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Dance Around the World. Mit dem Tänzer und Choreografen Eric Gauthier in Kuba

Gabi Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Das Konzept ist simpel und auch alles andere als originell. Man nehme einen Promi (ein Pseudopromi reicht auch), lasse ihn Kolleg:innen treffen und mit ihnen irgendetwas gemeinsam machen: singen, spielen, kochen, die Gegend durchstreifen oder auch tanzen. Fertig ist die Personalityshow. Die Eric Gauthier Show zum Beispiel. Ich vermute, viele werden sich jetzt die Frage stellen, wer eigentlich Eric Gauthier ist. Wohl aus diesem Grund heißt die Sendung dann doch Dancing around the world. Mit Eric Gauthier zu den Tanzstars. Dieser Titel gehört nebst Untertitel nicht gerade zu den originellsten, aber er macht uns sofort klar: Der Mann muss ein Tänzer sein. Wir klären hier gerne auf und stellen, nicht zuletzt wegen der etwas launigen Einleitung, fest: Eric Gauthier ist definitiv kein Pseudopromi. Der Kanadier Gauthier war lange Jahre Tänzer am Stuttgarter Ballett und ist inzwischen auch ein international gefeierter Choreograf mit einer eigenen Tanzkompanie, der Gauthier Dance Company. Übrigens immer noch in Stuttgart.

Der Südwestfunk, in dessen Sendegebiet Gauthier lebt und wirkt, hat den Künstler um die Welt geschickt, um den Zuschauer:innen die „angesagtesten (…) besten Tanzkompanien der Welt“ vorzustellen und „in die pulsierende Szene vor Ort“ einzutauchen“. Die Reihe führte ihn nach Montreal, Tel Aviv, St. Petersburg, in die Niederlande, nach London und schließlich nach Kuba. Wobei es präziser eigentlich Havanna heißen müsste.

Die Kuba-Folge der „Eric Gauthier Show“ interessierte Quetzal natürlich. Der erste Eindruck zeigt: ja, es handelt sich tatsächlich um eine Personalityshow um Eric Gauthier. Man sieht (gefühlt) vor allem Eric Gauthier, wie er durch die Straßen Havannas, durch Tanzschulen und Theater schlendert und tänzelt, allein oder mit Kollegen, mal diesen, mal jenen dance move zeigend. Das klingt wenig spektakulär und ist es eigentlich auch nicht. So gesehen kann man sich durchaus fragen, wieso das Ganze hier eigentlich funktioniert. Die Antwort ist einfach – wegen Eric Gauthier.

Und das, obwohl Gauthier, der ja weder Journalist noch Filmemacher ist, m.E. zu wenig nachfragt, weshalb verschiedene wirklich interessante Fragen im Film eigentlich nicht beantwortet werden. Was macht denn den Tanz in Kuba so anders, außer dass die Kubaner wahre Meister der Pirouette sind? Zumindest diese Frage wird im Film schlussendlich doch beantwortet. Und das ist vermutlich vor allem die „Schuld“ des Kanadiers. Denn Eric Gauthier interessiert sich sichtlich für seine Gesprächspartner und sein Thema. Ersteres wohl auch, weil die zum Teil alte Bekannte sind, aber er will die Tanzszene in Kuba seinen Zuschauern nicht vorführen, sondern nahebringen.

Da es um Kuba geht, blieiben Bemerkungen zur politischen und vor allem wirtschaftlichen Situation des Inselstaats nicht aus. Doch die Darstellung folgt nicht dem üblichen „ja ,die haben schon…, aber“, sondern eher einem „ja, die haben Riesenprobleme, aber…“. Eric Gauthier, der selbst Projekte initiiert, die in Deutschland den Tanz zu Menschen bringen wollen, die ansonsten keinen Zugang zu dieser Kunst hätten, zeigt explizit, dass Kuba allen begabten und interessierten Kindern eine kostenlose und dabei erstklassige Tanzausbildung bietet. Der Film zeigt auch die harten Auswahltests an der Ballettschule. Auch wenn man es auf der Bühne nicht so aussieht, Tanzen ist nun einmal eine Schinderei. Ein Beispiel für die Förderung begabter Kinder ist Carlos Acosta, jüngstes von elf Kindern einer armen Familie. Er ist heute der Direktor des Birmingham Royal Ballet und leitet außerdem in Havanna eine eigene Tanzkompanie, die Acosta Danza. Damit wolle er seinem Land etwas zurückgeben, meint er im Gespräch.

