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Nikaragua

Manfred Liebel | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

Regierung macht Managuas Straßen kinderfrei

Drei Wochen nach Amtsantritt gab die autoritär-neoliberale Regierung des Arnaldo Alemán einen Vorgeschmack davon, wie sie sich die im Wahlkampf versprochene Bekämpfung der Armut vorstellt. Anfang Februar vertrieb sie mit Polizeigewalt hunderte von Kindern von Managuas Straßenkreuzungen, an denen sie mit diversen Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt verdienten. Unterstützt vom Menschenrechts-Zentrum CENIDH reagierte die Bewegung der arbeitenden Kinder (NATRAS) mit Protestaktionen.

Um die Bevölkerung einzustimmen hatte die Regierung zuvor Meldungen über sich angeblich häufende Diebstähle und Überfälle an den Verkehrsampeln lanciert und an Autofahrer und Passanten appelliert, die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Obwohl die Regierung vorgab, mit ihrer Maßnahme die Kinder vor den „Gefahren der Straße“ schützen zu wollen, war in den Medien allgemein von „Säuberungen“ die Rede. Die öffentliche Kritik an der rabiaten Aktion veranlaßte inzwischen die Regierung zu versichern, die Maßnahmen seien Teil eines weitergehenden Plans, der sich am wohlverstandenen Interesse der Kinder und der Internationalen Konvention über die Rechte der Kinder orientiere. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF wurde eingeladen, sich an der Umsetzung des Plans zu beteiligen. Doch trotz vollmundiger Worte, das Problem an der Wurzel und auf „integrale Weise“ zu lösen, sieht der Plan im Konkreten lediglich erzieherische und repressive Schritte vor. Kinder, die sich nicht überreden lassen, ihre Arbeitsorte zu verlassen und die Schule zu besuchen, sollen in speziell zu errichtende Erziehungsheime eingewiesen werden.

Den Eltern, die trotz freundlicher Empfehlungen und Androhung von Strafen nicht ihren „Erziehungspflichten“ nachkommen und ihre Kinder von der Straße fernhalten, soll das Sorgerecht entzogen werden. Zum Zwecke dieser Art von Betreuung sollen 50 Streetworker, 20 weibliche Polizisten und 35 Lehrer auf Kinder und Eltern eingesetzt werden, zunächst in Managua, dann in den übrigen Städten. Mit Hilfe internationaler Finanzorganisationen und Regierungen sollen 11 Millionen Dollar locker gemacht werden mit dem Ziel, „den Menschen der unteren Bevölkerungsschichten abzugewöhnen, Kinder arbeiten zu lassen, um die Kinderarbeit zu reduzieren“. Die Kinder, die in der Bewegung der NATRAS organisiert sind, haben in dem Regierungsvorhaben nichts entdeckt, was ihnen wirklich zugute käme.

Die Kinder von der Straße zu vertreiben, löse angesichts der fortbestehenden Not keines ihrer Probleme, sondern schaffe nur neue, z. B. müßten sie jetzt heimlich in der Nacht einer Arbeit nachgehen und seien noch größeren Risiken ausgesetzt. Die NATRAS sind empört, daß man sie als die Hauptbetroffenen nicht vorher gefragt hat und gegen ihren Willen von ihren Familien trennen will. Sie bestehen darauf, die Kinder selbst entscheiden zu lassen, ob sie arbeiten und wo sie sich aufhalten wollen. Von der Polizei erwarten sie, daß sie nicht von ihren Arbeitsorten vertrieben, sondern dort geschützt werden. Statt weiter einen Haufen Geld für die Spezialpolizei zur Aufstandsbekämpfung auszugeben, sollen Schulen und Gesundheitszentren eingerichtet werden.

Von der Regierung fordern sie, endlich wieder allen Kindern kostenlosen Schulbesuch zu ermöglichen und ihren Eltern ausreichend bezahlte Arbeit zu verschaffen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden die Kinder weiter auf die Straße gehen und sich mit den vertriebenen Kindern solidarisieren. Die „Autoritäten“ fordern sie auf, mit ihnen über ihre Problematik zu diskutieren und ihre Vorschlage anzuhören, wie ihre Situation zu verbessern und ihre Rechte zu erfüllen seien. Die Kinder sind davon überzeugt, daß sich ihre Probleme nur lösen lassen, wenn der Schlüssel nicht weiter in einem generellen Verbot der Kinderarbeit gesehen, sondern zusammen mit ihnen und ihren Familien für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen gesorgt wird.

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