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Wahlen in Paraguay: Es ändert sich alles und es bleibt wie es ist

Andreas Scholz | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Am 9. Mai wurden in Paraguay sowohl der Präsident und sein Vize, als auch das Parlament und die Gouverneure gewählt.

Was macht diese Wahl in dem kleinen Land Lateinamerikas für uns so interessant?

Vier Jahre zuvor, in der Nacht vom 2. zum 3. Februar 1989 hatte General Andres Rodriguez, damals der zweite Mann in der Militärhierarchie Paraguays, den Staatschef General Alfredo Stroessner durch einen blutigen Putsch gestürzt.

Die Absetzung Stroessners löste unter der Bevölkerung einen volksfestartigen Jubel aus. Stroessner, deutscher Abstammung, auch „Rubio“ (Blonder) genannt, herrschte fast 35 Jahre mit harter Hand über Paraguay: Mord, willkürliche Inhaftierungen, Folter, Internierung und Ausweisung waren an der Tagesordnung. Der neue Staatschef Rodriguez ließ nach und nach die lange ausgesetzten bürgerlichen Rechte wie Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit einführen, ebenso das Recht auf freie Organisation. Das Erbe Stroessners war jedoch nach wie vor unübersehbar. Das Land wurde von der Korruption beherrscht, und an den Machtpositionen im Militär oder in der herrschenden Colorado-Partei hatte sich nichts geändert. Im Lande hatten die gleichen Leute das Sagen, die schon unter Stroessner ihren Dienst versahen. Die Verschuldung des paraguayischen Staates betrug zwei Milliarden US-Dollar, und das bei einer Einwohnerzahl von nur drei Millionen.

Es heißt, der unmittelbare Anlaß des Umsturzes sei das Gerücht über die bevorstehende Absetzung von Rodriguez durch General Stroessner gewesen. In erster Linie ging es Rodriguez und seinen Mitputschisten jedoch um die Reformierung der zwei Stützen des Regimes: Armee und Colorado-Partei (offiziell „Nationalrepublikanische Vereinigung/A.R.N.). Die Colorado-Partei war stets ein wesentliches Machtinstrument der Stroessner-Diktatur. Ein Drittel der Bevölkerung Paraguays gehörte dieser Partei an, für die Angehörigen der Streitkräfte und die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung war eine Mitgliedschaft obligatorisch. Doch es gab bereits seit zwei Jahrzehnten Fraktionierungen innerhalb der Colorado-Partei, die die Herrschaft des Regimes perspektivisch in Frage stellten. Für diese Probleme sollte mit dem Putsch offensichtlich Abhilfe geschaffen werden.

Hinzu kam die zunehmende Distanzierung der Vereingten Staaten von der Diktatur Stroessners, die u.a. mit der Verwicklung des Regimes in den internationalen Rauschgifthandel begründet wurde. Ein Stop der amerikanischen Hilfe wäre mit drastischen wirtschaftlichen Nachteilen für das Regime verbunden.

Der neue Staatschef General Rodriguez kündigte für den 1. Mai 1989 „freie und demokratische“ Wahlen an. Die Opposition sprach sich daraufhin für eine Verschiebung des Wahltermins um ein halbes Jahr aus. Nur so wäre ihr die Möglichkeit gegeben, politische Strukturen zu entwickeln und sich mit eigenen effektiven Organisationen zur Wahl zu stellen. Diesem Ersuchen wurde – selbstverständlich – nicht stattgegeben. Rodriguez‘ Wahlsieg war überwältigend, er konnte auf 74,2% der Stimmen verweisen. Nicht unwesentlich trugen dazu vor allem die Zersplitterung der Oppositionsparteien und das, die Colorado-Partei eindeutig begünstigende, Mehrheitswahlrecht bei. Selbst die Toten hatten General Rodriguez gewählt: man hatte einfach vergessen, sie aus den Wahllisten zu streichen.

Große Hoffnung verbanden progressive Kräfte mit den eingangs erwähnten Wahlen im Mai dieses Jahres. Doch auch diese Hoffnung ging nicht auf. Juan Carlos Wasmosy, ein 54jähriger reicher Unternehmer, war der Kandidat der regierenden Colorado-Partei. Auch das Militär setzte auf ihn mit und teilte vorab mit, keinen anderen Wahlsieger anzuerkennen. Die bedeutendsten Oppositionskandidaten waren Domingo Laino von der P.L.R.A. („Authentisch Liberal Radikalen Partei“), er trat schon 1989 zu den Wahlen an, und Guillermo Caballero Vargas. Dieser wurde von dem Bündnis „Nationales Zusammentreffen „aufgestellt, das sich aus verschiedenen kleinen Organisationen zusammensetzte.

Vor der Wahlen hatte man einem Kandidaten der Opposition den Sieg vorausgesagt. Aber der von der Colorado-Partei aufgebaute und nach dem Putsch intakt gebliebene Wahlapparat funktionierte wie schon im Mai 1989: Wasmosy gewann die Wahlen mit 39,74%. Die einfache Mehrheit genügte ihm. Guillermo Caballero Vargas kam auf 29,56% und Domingo Latino auf 28,77% der Stimmen.

Die Opposition warf der Colorado-Partei zwar massiven Wahlbetrug vor, den Nachweis darüber, daß 20% der Stimmen manipuliert wurden, konnte sie nicht erbringen. Daß Unregelmäßigkeiten und Einschüchterungen vorgekommen waren, wurde jedoch von keiner Seite bestritten. Allein die Schließung der Grenzübergänge für Paraguayaner, die in Argentinien leben (beschlossen auf Antrag der Colorado-Partei) und damit ihr Ausschluß von der Wahl, macht dies deutlich. Selbst der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, der als Beobachter tätig war, sprach von „versuchtem Wahlbetrug“.

Für den Sieg der Colorado-Partei machen viele Experten den Mangel an politischer Kooperation zwischen den Oppositionskräften verantwortlich. Immerhin haben fast zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler gegen die „Stroessner“-Partei votiert. Im Parlament verfügt die Opposition allerdings über eine beruhigende Mehrheit. Vielleicht nutzt sie diese, um sich bis zu den nächsten Wahlen im Jahre 1998 in „politischer Zusammenarbeit zu üben“. Übrigens meldete sich nach dem Sieg der „Colorados“ ein Mann aus seinem brasilianischen Exil zu Wort und lieferte damit einen eigenwilligen und treffenden Kommentar zu den Wahlen: Ex-Diktador Stroessner kündigte an, nach Paraguay zurückzukehren.

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