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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Hier werden Frauen respektiert
Mit dem Mikro gegen Machos

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Es ist für uns Frauen nicht einfach sich zu treffen, wegen der Entfernungen,
des allgegenwärtigen Machismus, den Gewohnheiten, wegen der Kinder, wegen …
Die einzige Alternative miteinander zu reden, sich zu treffen, zusammenzuschließen,
etwas zu bewirken, teilzunehmen, zu wachsen und stärker zu werden, ist unser Wort
über das Radio. Ein feministisches Radio von Landarbeiterinnen, gemeinschaftlich und
ohne politisches oder religiöses Glaubensbekenntnis.*

„Tatsächlich lebten die meisten Frauen (nicht alle), die ich während meines Nicaraguaaufenthaltes kennenlernte, allein. (…) Selbstbewusste Frauen in einem Land, in dem die Männer sich einbilden, das Sagen zu haben und die Frauen auch entsprechend behandeln.“

Diese Zeilen habe ich vor gut 14 Jahren geschrieben. Nach einer INKOTA-Bildungsreise durch Nicaragua sollte ich meine Erinnerungen an das Land festhalten. Und als Soziologin hatte mich die Situation der Frauen interessiert. Diese war alles andere als rosig, trotz des Erbes der gerade abgewählten sandinistischen Revolution: bittere Armut, Doppelbelastung durch Haushalt und Broterwerb, oft genug verlassen von Männern, „die angesichts von Alltagsproblemen, die viele Kinder und soziale Not mit sich bringen, den Weg des geringsten Widerstands wählen und sich davonmachen. Häufig genug auf Nimmerwiedersehen.“

Geändert hat sich an dieser Situation offenbar nichts, sie ist eher schlechter geworden. Das kann ich der Reportage “Mit dem Mikro gegen Machos” entnehmen, die sich genau diesem Thema zuwendet. In Bocana de Paiwas, einer kleinen Gemeinde in der nicaraguanischen Autonomen Südatlantikregion, “Hauptstadt” des gleichnamigen municipios, gibt es ein Radio. Es ist das einzige in der Gegend, und zudem noch ein Frauenradio, das von der Casa de las Mujeres Campesinas betrieben wird. Jamileth Chavarría, die streitbare Chefin des Radios, will auf die Probleme der Frauen in Bocana de Paiwas aufmerksam machen: keine Gleichberechtigung, Gewalt, Teenagerschwangerschaften. Jamileth ist im Radiosender Palabra de mujer (Wort der Frau) die bruja mensajera, die Nachrichtenhexe, die von Montag bis Freitag jeweils zwischen fünf und sechs am Morgen Gewalt von Männern gegen Frauen anprangert und dabei Ross und Reiter nennt; ob es sich bei dem Täter nun um Luis Soundso handelt, der seine Frau schlägt, oder um den Direktor der Schule, der Schülerinnen belästigt.

Das Frauenhaus, und mit ihm der Radiosender, will den Frauen helfen, sie über ihre Rechte aufklären, sie in ihrem nicht einfachen Leben unterstützen. Angesichts der alltäglichen Gewalt gegen Frauen ist das nicht ganz ungefährlich. Doch Jamileth weist darauf hin, dass es noch nie zu Gewalt gegen den Sender gekommen sei, doch sie wäre psychologisch darauf vorbereitet. Es schützt sie wohl, dass prügelnde Männer die öffentliche Aufmerksamkeit scheuen, schon die Nennung ihres Namens im Radio kann ihre Reputation in der Gemeinde beschädigen.

Die campesinas beschränken sich nicht auf ihr Radioprogramm, sie besuchen Frauen auch in ihren Häusern, organisieren Veranstaltungen, auch in anderen Gemeinden. Der Film berichtet von öffentlichen Arztsprechstunden und der Aufklärung über Verhütungsmittel. Da wird auch schon einmal bei der Dorfversammlung, vor versammelter Gemeinde, die Benutzung eines Kondoms erklärt.

Susanne Jäger stellt in ihrem Film das Projekt des Frauenradios vor und zeigt auch Frauen, die Opfer männlicher Gewalt geworden sind und deren Fälle das Radio bekannt gemacht hatte. Delia wurde von ihrem Mann fast totgeschlagen, erst danach fand sie den Mut, ihn rauszuschmeißen. Sie lebt jetzt mit ihren 16 Kindern allein. Oder die 13-jährige Eva, die von ihrem Schuldirektor ein Kind bekam. Sie schämt sich und äußert sich nicht vor der Kamera. Ihre Mutter spricht für sie und ist fest entschlossen, diesen Missbrauch zur Anzeige zu bringen. Die Interviews zeigen die Not der Frauen, aber auch ihren Willen, ihr Leben selbständig zu organisieren, sich nichts mehr gefallen zu lassen.

