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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Die verstorbene Gloria Zea – eine Gallionsfigur des Kulturmanagements in Kolumbien – Teil I

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Im Verlauf der Jahre wandelte sich Gloria Zea von einer VIP hin zu einem der prominentesten Wahrzeichen des kolumbianischen Kulturbetriebs. [Heute], am 11. März 2019, wurde ihr Tod im Krankenhaus Fundación Cardioinfantil in Bogotá bestätigt.

Im Januar 2016, nach 47 Jahren im Museum für Moderne Kunst in Bogotá (MAMBO – span.: Museo de Arte Moderno de Bogotá), kündigte Gloria Zea ihren Rückzug aus einer Institution an, die ohne sie nie das geworden wäre, was sie heute ist. Wie jede Person des öffentlichen Lebens in Kolumbien sorgte auch G. Zea für breiten Zwist und scharfzüngige Diskussionen. Trotzdem erkennen sowohl ihre Bewunderer als auch ihre Kritiker an, dass sie ohne Zweifel eine derjenigen Frauen war, die sich am meisten für die Kultur und Kolumbien eingesetzt hat.

 

Sie verließ zwar das MAMBO, hörte jedoch nie auf, die Ausstellungen zu besuchen, und hörte ebenfalls nie auf, ihr Leben nahe der Kunst zu verbringen. Als Direktorin der Ópera de Colombia[1], die sie gründete, knüpfte sie Verbindungen zum Teatro Mayor[2] und gemeinsam brachte man einige Produktionen über die Bühne. Nie hörte sie auf. [Diesen Mittwoch] stand die Premiere von „Madame Butterfly“ in ihrem Terminkalender.

 

Ihr Leben verlief leidenschaftlich, und zwar nicht nur im Kulturbetrieb. Sie brachte den Bestand der Kunstsammlung des MAMBO von 80 Exponaten – zu den Zeiten, als sie 1969 die Leitung übernahm – auf 3.633 Werke, mit denen sie es ihrem Nachfolger hinterließ; sie managte außerdem den Bau des Gebäudes nach Plänen von Rogelio Salmona, in dem sich heute dessen Installationen befinden. Als Direktorin des Colcultura[3] erweiterte sie das kulturelle Blickfeld Kolumbiens, indem sie mehrere Restaurationen anleitete – wie etwa die des Teatro Colón –, indem sie die Institution Oper ins Land brachte und wichtige Veröffentlichungen in den Bereichen Geschichte, Soziologie und Literatur ins Leben rief. Ihr langer Lebensweg schließt ein, wie sie erste Werke von Pablo Picasso und Marc Chagall ins Land brachte; wie Alejandro Obregón viel schüchterner war als er erschien, während mit dem Expräsidenten Alberto Lleras genau das Gegenteil geschah.

 

Die ersten Jahre

 

Gloria Zea wuchs im Hause ihres Vaters Germán Zea aus, einer der Männer der ersten Stunde der Liberalen Partei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da ihr Vater mehrere Male Minister und Botschafter war, war sie ein privilegiertes Kind. In ihrer Jugend lernte sie die Welt kennen – zu Zeiten, als noch wenige Kolumbianer dies tun konnten – und sie wuchs in einer Familie auf, die ein Treffpunkt der Mächtigen des Landes war.

 

1955 studierte sie Kunst in den USA, aber während eines Besuches in Kolumbien im Dezember traft sie auf den Expräsidenten Alberto Lleras in seinem Anwesen. Der damalige Direktor der Universidad de los Andes[4], den Zea als ihr Vorbild betrachtete, überzeugte sie, wieder an dieser Alma Mater zu studieren. Er selbst erledigte alle Formalitäten für sie und meldete sie an. Eben dort, im Kunstunterricht, lernte sie Fernando Botero kennen. Er war ihr Dozent, wurde aber bald ihr Ehemann. Sie gingen nach Mexiko, wo ein kurzer Aufenthalt sich auf zwei Jahre aufspannte, und dort wurde ihr erster Sohn geboren, Fernando. Dann kehrten sie nach Kolumbien zurück, wo Lina und Juan Carlos geboren wurden.

