Benjamín Puche Villadiego – Archäologe, Anthropologe, Ökologe und geborener Historiker; Autor der Bücher Análisis Matemático del Sombrero Vueltiáo Zenú, Irrigació Cultural para Adultos Campesinos, El Refranero Sinuano. Er lebt in Barranquilla und arbeitet in San Andrés de Sotavento unter den Indígenas bei der Alphabetisierung der Erwachsenen.
Wasserbauingenieure
Im letzten Drittel des Flusses San Jorge und in ausgedehnten Gebieten der Mompo-sina-Senke befinden sich Spuren von Kanälen und schwimmenden Inseln, die vor etwa 2000 Jahren angelegt wurden, um die Überschwemmungen des San Jorge, des Cauca und der Magdalena einzudämmen. Die in der Form von Fischgräten” ausgeführten Arbeiten hemmten die Wucht der Wassermassen und begrenzten die Schäden; gleichzeitig bewirkten sie eine Ablagerung von Humus in der Aufschwemmung. Sie kontrollierten den Wasserstand und schlossen immer dann die Zugänge, wenn sie angefüllt waren; so wurde das Wasser für trockene Perioden bewahrt. Wenn die Nährstoffe fehlten, lockerten sie die Stauung, und die eingelagerten Sedimente flos-sen ab, um die schwimmenden Inseln zu düngen. Auf diese Art und Weise erfüllten diese Arbeiten vielfältige Funktionen: “Eindämmen der Überschwemmungen, die Sammlung von Dünger, Bewässern der Bebauung und ein ausreichender Vorrat an Bocachicos.”
Es ist interessant zu wissen, dass sich dieses für moderne Zeiten kolossale Werk über eine Fläche von mehr als 500.000 Hektar erstreckt. Selbstverständlich waren die Werkzeuge keine anderen als “Feldhacken mit im Feuer gehärteten Spitzen und Kürbisgefäße pflanzlichen Ursprungs”. Fest steht: All dies geschah ohne internationale Anleihen.
Keine der kolumbianischen Regierungen dieses oder des vergangenen Jahrhunderts hat auch nur annähernd Vergleichbares geleistet. Dies zeigt die Verachtung, die man den wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer Vorfahren entgegenbrachte, Erkenntnisse, die man weder begriff noch verbreitete oder gar anwendete.
Goldschmiede, Weber, Flechter und hervorragende Musiker
Die spanischen Chronisten waren nicht sehr ausführlich bei der Beschreibung der indigenen Gruppen, um so weniger bei denen, die sich bis zu Selbstaufopferung gegen die Eroberer wehrten. Diese zogen den Kampf der Sklaverei vor, die ihnen im Namen der abendländischen Kultur und der Zivilisation großzügig angeboten wurde. Dennoch entlockte die Pracht der Goldschmiedarbeiten, die Baumwolle, die Keramik, die Wohnbauten und die landwirtschaftliche Organisation Juan de Castellano mehr als nur ein Lob über die Zenú-Gruppe.
Als Pedro de Hereida im Jahre 1534 zum Heiligtum der Zenú kam, fand er zwölf mit Goldspenden beladene Hängematten vor, die an 24 geschnitzten, mit Goldplättchen umflochtenen Holzsäulen hingen. “Das eingesammelte Gold wurde in Zentnern gewogen.”
Die Begräbnisurnen waren von virtuosen Künstlern verziert worden, und die Stoffe aus feinem Baumwollgarn wiesen vortreffliche geometrische Kombinationen auf, die faszinierend gefärbt waren.
Luis Antonio Escobar erzählt in seinem Werk über die präkolumbischen Musikinstrumente Amerikas: “die Pfeifen von Melibue zusammen mit den Macho- und Hembra-Pfeifen der Zenú-Kultur sind die melodischsten Instrumente des präko-lumbianischen Amerika”. Hier erhält man eine flüchtige Vision von dem Glanz und der Herrlichkeit, die die Zenú-Nation einst ausstrahlte.
