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Einige Überlegungen zum politischen System Mexikos

Ismael Mora Rubí | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Beginnen wir die Analyse des politischen Systems Mexikos und seines demokratischen Lebens mit dem Staatsoberhaupt, dem Präsidenten: Dieser kann maximal sechs Jahre die Macht ausüben, danach ist keine Wiederwahl möglich. Auch jeder Bundesstaat Mexikos hat seinen Präsidenten, der aber nur drei Jahre an der Macht ist. Die Senatoren- und Abgeordnetenkammer „erneuert“ sich ebenfalls alle drei Jahre.

Die Senatorenkammer besteht aus 64 Sitzen, davon zwei Senatoren pro Bundesstaat und zwei für die Hauptstadt. Von diesen Sitzen gewann die PRI 62 und die Opposition zwei. Die Abgeordnetenkammer hat 500 Sitze, von denen 300 durch die relative Mehrheit besetzt sind und der Rest proportional verteilt wird. Seit der letzten Wahl 1991 hat die PRI 320, die PAN 89, die Partido de la Revolución Democrática (PRD) 41, die PFCRN (eine Koalition mehrerer Parteien) 23, die PARM 15 und die PPS 12 Sitze. Diese Ergebnisse weisen auf die starke Position der PRI auch in der Senatoren- und Abgeordnetenkammer hin. Ebenso erreichte die PRI die Mehrheit unter den Bundesstaatspräsidenten und Bürgermeistern von Städten und Dörfern. Die PRI hat nach mehr als 70 Jahren noch immer die politische Führung in Mexikos. Das zeigt die Fähigkeit der Partei, an der Macht zu bleiben. In einigen Fällen trat auch Wahlfälschung auf. Die PRI berät sogar Parteien anderer Länder hinsichtlich Organisationsstrukturen und Wahlkampf.

Die Wahlen von 1988 zeigen aber das Erstarken anderer politischer Kräfte, die eine starke Opposition gegen die PRI bilden und politische, ökonomische und soziale Alternativen für das mexikanische Volk anbieten. Zur Opposition gehören etablierte Parteien wie die PAN sowie auch relativ neue Parteien und Organisationen, die fortschrittliche und/oder linksorientierte Positionen vertreten.

Die Einbindung mehrerer Parteien in das politischen System Mexikos ist eng mit der politischen Reform der 70er Jahre verknüpft. Diese Reform mußte zum Teil durch den Staat gefördert werden, weil es früher offiziell nur eine rechte Opposition (PAN) gab, so daß die Fortschrittsbewegungen und linken Parteien im Untergrund tätig werden mußten. Sie haben u.a. die Wahlen boykottiert und auch die Legitimität der Regierung in Frage gestellt. Mit der politischen Reform war es möglich, diese politischen Kräfte legal innerhalb des politischen Systems zu integrieren.

Die Einbindung unterschiedlicher politischer Kräfte in das politische System steht für einen Demokratisierungsprozeß des Landes, den die Regierungspartei PRI als strategische Entscheidung sieht, indem sie die Opposition in der offiziellen politischen Struktur „eingepackt“ hat, ohne wesentlichen Verlust ihrer politischen Macht. Damit wird das demokratische Bild des Landes und die Legitimität der Regierungspartei verstärkt. Auf der anderen Seite ist das für die Kräfte der Opposition ein Fortschritt in bezug auf die Partizipation an den politischen, ökonomischen und sozialen Entscheidungen des Landes.

Die Öffnung zum Mehrparteiensystem in Mexiko war eine Notwendigkeit, weil die frühere politische Struktur nicht alle politischen Kräfte Mexikos zugelassen hat. Die politische Situation erforderte die legale Teilnahme unterschiedlicher politischer Linien. Ohne die politische Reform wären die Beziehungen zwischen Regierung und Volk stärker gespannt. Das kritische Verhältnis zwischen Regierungspartei und Opposition wird durch den parlamentarischen Kampf kanalisiert. Dieser parlamentarische Kampf ist ein „Ventil“ für den Disput zwischen den politisch-ideologischen Positionen der Parteien und Organisationen Mexikos, dessen Resultate, so ist zu hoffen, bessere Lebensbedingungen für das Volk hervorbringen können.

Der parlamentarische Kampf setzt Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen den politischen Kräften voraus, so daß es explizite und auch implizite Spielregeln im Parlament gibt, die die Beziehung zwischen den politischen Kräften regulieren. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen müssen Politiker und ihre Organisationen Kompromisse schließen, die in ersten Linie die Partei/Organisation, aber auch die individuellen Interesse schützen. In dieser Hinsicht ist die Tätigkeit der Politiker ein Beruf (sogar ein Geschäft), der als solcher legitim ist. Aber die ursprüngliche Funktion der Politiker (d.h. die Vertretung der Rechte der Bürger) ist abhängig von der politischen Linie der Partei/Organisation und von der Fähigkeit der Politiker, innerhalb der Organisationsstrukturen Karriere zu machen. Aus diesen Gründen gibt es eine Kluft zwischen Politikern und Bürgern, da der Politiker (der Politik zum Lebensunterhalt betreibt) einen unmittelbaren Vorteil aus dieser Tätigkeit zieht, während der einfache Bürger (obgleich oftmals auch politisch aktiv) einen solchen nicht hat. In manchen Fällen bringen die politischen Maßnahmen sogar Nachteile für die Bürger mit sich.

Schließlich muß die Bevölkerung die Konsequenzen des Machtmißbrauchs, der Korruption und der Fehler der Politiker ertragen. Auf der Grundlage der politischen Reform wurden jedoch neue Zugänge zum Demokratisierungsprozeß in Mexiko geöffnet, durch die die Lebensbedingungen der ganzen Bevölkerung verbessert werden könnten. Viele Probleme sind nicht gelöst (Gleichberechtigung der sozialen Gruppen, Korruption, gerechte Verteilung des Reichtums u.a.), und auch die Möglichkeiten der Teilnahme und Mitbestimmung der Bürger an den gesellschaftlichen Entscheidungen sind noch lange nicht erschöpft.

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