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Friedensaussichten – schlecht, schlechter, am be-schlechtesten

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Am 7. 8. 2002 wird der kolumbianische Präsident Pastrana seine Amtsgeschäfte an den Liberalen Álvaro Uribe Vélez übergeben, der als unabhängiger Kandidat seinen Sieg sogar schon in der ersten Wahlrunde perfekt gemacht hatte. Niemand bezweifelt, daß Uribe die harte Linie, die Pastrana insbesondere zum Ende seiner Amtszeit an den Tag gelegt hatte, eher bestätigen, ja vertiefen wird, denn ein neues Friedenszeichen zu setzen. Sogar die konservative Neue Zürcher Zeitung kam nicht umhin, diese Aussicht als „Rechtsrutsch“ zu bezeichnen. Uribe ist sich mit Pastrana darin einig, daß die Guerilleros Terroristen sind, und FARC-Comandante Alfonso Cano bejahte die Frage eines Zeitungsreporters, ob es stimme, daß er Uribe als „aufgeklärten Faschisten“ bezeichnet habe, fügte aber hinzu, daß er jetzt eher dazu tendiere, das Adjektiv „aufgeklärt“ wegzulassen. Uribe hat sich zwar inzwischen auch auf den Diskurs eines Friedensprozesses eingelassen, betrachtet ihn aber nur als Weg zur Kapitulation der größten Guerilla FARC und bietet alternativ die Bewaffnung der Bevölkerung in Bürgerwehren an.

Eine von den FARC geforderte „zona de distensión“ war am 7. 11. 1998 mit einer Fläche von 42.000 qkm und etwa 100.000 Einwohnern in den Munizipien Uribe, Mesetas, Macarena, Vistahermosa (alle in Meta) und San Vicente del Caguán (Caquetá) eingerichtet worden. Die Regierung hatte betont, daß eine solche Zone nach internationalem Recht nichts mit einer effektiven militärischen Kontrolle durch eine etwaige militärische Überlegenheit der FARC gemein habe und daß der kolumbianische Staat zentralistisch bleiben müsse, die Einheit der Nation nicht in Frage gestellt und eine „Balkanisierung“ nicht zugelassen werden dürfe. Die Demilitarisierung – Rückzug der Truppen und Suspendierung militärischer Operationen – bedeutete also keine Aufgabe der nationalen Souveränität. Verfassung und Gesetze galten auch in dieser Zone weiter, wobei sich aber eine Schwierigkeit daraus ergab, daß sich die Guerilla grundsätzlich als außerhalb der Gesetze agierend versteht. Der Staat blieb in der Zone mit seinen zivilen Institutionen, dem Bürgermeister und der Polizei, präsent. Die Guerilla hatte indes damit nicht nur einen politischen, sondern natürlich auch einen militärischen Spielraum gewonnen – Rekrutierungen konnten dort vorgenommen und militärische Ausrüstung gelagert werden – und sie sah die Zone auch eher als Resultat ihres militärischen Erfolgs und nicht so sehr als Ergebnis der Konzessionsbereitschaft der Regierung an, was sie in ihren eigenen Augen „ermächtigte“, mit der Regierung „von gleich zu gleich“ zu verhandeln. Natürlich diente ihr die Zone auch als „Drogenumschlagplatz“. Vor allem war sie Ort der Friedensgespräche zwischen Regierung und FARC und auch der insgesamt 38 Audiencias Públicas (öffentliche Anhörungen), welche die FARC der Zivilgesellschaft gewährten und an denen ca. 50.000 Personen teilnahmen.

Die Geltungsdauer der Zone wurde mehrfach verlängert. Doch als die vom 3. bis zum 4. bzw. 8. bis zum 9. 1. 2002 währenden Gespräche zwischen Regierung und FARC daran scheiterten, daß die FARC nicht mehr länger bereit sein wollten, die seit dem 7. 10. 2001 andauernden Kontrollflüge der Regierungsarmee über der Zone und andere Kontrollmaßnahmen hinzunehmen, und die Regierung es ablehnte, über diese zu verhandeln, war schon einmal das Ende der Zone angesagt. Es hieß, die FARC sollten bis zum 14. 1. 2002 das Territorium verlassen, und die Regierungsarmee dürfte die Zone besetzen. Etwa vier Stunden vor Ablauf des Ultimatums einigten sich FARC und Guerilla am 14. Januar 2002 unter Vermittlung des UN-Sondergesandten James Lemoyne und der Botschafter der „países amigos“, die Gespräche fortzusetzen. Die FARC akzeptierten nun die Kontrollen, und Regierung und FARC vereinbarten am 20. 1. 2002 einen bis zum 7. 4. 2002 reichenden Zeitplan, der in die Unterzeichnung eines Abkommens über eine Feuereinstellung und die Einstellung der Feindseligkeiten münden soll. Die Frist für die „zona de distensión“ war zunächst bis zum 10. 4. 2002 verlängert und der Fortgang des Friedensprozesses vorerst „gerettet“ worden. Dies war dank der Vermittlungsbemühungen des UN-Sonder¬gesandten und der „países amigos“ gelungen, die bis dahin eine eher untergeordnete Rolle gespielt hatten und nun erstmals tatsächlich als Vermittler tätig geworden waren. Doch am 20. 2. 2002 war das Ende der „Zone“ gekommen. Jene, die, den Beschwörungen Pastranas folgend, durch die Remilitarisierung von Caguán eine magische Lösung des Gewaltkonflikts erwartet hatten, sollten jedoch enttäuscht werden.

Der designierte Präsident Uribe seinerseits macht erwartungsgemäß keinerlei Anstalten, die Wiederherstellung einer solchen Zone ins Auge zu fassen – die FARC wohl: Sie forderten am 15. 5. 2002 ein sogar noch größeres entmilitarisiertes Gebiet als das von Caguán – nunmehr von der Größe zweier Departments (Caquetá und Putumayo). Vorerst betreiben die FARC in diesen beiden Departments und auch in Huila die „Demilitarisierung“ auf eigene Faust – mit militärischer Stärke: Bürgermeister, die nicht freiwillig zurücktreten, werden von den FARC zum militärischen Ziel erklärt und haben dies oft nicht überlebt. Für die FARC sind die Bürgermeister, deren Demission von der Regierung im übrigen abgelehnt wird, Vertreter des zu bekämpfenden Staates, ganz unabhängig davon, daß die FARC selbst es einst gewesen waren, die sich entscheidend dafür eingesetzt hatten, daß in Kolumbien überhaupt Bürgermeisterwahlen stattfinden können.
Die Zeichen für einen Frieden in Kolumbien stehen schlecht. Dieser Satz ist schon Tausende Male geschrieben und gesagt worden. Jetzt stehen sie nicht nur schlechter, sondern …. siehe Überschrift.

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