Andere Beiträge
Unser heißes Klima erfordert nur wenig Gewänder und eine gut belüftete Umgebung, um das Austrocknen der Haut zu vermeiden. Unglücklicherweise ist die der freien Luft ausgesetzte Haut ständig von Insekten bedroht, aber die Kenntnis der Pflanzenwelt gestattet es, die verschiedensten Insektenschutzmittel zu finden. So gab es das Achiote (die Frucht des Orleanbaumes) als erstes Insektenschutzmittel, und selbstverständlich Eisenkraut für die Stiche der Wespen, Würmer, Skorpione und Tausendfüßler. Man darf nicht vergessen, dass der erste Krankenwagen hier bei uns entstanden ist, und nicht wenige von uns haben ihr Schaukeln unter den Kokospalmen genossen: Es ist die Hängematte.
Schon unsere Großmütter hatten auch den Dampfdruckkochtopf erfunden, um die Nahrungsmittel besser zu kochen. Wie viele von uns haben den in diesem Lehmtopf, unter Beigabe eines Blattes der Heliconie, gekochten Witwenfisch gegessen. Wenn wir diesen Topf mit zeitgenössischen vergleichen, fallen seine physikalischen Eigenschaften und die Ähnlichkeit mit heutigen Kochgeschirren auf. Und, fast vergaß ich es, man weichte das Fleisch auf, indem man einen Löffel Papayamilch pro Libra (etwa ein Pfund) beigab.
Bevor der heute angewendete Kaiserschnitt erfunden wurde, gingen unsere Großmütter mit den Erstgebärenden zu den Ufern der Lagune oder der Flüsse, wo sie sie untertauchten; die Frauen öffneten dabei ihre Beine, das Gesetz der Schwerkraft anwendend, das besagt: “Das was fällt, fällt nach unten.” Die russischen Wissenschaftler, sagt man, haben etwa ähnliches entdeckt und bestürmten die Öffentlichkeit, um diese gute “Neuigkeit” bekanntzugeben.
Wissen wir, wo die ersten Tränengasgranaten entwickelt wurden? Hier, bei uns. Man trocknete die Chilischoten (Cayennepfeffer) in der Sonne und nach dem Pulverisieren füllte man sie in Kalebassen, die man an einer Leine mit hoher Geschwindigkeit kreisend gegen den Feind schleuderte.
Das Fleisch trocknete man, indem man es über einem kleinen Feuer räucherte. Die Wohnbauten waren so vollendet konstruiert, und die Balken und Träger waren so sicher und fest verankert, dass man mit den Häusern “umziehen” konnte. Deshalb löste das Bewegen des Cudecom-Gebäudes in Bogotá unter den Bauern großes Gelächter und den Kommentar aus, dass man sie gerade kopiere. Unsere zenuesischen Vorfahren beherrschten die Natur in all ihren Formen und zogen Nutzen aus jeder einzelnen Ressource. Wir alle kennen das Guadua-Rohr (Caña Guadua): Aus ihm machten sie Aquädukte, Leiter, Matten, Trennwände für die Wohnungen, Panflöten; sie schnitten es schräg an, und nach dem Entfernen verschiedener Scheidewände richteten sie es nach dem Wind aus und hatten natürliche Musik.
Alle hängenden Brücken der Erde sind Kopien der von unseren Indígenas konstruierten Brücken. Es würde uns die Zeit fehlen, wirklich alle Dinge, die sie herstellten, hier aufzuführen.
Wie diese Pracht verschwand
Gegen den unbeugsamen Widerstand, wie im Fall des Kaziken Timorré in Alto Sinú, gab es Krankheiten und Kriegswaffen mit ungewöhnlicher Wirkung: die spanischen Krieger zu Pferde, bewaffnet mit Hakenbüchsen und einem Schwert mit stählerner Schneide, welche die Eingeborenen verblüfften.
