Zum 80. Geburtstag des salvadorianischen Dichters und Revolutionärs
Ich weiß nicht, warum ich dich immer lachend vor mir sehe, Roque Dalton.
Eduardo Galeano
Heute wäre er 80 Jahre alt geworden. Das „wäre“ sagt alles, es ist in El Salvador nicht eben einfach, ein hohes Lebensalter zu erreichen – und schon gar nicht in seiner Generation.
Roque Antonio Dalton García, geboren am 14. Mai 1935 in San Salvador als unehelicher Sohn von Winnal Dalton jr. und María García. Das war wohl nicht der beste Start in dieser Zeit, und sein Leben mutet mitunter an wie ein Kolportageroman. Was ist Legende, was Realität? Der Vater, der als Kaffeepflanzer in El Salvador reich wurde, war US-Amerikaner und gehörte – so heißt es – zur berühmt-berüchtigten Dalton-Familie. Diese Gang von Bankräubern kennt heute jedes Kind, wenn auch nur als dümmliche Gegenspieler von „Lucky Luke“. Roque war zwar „illegitim“, aber er durfte den Namen des Vaters tragen und erhielt auch eine gute Ausbildung bei den Jesuiten. Die Schule lehrte ihn soziale Unterschiede und prägte seinen Widerspruchsgeist: Er war für seine reichen Mitschüler der Bauer und Bastard, und er wurde diskriminiert. Als er von seinen Klassenkameraden zum Abschlussredner gewählt wurde, nutzte er diese Gelegenheit, um eine glühende Philippika gegen die Heuchelei der jesuitischen Lehrer zu halten, die die Diskriminierung armer und unehelicher Kinder tolerierten, wenn nicht aktiv förderten.
Die weiteren Stationen nach seinem Schulabschluss zeigen ein bewegtes und recht unstetes Leben. Studium in Santiago de Chile und San Salvador, Teilnahme an den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Moskau 1957, danach Eintritt in die Kommunistische Partei El Salvadors. Als politischer Aktivist, der Widerstand unter Studenten, Arbeitern und Bauern organisierte, wurde er 1959 und 1960 festgenommen und nach der zweiten Verhaftung zum Tode durch Erschießen verurteilt. Vier Tage vor seinem Hinrichtungstermin wurde der Diktator José María Lemus gestürzt.
Es folgte ein kurzes Exil in Mexiko und 1961 eine Reise nach Kuba, wo er eine militärische Ausbildung erhielt. Das Beispiel Kubas weckte Hoffnungen für den Erfolg des bewaffneten Kampfes auch in seiner Heimat. Als er dann nach El Salvador zurückkehrte, währte seine Freiheit nicht sehr lange – die Illegalität war wohl nicht sein Ding. Er kam in Einzelhaft, wurde gefoltert, von der CIA verhört und abermals zum Tode verurteilt. Beim Erdbeben von 1965 gelang ihm die Flucht. Er kehrte nach Kuba zurück, von wo ihn die KP noch im gleichen Jahr nach Prag schickte. Bis 1967 war er dort Korrespondent der Zeitschrift „Probleme des Friedens und des Sozialismus“.
Nach Kuba zurückgekehrt arbeitete er für die Casa de las Americas. Doch er wollte nach El Salvador – er wollte kämpfen. Der legendäre Comandante Marcial lehnte jedoch seinen Antrag ab, in den Fuerzas Populares de Liberación „Farabundo Martí“ (FPL) zu kämpfen, er sei als marxistischer Poet und Schriftsteller wichtiger. Der Ejército Revolucionario del Pueblo (ERP) akzeptierte ihn. Da er in seiner Heimat zu bekannt war, unterzog sich Roque Dalton einer kosmetischen Operation und reiste mit neuem Gesicht und falschem Pass 1973 nach El Salvador. Seine Bestrebungen, den bewaffneten Kampf mit den Massenbewegungen zu verzahnen, fanden allerdings in „seiner“ Organisation keine Unterstützung. Im Gegenteil, seine Genossen warfen ihm Spionage sowohl für Kuba als auch für die CIA vor und verurteilten ihn zum Tode. Am 10. Mai 1975 wurde Dalton erschossen, vier Tage vor seinem 40. Geburtstag.
Angesichts dieser Vita könnte man sich fragen, wie er Zeit zum Schreiben fand. Aber diese Frage ist falsch gestellt. Für Roque Dalton bildeten die beiden Leidenschaften seines Lebens – die Poesie und der revolutionäre Kampf – eine untrennbare Einheit. Seine Arbeit an der poetischen Form war nie nur künstlerischer Selbstzweck, bescheinigt er doch der Poesie: Ah, Poesie von heute, mit dir ist es möglich, alles zu sagen. Bereits während seines Studiums in San Salvador gründete Dalton einen literarischen Zirkel. Sein erster Gedichtband „Mía junto a los pájaros“ erschien 1958 in seinem Heimatland, der zweite „La ventana en el rostro“ drei Jahre später in Mexiko. Während seines Aufenthalts in Kuba veröffentlichte er dort „El turno del ofendido“. Fortan sollten seine Bücher, Poesie wie Prosa, bei der Casa de las Americas erscheinen. 1969 hatte er sich seinen Platz unter den jungen Poeten Lateinamerikas endgültig erobert, in diesem Jahr gewann der Band „Taberna y otros lugares“, in dem er seinen Aufenthalt in Prag verarbeitete, den Preis der Casa de las Americas. Während seiner Illegalität im bewaffneten Kampf entstanden die „Poemas clandestinos“, die nach seinem Tod in Mexiko editiert wurden.
Roque Dalton veröffentlichte Gedichtbände, Prosatexte, darunter eine Biografie des salvadorianischen Gewerkschafters Miguel Marmol, und zahlreiche Essays. Er ist bis heute einer der wichtigsten Dichter El Salvadors. Ihm zu Ehren rief die Regierung von Präsident Funes im Jahre 2013 einen Nationalen Tag der Poesie aus: den 14. Mai.
Bildquelle: Albtho_