Bergbau bedroht die Reste der ältesten Stadt auf dem amerikanischen Kontinent
Als Caral 1994 entdeckt wurde, glich das einer Sensation. Denn schnell stand fest, dass es sich um eine Hochkultur handelte – 2600 Jahre v. Chr. Caral war damit knapp tausend Jahre älter als die Kultur der Olmeken, der bis dato frühesten bekannten Stadtgesellschaft auf dem amerikanischen Kontinent. Die Bewohner rangen der Wüstengegend im Tal des Rio Supe (etwa 130 Km nördlich des heutigen Lima) durch ein intelligentes Bewässerungssystem Boden zur Landwirtschaft ab, bauten Speicher, Wohnhäuser und Tempelpyramiden. Auf etwa 60 Hektar breitete sich die Stadt aus. Und obwohl es der Archäologin und Entdeckerin von Caral, Ruth Shady, gelang, nach und nach die Mehrzahl der Gebäude auszugraben und die ursprüngliche Gestalt der Heiligen Stadt (Ciudad Sagrada) wieder herzustellen, sind heute noch nicht alle Ruinen freigelegt. Auch ein Friedhof wurde bisher nicht gefunden.
Und vielleicht wird es nie dazu kommen. Denn der Bergbau bedroht zunehmend die älteste (bis heute bekannte) Stadt Amerikas. Von 56 erteilten Bergbaukonzessionen im Tal des Rio Supe befinden sich 25 in der archäologischen Zone von Caral.
Zwar ist es offiziell auch in Peru verboten, Bergbauaktivitäten in Gebieten mit archäologischen Fundstätten durchzuführen. Doch der zugrunde liegende Flächennutzungsplan für das Gebiet des Rio Supe stammt aus dem Jahre 1970. Damals war Caral überhaupt noch nicht entdeckt. Seitdem gibt es keine Überarbeitung – und somit dient der Flächennutzungsplan nach wie vor der Regionalen Bergbaudirektion (Dirección Regional de Minería) in Lima als Grundlage für die Genehmigungsverfahren.
Die Bergbauunternehmen zeigen sich meist überrascht, wenn plötzlich gegen sie Anklage erhoben wird. Beispielsweise gab es einen Gerichtsprozess gegen Barranca Gold, die beim Bau einer Straße und eines Lagers im Gebiet des Cerro Colorado einen Teil des Kulturerbes zerstörte. Das Unternehmen machte jedoch geltend, dass es zu keinem Zeitpunkt von den verantwortlichen Mitarbeitern im Bergbauministerium informiert wurde, sie es befände sich in einer archäologischen Zone. Und so wandert der schwarze Peter hin und her – zum Nutzen für beide; eine Win-win-Situation.
In dieses Bild passt auch, dass das Bergbauministerium bei der Vergabe der Konzessionen im Rio-Supe-Tal vorher weder das Kulturministerium noch das Nationale Kulturinstitut (Instituto Nacional de Cultura) konsultierte. Unwissen mag man den Mitarbeitern nicht unterstellen. Denn Caral ist inzwischen weit über die Landesgrenze hinaus bekannt. 2009 beispielsweise wurde es zum Weltkulturerbe ernannt. Eine Lösung für dieses administrative Versagen scheint dennoch vorerst in weiter Ferne zu sein.
Trotz dieser institutionellen Verfehlungen geht die größte Gefahr für die Heilige Stadt Caral von illegalen Bergbauaktivitäten und der ebenfalls unrechtmäßigen Ausweitung der Landwirtschaft aus. Hunderte mineros bringen nachts Explosivladungen aus. Was sie gesprengt haben, sehen sie dann erst bei Tage. Wie viele altertümliche Zeugnisse dabei bereits zerstört wurden, ist schwer zu schätzen. Shady fordert daher Ende Januar 2013, den Bergbau so lange zu begrenzen, bis die Wissenschaft die notwendigen Informationen gewonnen hat.
Dafür benötigte es allerdings einer stärkeren Überwachung durch den Staat. Polizisten in der Region wollen regelmäßig nichts von Explosionen gehört haben – und scheinbar sehen sie auch nicht die Invasion des landwirtschaftlichen Anbaus bis in den archäologischen Komplex hinein. Vielleicht ist es Korruption, vielleicht auch nur Desinteresse. Denn QUETZAL hat bereits an anderer Stelle beschrieben, wie unnachsichtig in Peru mit dem Kulturerbe umgegangen wird.
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Bildquellen: [1], [2] Quetzal-Redaktion, ssc