Als Maßnahme gegen den Überfall entschieden sie sich für das Verbrennen der Siedlungen und drangen tief in den dichten Urwald ein. Abtrünnigkeit und Intrigen halfen mit, den Invasoren den Weg zu ebnen.
Das Gold als dekoratives rituelles Element wandelte sich in einen Fluch. In den Zentren der Goldschmiedekunst und der Meister dieser Kunst verschwand es über Nacht, und sie nahmen ihr Wissen und die ästhetischen Feinheiten mit ins Grab.
Als das Gold aufgebraucht war, blieb nur die Flechtkunst als Element, um der Hand-arbeit in den Entwürfen der Pintas Ancestrales Form und Gestalt zu geben. Es ist klar, das die Caña-Flecha eine vergängliche Faser ist, und so gingen viele der Entwürfe verloren. Aber mit den heute vorliegenden Studien wird man viele von ihnen wiedergewinnen können.
Die Zeugnisse dieser Kulturgruppe werden zur Freude der Liebhaber dieser Ästhetik und zum Wohle der Geschichte der Völker Amerikas in der Region zwischen den Bezirken von Córdoba und Sucre konserviert. San Juan, San Jacinto, El Carmen, Ovejas, Coloso, Corozal, Morroa und Sincelejo erhalten die Textilien aus Baumwolle und Agave; Sampués, Chinú, San Andrés, Chima, Cienaga de Oro, Momil, Palmito und Purísima erhalten das Flechtwerk aus weichen und harten Fasern für die Korbflechterei. In Arache, Momil, Purísima und San Sebastián fertigt man die Keramik. So bleiben nun die Spuren des Zenú-Kerngebiets in dieser Region erhalten. Aber was die größte Bedeutung hat, ist die Existenz des Reservates von San Andrés de Sotavento als offensichtlich juristische und reale Enklave zwischen den Siedlungen von Sucre und Córdoba.
Juristische Existenz des Reservates
Wegen der andauernden Zusammenstöße zwischen den Kolonisten aus Lorica, Tolú und den angrenzenden Zonen der Zenú-Siedlungen, die sich negativ in der Versorgung der Garnison von Cartagena wiederspiegelten, wies die spanische Krone als Lösung des Problem besagter Gemeinde 83 000 Hektar zu; damit wurde deren Gebiet im Jahre 1773 abgegrenzt, und die Autonomie sowie die eigene Regierung dieser Gemeinde wurden anerkannt.
Es gibt zwei Tatsachen, die vom juristischen Standpunkt aus gesehen besondere Bedeutung haben: das Dekret von 20. Mai 1820, verkündet vom Präsidenten Simón Bolívar, welches verfügte, dass alle Gebiete, die durch Dokumente der spanischen Krone geschützt oder seit langem ununterbrochen besiedelt waren, an ihre natürlichen Ei-gentümer zurückgegeben werden; die Verfassung von Cucuta aus dem Jahre 1821, Artikel XXIII, der festlegt, welches die Besitztümer der Nation sind, unter Ausschluss der durch das Dekret von Bolívar betroffenen Territorien. Das vorangehend Gesagte will zum Ausdruck bringen, dass das Reservat von San Andrés de Sotavento niemals Teil der nationalen Besitztümer gewesen ist. Daher leitet sich das entschlossene Han-deln der Autoritäten des Reservates ab, ihre Autonomie und Souveränität zu deklarieren.
In Kolumbien zählt nicht als moralischer Wert, was uns die Ureinwohner als Beispiel von Würde hinterließen, sondern es zählen andere “Werte”: Strebertum, Opportunismus, gerissen sein, mit allen Wassern gewaschen sein, gut drauf sein, wissen, wozu das Leben gut ist, unterwürfig gegenüber dem Vorgesetzten oder dem großzügig geschmierten Ausländer sein, oder wie man heutzutage gnädig zu sagen pflegt, um niemanden unbedacht zu demütigen: “Es sind die ethischen Parameter des Protagonismus.”
Übers. a. d. Span.: Patrice Castillo