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Bericht der „Kommission der Wahrheit“ für El Salvador (Auszug)

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Lesedauer: 5 Minuten

12 Jahre Krieg in El Salvador 1980 -1992

Vereinte Nationen San Salvador – New York 1992 -1993

Die Existenz und die Machtbefugnis der Kommission der Wahrheit geht auf die Friedensabkommen in El Salvador zurück. Die Abkommen beinhalten eine Reihe von Vereinbarungen, die in mehr als drei Jahren zwischen der Regierung El Salvadors und der FMLN ausgehandelt worden sind. Die Verhandlungen wurden unter der Schirmherrschaft der UNO durchgeführt, unter der besonderen Mitarbeit von Kolumbien, Mexiko, Spanien und Venezuela, den sogenannten „Freunden des Generalsekretärs“, und hatten ihren Höhepunkt in dem Friedensabkommen, das am 16. 1. 1992 in Chapultepec (Mexiko) unterzeichnet wurde. Die Entscheidung zur Gründung der „Kommission der Wahrheit“ trafen die Teilnehmer, die am 26. 4. 1991 in Mexiko City das Abkommen von Mexiko unterzeichneten. Die Beschlüsse legen die Funktionen und den Einsatzbereich der Kommission fest. Die Machtbefugnis derselben ist im Artikel 5 des Friedensabkommens von Chapultepec unter dem Titel „Überwindung der Straflosigkeit“ ausgeweitet. Diese Beschlüsse stellen in ihrer Gesamtheit den „Auftrag dieser Kommission“ dar, der die Funktionen der Kommission folgendermaßen festlegt:

Die Kommission ist für die Aufdeckung schwerer Verbrechen verantwortlich, die seit 1980 begangen wurden und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zeigen, daß eine schnelle Aufklärung erforderlich ist. Weiterhin wird festgelegt, daß die Kommission folgende Überlegungen zu berücksichtigen hat:

a.) die Transzendenz, die Merkmale, das Echo dieser Gräueltaten sowie die soziale Anteilnahme, die sie verursachten;

b.) die Notwendigkeit, Vertrauen in die positiven Veränderungen zu schaffen, die den Friedensprozeß in Bewegung setzen und die Förderung des Übergangs zu einer nationalen Versöhnung. Die spezifischen Funktionen, die der Kommission in der Frage der Straflosigkeit zugeschrieben werden, sind z.T. im Beschluß von Chapultepec in folgender Weise definiert:

„Man anerkennt die Notwendigkeit der Aufklärung und Überwindung jeglicher Anzeichen von Straflosigkeit von Offizieren der bewaffneten Kräfte, besonders in den Fällen, in denen die Menschenrechte verletzt wurden.“ Deshalb müssen die Unterzeichner des Abkommens vom 27. 1. 1991, die Einschätzung und Lösung dieser Probleme an die „Kommission der Wahrheit“ übertragen. Neben den Aufgaben bei der Erforschung schwerer Gewalttaten und der Straflosigkeit, die der Kommission durch die Friedensverträge übergeben wurden, wird sie darüber hinaus beauftragt, Empfehlungen politischer, administrativer und legislativer Art auszuarbeiten. Diese Empfehlungen können spezifischen oder allgemeinen Charakter haben. Die Letztgenannten können sowohl Maßnahmen beinhalten, die darauf ausgerichtet sind, die Wiederholung solcher Gewalttaten zu vermeiden, als auch Initiativen, die auf die Nationale Versöhnung orientieren. Die Kommission wurde also mit zwei speziellen Aufgaben versehen: mit der Durchführung von Ermittlungen und der Vorlage von Ratschlägen. Die zweite Aufgabe ist von großer Wichtigkeit, da es im „Auftrag“ heißt, daß sich die Unterzeichner zur Erfüllung der Vorschläge der Kommission verpflichten.

Um auf die weitere Verantwortung der Kommission zurückzukommen: Die Kommission muß bei der Entscheidung, welche Gewalttaten einer genauen Analyse unterzogen werden, auf die spezifische Besonderheit jedes Falls, auf deren Rückwirkung auf die Gesellschaft und auf die sozialen Folgen achten. Trotz allem hat das „Mandat“ der Kommission diesen speziellen Fall, der untersucht werden soll, vorgegeben, wobei nicht differenziert wurde zwischen Gewaltverbrechen in großem Umfang und solchen, in welche nur eine kleine Personenzahl verwickelt war. Der Standpunkt des Auftrags betonte eher die Schwere der Gewaltverbrechen und ihre Auswirkungen. Auf der Grundlage dieser Kriterien unterschied die Kommission zwei Arten von Verbrechen:

a) individuelle Gewaltverbrechen, die durch ihre besonderen Umstände im salvadoria-nischen Volk bzw. auf der ganzen Welt Erschütterung hervorriefen;
b) verschiedene Gewalttaten mit ähnlichen Charakteristika, die auf ein systematisches Vorgehen schließen lassen.

Diese Verbrechensarten haben die salvadorianische Bevölkerung gleichermaßen in Schrecken versetzt, weil sie die Einschüchterung bestimmter Bereiche der Gesellschaft zum Ziel hatten. Die Enthüllung der Wahrheit in den beiden aufgeführten Fällen ist für die Kommission von gleichrangiger Wichtigkeit. Außerdem schließen sich diese beiden Kategorien nicht gegenseitig aus. Viele der sogenannten „einfachen“ Verbrechen, die einen großen Widerhall in der öffentlichen Meinung fanden, besaßen zugleich Charakteristika eines systematisch organisierten Gewaltverbrechens.

Bei der Erforschung dieser Tatsachen beachtete die Kommission drei zusätzliche Faktoren, die mit der Erfüllung ihres Auftrags in Zusammenhang stehen. Erstens sind die schwerwiegenden und noch gegenwärtigen Fälle zu untersuchen, die von beiden Seiten des salvadorianischen Konflikts begangen worden sind. Mit Verweis auf das Thema der Straflosigkeit von Offizieren der bewaffneten Kräfte, besonders in den Fällen, wo Menschenrechte verletzt wurden, wurde im Abkommen von Chapultepec der Kommission zweitens aufgetragen, diesem Gebiet besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ebenso sollen jene Verbrechen beachtet werden, die von Offizieren der bewaffneten Kräfte begangen wurden, ohne jemals untersucht bzw. bestraft worden zu sein. Drittens wurde der Kommission ein Zeitraum von sechs Monaten gewährt, um die ihr aufgetragenen Aufgaben zu erfüllen.

Wenn man in Betracht zieht, daß der salvadorianische Konflikt zwölf Jahre gedauert hat und eine große Zahl von Todesopfern und schweren Verbrechen verursachte, wird offensichtlich, daß es der Kommission unmöglich war, sich um alle Fälle zu kümmern, die in ihren Aufgabenbereich gefallen wären. Beim Abwägen der Entscheidung, welcher Fall bevorzugt zu untersuchen sei, berücksichtigte man dessen repräsentativen Charakter, das Vorhandensein ausreichender Beweise sowie die der Kommission zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, die für die Durchführung einer umfangreichen Untersuchung zur Verfügung stehende Zeit und das Thema der Straflosigkeit.

Übers.: Rene Ceballos

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