven Aspekt der Nachhaltigkeit sind die Laternen vom vielerorts schwachen oder nicht vorhandenen Elektrizitätsnetz unabhängig und beleuchten somit die öffentlichen Orte in den informellen Siedlungen an den Hängen von Lima. Sie tragen auf diese Weise erheblich zur Sicherheit, vereinfachten Mobilität und erhöhten Lebensqualität bei. Die Kosten für Material und Logistik betragen 850€ pro Laterne. Unser Ziel ist es, mindestens sechs Laternen zu finanzieren. Mehr Infos zum Projekt sowie Stimmen aus Peru zum Projekt finden Sie auf Instagram (@techo_de). Bei Fragen und Anmerkungen, schreiben Sie uns gerne eine Mail an: edu.de@techo.org

 



Spenden können Sie entweder über betterplace oder direkt auf das Vereinskonto mit dem Betreff „Peru“ oder „Weihnachtskampagne“ überweisen: 

Gemeinsam TECHO e. V.

IBAN: DE68 8309 4495 0003 2897 96

BIC: GENO DE F1 ETK

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