Die wirtschaftlichen Probleme des Karibikstaates müssen hier nicht beschrieben werden, sie sind auch in diesem Film nicht zu übersehen: Die Balletteleven werden in einer Ballettschule ausgebildet, in der der Putz von den Wänden bröckelt, das Gran Teatro de La Habana Alicia Alonso, unter dessen Dach sich auch das Ballett Nacional befindet, wird „wieder einmal renoviert“ und in Havanna drohen die Balkons von den Häusern zu fallen. Und doch trifft Gauthier Tänzer, die trotz einer internationalen Karriere auf die Insel zurückkehren.

Im Film ist immer mal wieder die Rede vom kubanischen Ballett als Staatskunst, wobei nicht nur das (klassische) Ballett Nacional gemeint ist. Nach der Revolution wurde die Förderung des Tanzes, der in Kuba eine lange glorreiche Geschichte hat, von Fidel Castro persönlich in die Wege geleitet. Er hatte 1959 die Primaballerina Alicia Alonso gebeten, ein Tanzensemble zu gründen – das Ballett Nacional de Cuba. Auf Fidel Castro geht auch die Gründung der staatlichen Ballettschule zurück. Tänzer, so betont Gauthier, sind auf der Insel so anerkannt wie Ärzte, und sie werden vom Staat bezahlt. Das trifft nicht allein auf die Tänzer:innen des Ballett Nacional oder anderer „offizieller“ Kompanien wie z.B. Danza Contemporánea de Cuba zu. Die Tänzer meinen dazu lapidar, dass das Gehalt nicht zum Leben reiche; zum Glück gebe es Auslandstourneen. Die jungen Tänzer und Kompanien müssen sich allerdings die Anerkennung erst erkämpfen. Das ist offensichtlich nicht ganz einfach, auch wenn davon ihre Existenz – sprich Bezahlung – abhängt. (Diese Information stammt nicht aus dem Film.)

Dance around the world … in Kuba stellt nicht nur die offiziellen Ballettkompanien des Landes, sondern auch kleine Ensembles des modernen Tanzes vor: OtroLado von Norge Cedeño, Acosta Danza des bereits erwähnten Carlos Acosta oder DanzAbierta, geleitet von der Spanierin Susana Pous. Sie verweisen auf eine höchst kreative und innovative Tanzszene, für die die Bezeichnung Staatskunst doch etwas despektierlich erscheint. Kurzum, was uns der Film zeigt, ist einfach nur großartig und atemberaubend.

Abschließend noch eine kurze Bemerkung zum Soundtrack des Films, für den es seltsamerweise keine Credits gibt. Die Auswahl reicht von Carlos Puebla (Hasta siempre) bis zu Manu Chao, dessen Musik den Film dominiert. Ist er irgendwie Kubaner? Selbst wenn, was sollte mit dem Stück Me llaman calle zum Thema des Films eigentlich ausgesagt werden? Den Abschluss bildet Todo negro von Los Salvajes, eine spanische Version des Rolling-Stones-Titels Paint it black. Die Musik wird im Film häufig über die Tanzszenen gelegt, was schon etwas eigen ist – Schwanensee zu Todo negro.

Das ist irgendwie befremdend, aber alles in allem gut.

 

Dance Around the World: Kuba

Regie: Andreas Ammer

SWR 2023. 58 Min.

 


 

Bildquellen: [1-5] Snapshots

 

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