Dieses Jahr fanden in Kolumbien mehrere Wahlen statt: die Parlaments wählen, die Senatorenwahlen, Volksabstimmungen der einzelnen Parteien zur Aufstellung des jeweiligen Präsidentschaftskandidaten, zu den Bürgermeisterwahlen und den Stadtratswahlen und außerdem der erste und zweite Wahlgang zur Präsidentschaftswahl.
Verfolgt man die Geschichte Kolumbiens, so wird man feststellen, daß sich immer zwei Parteien die Macht im Land teilten: Die Konservative und die Liberale Partei. Kleinere Parteien und Gruppierungen haben kaum eine Chance, erfolgreich bei den Wahlen abzuschneiden. Im Gegensatz zu den Wahlen von 1990, bei denen Furcht und Ungewißheit regierten – Attentate beherrschten die Tagesordnung – gab es dieses Jahr nur Diebstähle von Wahlurnen, 11 Entführungen von Funktionären und ein Attentat. Die Guerrilla-Bewegungen ELN und Las FARC steckten fünf Fahrzeuge in Brand.
Die diesjährigen Wahlen unterscheiden sich jedoch auch noch durch andere Neuerungen von den vorangegangenen. Die Verfassung von 1991 sieht in einem zweiten Wahlgang die Wahl
eines Vizepräsidenten vor, wenn im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen konnte. Auch Kandidaten von Minderheiten standen zum ersten Mal auf der Liste.
Am 29. Mai zeigte sich jedoch, daß sich am traditionellen Wahlverhalten der Kolumbianer nicht viel geändert hat. Der Präsidentschaftskandidat der Liberalen Partei, Ernesto Samper, besiegte den Herausforderer von der Konservativen Partei, Andres Pastrana, mit einem Stimmenanteil von 0,4% mehr. Immerhin entschieden sich von 32 Wahldistrikten 21 für Samper. Der Nichtwähleranteil lag bei 68%. Drittstärkste Partei wurde die M-19 mit nur 3,7% der Wählerstimmen. Sie nahm 1971 unter Führung des Ex-Diktators General Gustavo Rojas Pinilla als ANAPO an den Wahlen teil. In diesem Jahr trat sie den Wahlkampf unter dem Namen Compromiso por Colombia an. Die anderen Gruppierungen erhielten nicht einmal l % Stimmanteil.
Übersetzung: Anke Piehozki