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Arme Vereinigte Staaten, so weit weg von Gott und so nahe an Kuba!

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Bis jetzt war alles so schön einfach: In keinem Punkt war sich die „demokratische Welt“ so einig, wie in der einhelligen Verurteilung und Ausgrenzung des castristischen Kuba. Und nun soll es tatsächlich vorbei sein mit dieser Idylle? Der -so der offizielle Kurztitel – Cuban Liberty and Democratic Solidarity (Libertad) Act (besser bekannt unter dem Namen Helms-Burton-Gesetz) hat einen Keil in diese einvernehmliche „demokratische Welt“ getrieben. Die „Welthandelsgeister“ scheiden sich von nun ab an der Frage: Wie hältst du es mit Kuba? Doch die „Scheidung“ ist so unvergleichlich ungleichgewichtig: USA gegen den „Rest der Welt“ – so der Titel dieser Tragikomödie. Wie war das doch gleich, war nicht eigentlich Kuba das isolierte Land?

Doch der Reihe nach: Zum Anlaß für die Annahme des Helms-Burton-Gesetzes wurde der Abschuß von zwei US-amerikanischen Flugzeugen am 24. Februar 1996 durch die kubanische Luftwaffe genommen, die in den kubanischen Luftraum eingedrungen waren. Drei Flugzeuge waren im Auftrag der exilkubanischen Organisation Brothers to the Rescue (Sitz in Miami) aufgestiegen, nur eines davon konnte nach Miami zurückkehren. Lediglich neun Tage später, am 5. März 1996, hat der US-Senat mit einer Mehrheit von 74 zu 22 Stimmen das anhängige Gesetz angenommen. Am 6. März 1996 entschied sich dann auch das Abgeordnetenhaus mit 336 zu 86 Stimmen dafür. Präsident Clinton, der zu diesem Zeitpunkt bereits in den Wahlkampf eingetreten war und bei den Präsidentschaftswahlen auf die Stimmen der Exil-Kubaner in Florida existentiell angewiesen sein wird, unterzeichnete die Vorlage am 12. März 1996. Das Gesetz war indes schon am 26. Februar 1996 vom republikanischen Senator Jesse Helms lanciert und dann vom Abgeordneten der gleichen Partei Dan Burton unterstützt worden. Ein Schalk, wer nicht glaubt, daß man einen Gesetzesvorschlag in nur zwei Tagen (nach dem Flugzeugabsturz) durchbringen kann!

Mit dem Helms-Burton-Gesetz soll ein schon 34jähriges US-Embargo gegenüber Kuba in der Weise „globalisiert“ werden, daß es auf Drittländer, die in Kuba investieren wollen, ausgeweitet wird. Wie einfach ist es doch, die Welt zu globalisieren! Man deklariere ein Embargo und oktroyiere seine weltweite Unterstützung!

Moralisch ist das zudem leicht zu untersetzen: Man gehe das wie Senator Helms an und bemühe nur einen ausreichend abartigen Vergleich – etwa indem man die ausländischen Staaten, deren Unternehmen in Kuba Kapital anlegen, mit den Kollaborateuren Nazi-Deutschlands während des II.

Weltkrieges auf eine Stufe stellt. Denn – so Helms – Kanada tue genau das, was die Franzosen meinten, mit Hitler tun zu können. Doch zurück zum Gesetz: Selbiges erlaubt US-Gerichten, jene Personen oder Unternehmen zu verurteilen, die in Firmen investieren, die von der kubanischen Revolution nationalisiert worden waren. Davon sind beispielsweise auch EU-Staaten wie Italien und Frankreich oder die Rio-Staaten, wo Kuba selbst nicht Mitglied ist, betroffen. Besonders delikat aber ist die Tatsache, daß mit dem Gesetz auch die US-amerikanischen Nachbarn Kanada und Mexiko tangiert werden, die zudem mit den USA in der Freihandelszone NAFTA vereint sind. Entsprechend ihrer Interpretation des Textes von NAFTA wollen Mexiko und Kanada aus Protest gegen die Helms-Burton-Verfügung nun ihrerseits Handelssanktionen gegen das Gesetz durchsetzen. Etwa 200 mexikanische Firmen halten – entgegen den Gesetzesvorschriften – an ihrer Geschäftstätigkeit mit Kuba fest. Mexiko, aber auch Kanada, fragen sich nun zu Recht, wie ernst sie NAFTA eigentlich noch nehmen können.