 

Mit ihrer Rückkehr begannen die Unannehmlichkeiten. Fast von einem Tag auf den anderen – auf Bitten hin von Daniel Arango – übernahm sie den Lehrstuhl für Geisteswissenschaften, den Ramón de Zubiría an der Universidad de los Andes innehatte. Das Lehren machte ihr zunächst furchtbare Angst, aber sie hatte vollen Erfolg damit, Studierende zu unterrichten, die sehr häufig älter waren als sie. Diese Erfahrung veränderte ihr Leben: „Ich durfte außerordentliche Menschen kennen lernen, die wichtigsten Intellektuellen dieses Landes. Das hat mich geprägt, das war ein fundamentaler Wendepunkt für mich. Und es hat meine tiefe Verbindung mit Los Andes besiegelt“, bekräftigte sie vor einigen Jahren gegenüber LA SEMANA.

 

Doch die wichtigste Person in dieser Zeit war Marta Traba, die argentinische Managerin und Vorreiterin der modernen Kunst in Kolumbien, die in den 1950er Jahren ihre Dozentin war und zu ihrer Kollegin geworden war. Sie bewunderten sich gegenseitig, und, inmitten der Lobeshymnen, die Gloria für ihre Mentorin zu äußern pflegte, arbeiteten sie oft vierhändig an Artikeln und Fernsehprogrammen. Diese Freundschaft würde ihr Berufsleben verändern.

 

Die Jahre am MAMBO

Kolumbien: Museo de Arte Moderno - Foto: Public DomainGloria kehrte mit Botero nach New York zurück, aber sie trennten sich dort 1960. Zea blieb in der Stadt, um ihre Kinder nicht die Nähe zum Maler zu nehmen. Und dort traf sie zwei Jahre später auf den Unternehmer Andrés Uribe Campuzano, ein Zeitgenosse und Freund ihres Vaters und bekannt unter dem Namen Mr. Coffee aufgrund seiner Arbeit im Nationalverband der Kaffeebauer. Sie heiratete 1963, gegen den Willen von Germán Zea, den Mann, der heute noch als der „wunderbarste, großzügigste und ehrbarste“, den sie kennen lernte, heraussticht und mit dem sie eine tiefe Liebe zur Poesie teilte. Sie lebte ein Luxusleben im „Big Apple“, knüpfte wichtige Kontakte in der Kunstwelt, und kehrte später nach Kolumbien zurück. Sie lebte mit Uribe Campuzano 17 glückliche Jahre.

 

1969, als sie gerade wieder in Kolumbien angekommen war, lud ihre Freundin Marta Traba sie zum Mittagessen im Hotel Continental ein und erklärte ihr, dass sie den Posten als Direktorin des Museums für Moderne Kunst annehmen müsse. Traba, die den Posten damals innehatte, hatte sich in Ángel Rama verliebt und würde nach Venezuela reisen. „Du musst das Museum erschaffen, das ich nicht erschaffen konnte“, sagte die Argentinierin zu ihr. Das MAMBO, das 1955 ins Leben gerufen worden war, hatte seit 1963 unter der Leitung von Traba gestanden und seine 80 Exponate befanden sich in der Universidad Nacional, und es war eine weitere Herausforderung, derer Gloria Zea sich annahm. Als sie die Arbeit in der Museumsleitung begann, wandelte sie sich von – wie ihre Mitstreiter berichten – einer Dame, die für ihre Schönheit bewundert wurde, zu einer geachteten Persönlichkeit der Kunstwelt.

 

In ihrem leidenschaftlichen Leben gab es viele Personen, die es entscheidend beeinflussten – ihre Mentoren, Kollegen, Freunde und Persönlichkeiten aus der Welt der Politik, die ihr Mut zusprachen und sie unterstützten. Vor allem natürlich Marta Traba, die zunächst ihre Dozentin an der Universidad de los Andes, und später ihre Freundin war. Die Argentinierin übertrug ihr die Leitung des Museums 1969.

