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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Fußballbetrachtungen von Oliver Bayer

Oliver Bayer | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Der lateinamerikanische Fußball ist eine große Bereicherung für den Fußball im Allgemeinen. Länder wie Brasilien haben dem Fußball eine Frische und Spontaneität gegeben, die dem europäischen bis dahin einfach fehlte. Als die Brasilianer 1958 mit ihrem jungen Star Pele die Weltmeisterschaft in Schweden gewannen, brach eine neue Zeit an. Dem taktischen und disziplinierten europäischen Spiel wurde eine technisch geniale und verspielte Mannschaft gegenüber gestellt, die sogar oder gerade wegen ihre Verspieltheit und Spontaneität Spiele gewinnen konnte.

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Die mexikanische Liga ist nach Brasilien und Argentinien die drittgrößte Lateinamerikas. Die großen Vereine gehören meistens reichen Unternehmen oder kommen aus dem universitären Bereicht So sind z.B. die bekanntesten Mannschaften El America, die vom größten mexikanischen Medienkonzern Televisa gesponsert wird, und U.N.A.M., im Volksmund Los Pumas, die, wie der Name schon sagt, ihren Ursprung in der größten Universität des Landes hatte (Universidad Nacional Autónoma de Mexico).

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Während meines Aufenthaltes in Mexiko zwischen 1979 und 1986 wurden in der mexikanischen Liga vier Vierergruppen gebildet, von denen sich die zwei Bestplazierten jeder Gruppe für das Achtelfinale qualifizieren konnten. Die Spie le wurden durch ein Hin- und Rückspiel bis zum Finale entschieden.

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Die Spielweise in diesen Ausscheidungsspielen war hauptsächlich dadurch gekennzeichnet, dass sich die Gästemannschaft vor dem eigenen Tor verbarrikadierte, während die Heimmanschaft gegen das Tor anrannte. Beim Rückspiel war es umgekehrt. Die Freude in den Stadien konnte sich schnell in Aggression wandeln.

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Solange die Mannschaft ihre Tore im heimischen Stadion schoss, war die Stimmung positiv. Dies wurde durch die heute weltbekannte La Ola, Fahnen schwenken und Tröten mit Plastiktrompeten bekundet. Durch das Tröten kam man sich im Stadion akustisch wie in einem Bienenstock oder auf einer Kuhwiese vor.

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Die Stimmung kippte schnell, wenn die Mannschaft in Rückstand geriet. Dann wurden Schimpfwörter in Richtung der Spieler geschrieen, Puto (Schwuler) war noch eines der harmlosen Wörter. Eingeschmuggelte Flaschen, Feuerzeuge und Unzen wurden zu Wurfgeschossen.

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Charakteristisch für den mexikanischen Fußball ist die „Fallsucht“ der Spieler. Die Mentalität der mexikanischen Spieler war und ist es, bei geringster Feindberührung hinzufallen. Vor allem der Strafraum war ein beliebtes „Schwächeanfallgebiet.“

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Dieses Schummeln wird von allen Seiten durchgeführt. Selbst der mexikanische Fußballbund wurde als tramposo (Schummler) geoutet. Zur U21-Weltmeisterschaft 1989 wurden in der mexikanischen Mannschaft ältere Spieler eingesetzt, Was zur Folge hatte, dass Mexiko 1990 von der WM in Italien ausgeschlossen wurde.

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Die mexikanischen Fußballer sind Minimalisten, das Tempo ist erschreckend langsam, dafür sind sie technisch versiert, das Flügelspiel liegt ihnen überhaupt nicht. Hierzu kann man das Beispiel von Las Américas heranziehen. Als der kamerunische Nationalspieler Oman Biyik und der ehemalige spanische Nationalspieler Butragueño Anfang der Neunziger bei diesem Verein spielten, wurde das Flügelspiel – Flanke Butre, Kopfball Biyik, Tor – angewandt und fast jedes Spiel endete mit einem Kantersieg für Las Américas.

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Der Satz von Sepp Herberger „Ein Spiel dauert 90 Minuten“ wird von den mexikanischen Spielern nicht so gesehen. Wenn das Spiel entschieden ist oder das Ergebnis der Mannschaft reicht, fangen die Mannschaften spätestens in der 70. Minute an, den Ball in ihren eigenen Reihen hin und her zu schieben. Negative Folgen waren z.B. bei dem Spiel Deutschland – Mexiko bei der diesjährigen WM zu sehen. Während die Mexikaner sich schon auf die Verlängerung eingestellt hatten, waren die Deutschen dem Herbergerschen Satz treu und schössen kurz vor Ende das Siegtor zum 2 zu l.

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Die Stadien sind während der Finalspiele grundsätzlich ausverkauft und auch grundsätzlich überfüllt. Deutsche Polizisten oder Feuerwehrmänner würden sich die Haare raufen, wenn sie die laschen mexikanischen Sicherheitsmaßnahmen innerhalb der Stadien begutachten müssten, die auch dazu beitrugen, dass fast in jeder Saison Todesopfer zu beklagen waren, sei es bei Massenpanik oder Gewaltausbrüchen.

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Vor den Stadien wurden die mit dem Auto ankommenden Zuschauer von wild gestikulierenden Jugendlichen zu einem freien Parkplatz eingewiesen. Es war ein wahrer Kampf, anscheinend waren die Gebiete unter den jungen Männern aufgeteilt, jeder wollte den Autofahrer für sich haben. Wenn das Auto abgestellt war, versprach der Teenager auf den Wagen aufzupassen und verlangte dafür einen kleinen Obulus. Man tat gut daran, diesen zu bezahlen. Sonst konnte es nämlich sein, dass man nach den Spiel das Auto mindestens zerkratzt oder maximal als gestohlen melden konnte.

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In und vor dem Stadien wurden tortas (belegte Brötchen), Maiskolben, enchiladas (Tortillas mit Hühnerfleisch und roter oder grüner Soße) verkauft. Für den Fußballfan gab es auch die obligatorischen Fanuntensilien wie Fahne und Plastiktrompete.

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Die Geschäftstüchtigkeit war innerhalb des Stadion ungebrochen. Wenn es plötzlich zu regnen anfing, waren flugs Händler da, die Plastikmülltüten anboten und ein entsprechendes Loch für den Kopf ausgeschnitten hatten. Der Fußball ist für den Mexikaner lebensnotwendig, vor allem will jeder daran verdienen. Der größte Traum der Mexikaner ist es, den Weltmeistertitel zu gewinnen. Doch das, gestand mir vor kurzem ein Mexikaner, ist noch unwahrscheinlicher als dass die Korruption in seinem Lande aufhören würde.

* Beliebter Ruf der mexikanischen Schlachtenbummler (in La-Ola-Formation)

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