Sollten sich die Fronten zwischen den USA und Mexiko in diesem Kontext verhärten, so kann durchaus eine stärkere Zuwendung Mexikos zu Japan, China oder den EU-Staaten erwartet werden. Das Helms-Burton-Gesetz behindert den freien Handel und die Glaubwürdigkeit aller Prinzipien, die in einem solchen Sinne von der Welthandelsorganisation aufgestellt wurden. Es verstößt damit auch gegen die Charta der Vereinten Nationen. Die UN-Generalversammlung hat diese Blockade Kubas folgerichtig mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Der Ablehnung haben sich nur Israel (das aber Handel mit Kuba treibt) und Usbekistan (!) nicht angeschlossen. Welch eine Stimmenkoalition! So ist wohl anzunehmen, daß die USA noch immer ihre National Security Interests bedroht sehen, und das ausgerechnet von Kuba, dessen Innenpolitik einen – so ist in der Section 101 des Helms-Burton-Gesetzes zu lesen – „threat to internationalpeace“ darstelle. Aber warum nur, so fragt man sich, testet die US-Administration nun ihre Großmachtambitionen auch gegenüber den Verbündeten, darunter die EU und Kanada, die sie wie „unmündige Schulkinder“ behandelt? Wird gar – wenn insonderheit die „military and intelligencefacilities of Russia“ (Section 107) als bedrohlich herausgestellt werden – einmal mehr die „kalte Hand“ Moskaus auf der heißen Insel vermutet? Jedenfalls nimmt mit Peter Deutsch einer der nordamerikanischen Befürworter des Gesetzes nunmehr auf Kuba das „Reich des Bösen“ an. Eine wahrlich atemberaubende Verlagerung eines ganzen Reiches über so viele tausend Kilometer! Wird nun das alte bipolare Konzept aus der Mottenkiste hervorgeholt, um an einem anderen Ort seine Reinkarnation zu feiern? Oder soll jetzt – denkt man an die angedrohte Maßregelung des „Restes“ der unternehmerischen Welt – die bipolare durch eine unipolare Welt eingetauscht werden? Schlägt man den (kubanischen) Sack, um gleichzeitig den (europäischen) Esel zu meinen? Doch die Europäische Union hat ihren Protest bereits artikuliert. Man wird sehen, wie die Kraftprobe ausgeht.

Allein das Resultat dieser Kraftprobe ändert nichts an der Grundeinschätzung des Gesetzes: Es ist juristisch absolut fragwürdig, daß Aktivitäten nicht-US-amerikanischer Unternehmen außerhalb der USA unter die Hoheit der US-amerikanischen Judikative fallen sollen – ein höchst abenteuerliches Unterfangen einer „extraterritorialen“ Gesetzesinitiative, die klar auf die Grenzen des internationalen Rechts stößt. Das Juristische Komitee der OAS, dessen Schiedsspruch von Kanada und 31 lateinamerikanischen bzw. karibischen Staaten angefordert worden war, hat bereits das Gesetz als dem Internationalen Recht widersprechend eingeschätzt. Schließlich stellt sich auch die Frage, wie realistisch die Sanktionen gegenüber „schuldigen“ Drittländern überhaupt sein können: Wollen die USA den Bürgern der mindestens 58 Staaten, die mit Kuba Handel treiben, tatsächlich – wie angedroht – die Einreisevisa verweigern? Und wie soUen von den italienischen, kanadischen oder mexikanischen „Gesetzesbrechern“ jene 50.000 $ Strafe eingetrieben werden, die ihnen vom US-Staatssekretär für „Finanzen per Gesetz maximal auferlegt werden können?

Die in Kuba bereits initiierten ökonomischen Reformen, die gerade darauf angelegt sind, die kubanische Wirtschaft in ersten Ansätzen zu liberalisieren, und die kubanischen Entspannungs-Gesten – etwa die Aufhebung der Visumspflicht für Exilkubaner, die nicht an „feindlichen Akten“ gegen Kuba beteiligt waren – werden mit dem Gesetz torpediert, statt honoriert. Warum eigentlich, so fragt man sich, wird die einst in Osteuropa so erfolgreiche Strategie des promoting democracy, die ihrerseits das erfolglose Konzept des exporting democracy abgelöst hatte, nun gewissermaßen vom „Autor“ selbst und zwar am kubanischen Beispiel „falsifiziert“? Ist das ökonomisch und außenpolitisch schwache Kuba international tatsächlich so belangvoll, daß mit ihm die Glaubwürdigkeit eines strategischen Konzepts mit universalistischem Anspruch in Frage gestellt? Aber gemach! Kuba bekommt ja mit dem Gesetz eine so faire Chance! Es braucht doch nur, dem US-Gebot folgend, in der Windeseile eines Jahres freie und faire Wahlen durchzuführen, wobei diese Freiheit den vorherigen Rücktritt von Raül und Fidel Castro natürlich voraussetzt (denn genau das wäre ja „self-determination ofthe Cuban People“ (Section 201)), und damit käme das Land dann auch flugs und „verdientermaßen“ in den Genuß der Gleichbehandlung mit anderen Staaten.

Der Veteran unter den Abgeordneten der Demokratischen Partei aus Florida, Sam Gibbons, soll gesagt haben: „Wenn Sie – wie ich – schon vor 35 Jahren hier gesessen hätten, hätten Sie dieselben Reden gehört und dieselben verrückten Gesetze angenommen!“ Noch immer nichts erreicht? Auch kein Ersatz für einen erfolglosen Anachronismus in Sicht? Und bei alledem so allein auf der Welt? Arme Vereinigte Staaten, so weit weg von Gott und so nahe an Kuba!

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