 

Von Beginn ihrer Leitungstätigkeit an setzte sie sich hohe Ziele. Gemeinsam mit der Bavaria[5] trieb sie für ein Jahr einen Sitz für das Museum auf, dank des Industriellen Carlos J. Echevarría und den damaligen PR-Chef des Unternehmens, Bernardo Hoyos. Dort stellte sie ihre ersten Ausstellungen auf die Bäume. Sie begann mit Alexander Calder, den in Kolumbien niemand kannte, und, um Publikum anzulocken, organisierte sie mit dem Museum of Modern Art in New York die Leihgabe von Drei Frauen am Brunnen (1921) von Picasso, und mit dem Guggenheim die Leihgabe von Die Braut (1950), von Chagall. Die zweite Ausstellung, die für Zea so denkwürdig war wie die erste, beinhaltete Andrés de Santamaría. Um an dessen Bilder zu gelangen, reiste sie mit ihrem Ehemann nach Belgien und in die Llanos Ortientales von Kolumbien[6], wo die beiden Töchter des Künstlers lebten.

 

Die Direktorin hielt Wort und gab die Räumlichkeiten von Bavaria nach einem Jahr zurück und suchte – gemeinsam mit Rogelio Salmona – nach einem neuen Ort. Sie fanden einen im erst kürzlich fertiggestellten Distriktsplanetarium, aber um ihn zu verwenden brauchten sie die Erlaubnis des Stadtrats von Bogotá, dem María Eugenia Rojas vorstand. Die beiden mochten sich nicht. Rojas hielt Zea für eine elitäre Spießbürgerin, aber Zea gab nicht auf. Sie blieb ihr auf den Fersen, und als Rojas eines Abends bei einer gemeinsamen Freundin zu Abend aß, sprach sie sie an: „Ich weiß, dass Sie denken, dass das Museum eine elitäre Einrichtung ist, aber ich bitte Sie – kommen Sie morgen, am Samstag, ins Museum, und wenn das, was Sie sehen, elitär ist, werde ich nichts mehr verlangen.“ Am folgenden Tag wartete Zea nervös auf die Urteilsverkündung. „Sie bekommen es, Doña Gloria”, sagte Rojas. Das Museum verweilte dort für sieben Jahre.

 

Bescheidenerweise sprach sie ihren Erfolg immer denjenigen zu, die sie als die Mentoren ihres Lebens betrachtete. Außer ihren drei Ehemännern, Fernando Botero, Andrés Uribe Campuzano und der Mann, mit dem sie bis zu ihrem Tod zusammen war, Giorgio Antei, bekannte sie sich immer zu ihrer enormen Dankbarkeit gegenüber dem ehemaligen Präsidenten Lleras, Rogelio Salmona und Belisario Betancur. Lleras führte sie in den kolumbianischen Kunstbetrieb ein und die letzteren beiden trugen – nach ihren Kräften – eine beachtliche Zahl an sprichwörtlichen Sandkörnern zum Bau des Sitzes des MAMBO bei, das erst 1985 vollständig mit den ursprünglich geplanten vier Etagen übergeben wurde. Salmona verlangte nie einen Cent für das Originaldesign und für die ständigen Änderungen. Betancur war bereit, mit seiner eigenen Unterschrift ein notwendiges Darlehen bei Sparkassen zu unterstützen, um die Bauarbeiten zu beenden.

 

Ihr Erbe als Direktorin des MAMBO wird auf jeden Fall in Erinnerung bleiben. Im April 2016 wurden zwei große Bände unter Herausgeberschaft ihrer Freunde Francia Escobar de Zárate, Gabriel Zárate und Efraín Otero veröffentlicht: der erste, das 100 repräsentative Exponate des Museums vorstellte, und der zweite, ein Kompendium der Datenblätter der Exponate und eine ausführliche Chronologie des Werdegangs der Institution.

 

Rogelio Salmona war einer ihrer Seelenverwandten und seines großzügigen Gesten rührten Zea zu Tränen. Der Architekt entwarf das Gebäude, änderte das Design so oft es notwendig war, und verlangte nie einen Cent.

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Original-Beitrag aus LA SEMANA (11.3.2019). Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

Übersetzung aus dem Spanischen: Laura Wägerle

Bildrechte: [1] Public Domain

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[1] dt.: „Oper von Kolumbien“

[2] dt.: „Haupttheater“

[3] ehemaliges, dezentrales Kolumbianisches Institut für Kultur, das 1968 gegründet wurde und 1997 in das heutige Kulturministerium überging

[4] dt.: „Universität der Anden“: größte private Universität Kolumbiens, die heute zu den fünf besten Universitäten Lateinamerikas gehört

[5] größte Brauerei Kolumbiens

[6] östliche Tiefebenen: savannenartiges Grasland im Osten Kolumbiens

 

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