Daneben kommen auch die Männer zu Wort. Mehrere Liedeinspielungen sollen wohl den machismo illustrieren. Darin geben die männlichen Akteure, sich spreizend wie Gockel und natürlich mit umgeschnalltem Colt, ihre Sicht auf das Zusammenleben der Geschlechter zum Besten: Frauen sind danach ewig unzufrieden (natürlich grundlos), untreu und beschädigen so die Ehre des Mannes. Dafür müssten sie auch bestraft werden, das ist irgendwie ein natürliches Recht des Mannes. Diese Szenen sind arg schlicht und plakativ, und machen die Herren der Schöpfung nur lächerlich. Doch leider ist machismo nicht lächerlich. Aber davon einmal abgesehen, man hätte ebenso gut auch ein Lied spielen können, in dem ein Mann bitterlich weint, weil ihn die Angebetete nicht erhört. Und das höchst herzzerreißend vorgetragen, wie das so wahrscheinlich nur lateinamerikanische Männer singen können. Ein solches Lied würde ebenso wenig über nicaraguanische Männer aussagen, wie die im Film gespielten, und es wäre – trotz des entgegengesetzten Tenors – genauso machismo.

Aussagekräftiger sind da schon die Interviewpassagen mit Männern, in denen diese offenherzig mitteilen, dass sie sich mitunter gezwungen sähen, zuzulangen, schließlich gäbe es “Gründe und Situationen, da hat die Frau ihre Strafe verdient”. Leider fragt der Film nicht nach diesen Gründen und Situationen. Die Aussagen, wonach manchmal gar nicht anders gehandelt werden könne, müssen allein als Charakterisierung der Männerwelt auskommen. Und das ist einfach ein bisschen wenig.

Warum versucht der Film nicht aufzudecken, wieso nicaraguanische Männer nicht selten glauben, sie bekämen Anerkennung nur dann, wenn sie Frauen beherrschen und mit möglichst vielen Frauen möglichst viele Kinder haben? Im Übrigen schlagen diese Machos nicht nur ihre Frauen, sondern auch ihre Kinder. Warum blendet der Film weitgehend die strukturelle Gewalt in der nicaraguanischen Gesellschaft aus, die vor allem Frauen, aber eben nicht nur sie, diskriminiert. Im Film wird erwähnt, dass seit 2006 in Nicaragua ein totales Abtreibungsverbot gilt. Dieses Gesetz gibt es doch nicht, weil die Männer einfach böse Machos sind. Auch Rosario Murillo, Ehefrau des nicaraguanischen Präsidenten, unterstützt die gerichtliche Verfolgung von Feministinnen, die dieses Gesetz bekämpfen.

Nun ist ein Film über ein Frauenradio nicht der Platz, eine Gesellschaftsanalyse zu geben. Mit der alleinigen Fokussierung auf (persönliche) Gewalt gegen Frauen, wird der Film m. E. aber auch dem Projekt Frauenradio nicht gerecht. Den Frauen geht es zweifelsohne um mehr, als nur um die Entlarvung von Gewalttätern. Und das Radioprogramm macht das auch deutlich, reicht es doch von der bruja mensajera über grünes Denken, Schulbildung und kommunale Fragen bis zum Sport. Der Sender wird von Frauen gemacht, aber nicht nur von ihnen gehört. Auch wenn Palabra de mujer sich besonders stark Frauenfragen widmet, es geht dem Sender nicht nur um exklusive Frauenthemen. Wie El nuevo diario meldete, kämpfte die Bevölkerung von Bocana de Paiwas 2006 gegen den Plan, einen Staudamm zu bauen und ihr Dorf zu fluten. Das war selbstverständlich auch ein Thema für die Frauen, und Jamileth Chavarría hatte vehement Stellung dagegen bezogen.

Aber, um zum Film zurückzukommen: Wie sind die campesinas überhaupt auf die Idee gekommen, einen Radiosender zu gründen? Hatten sie bereits diesbezügliche Erfahrungen, hatten sie Unterstützung? In einer armen Gemeinde wie Bocana de Paiwas dürfte auch die Einrichtung eines einfachen Senders nicht so leicht gewesen sein. Das wäre vielleicht ganz interessant gewesen. Und wo genau liegt Bocana de Paiwas eigentlich? Im Dschungel, mitten in Nicaragua, ist etwas sehr unpräzise. Man kann nicht von jedem Zuschauer erwarten, dass er nach der Sendung erst recherchiert.

Palabra de mujer ist übrigens 2005 von der BBC als bestes Bürgerradio ausgezeichnet worden. Das dürfte Ansporn für die Truppe sein. Obwohl das Wirken des Senders schon einige prügelnde Männer hinter Gittern brachte, der pädophile Schuldirektor, Schwager des Polizeichefs, ist bisher noch nicht zur Verantwortung gezogen worden. Es gibt also auch in dieser Hinsicht noch viel zu tun.

Mit dem Mikro gegen Machos. Frauenradio gegen Gewalt (2008). wdr 14.12.2008

* _http://www.cibersivas.net/palabra_de_mujer/principal.htm (Der Link konnte am 11.03.2013 nicht mehr aufgerufen werden.)

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