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Concertación gespalten, chilenisches Mitte-Links-Bündnis zerstört

Humberto Borges Quintanilla | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten
Chile - Concertación gespalten (137 Downloads )

Erstes Treffen von Präsidentin Bachelet mit ihrem Kabinett im März 2006. Foto: Presidencia de Chile.Die Politik der Abkommen ist eine Möglichkeit, um die Stabilität in einem Land oder auf der Welt in kritischen Zeiten wiederherzustellen. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch die Bündnisse und Verträge zwischen den verschiedenen politischen Parteien in Chile bewertet werden, mit deren Hilfe die Diktatur friedlich beendet und die Demokratie wiederhergestellt werden sollte.

Die Concertación de Partidos por la Democracia (Koalition der Parteien für die Demokratie) entstand in Chile aus einer Gruppe von Parteien, aber auch parteilosen Personen, deren Ziele und Visionen allerdings nur selten übereinstimmten. In der Regierung Allende rivalisierten viele der Parteien sogar, doch aus dem gemeinsamen Wunsch nach einem erfolgreichen Volksentscheid zur Beendung der Diktatur 1988 heraus entstand eine gewisse Einigkeit. Nach der Abstimmung traf die Concertación mit dem Militärregime ein Abkommen über die Grundlagen für eine rechtmäßige, institutionalisierte Demokratie in Chile, die bis heute besteht. Die Concertación setzte sich aus folgenden Parteien zusammen: Partido Humanista (PH), Partido Socialista (PS), Partido por la Democracia (PPD), Partido Demócrata Cristiano (DC) und Partido Radical Social Demócrata (PRSD).

Nachdem sie diese Siege errungen hatte, wurde die Concertación zu einem Wahlverband mit dem Ziel, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu gewinnen und damit in der Übergangszeit von der Diktatur zur Demokratie zu regieren. Diese Strategie war so erfolgreich, dass die Concertación in den neunziger Jahren die meist gewählte Gruppierung Chiles war, die bisher vier Präsidenten stellte und damit das Land fast 20 Jahre lang regierte.

Doch der moralische Verfall blieb trotz der außergewöhnlichen Erfolge nicht aus. Fälle von Korruption in der Verwaltung staatlicher Mittel und mangelnde Initiativen für die Zukunft des Landes, besonders in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Umwelt, führten zur Spaltung der Concertación und zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihren Parteien. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die neoliberale Ausrichtung der Concertación in den letzten Jahren besonders für die Ärmsten negative Konsequenzen hatte und keineswegs zur regionalen Integration beigetragen hat. Die Partido Humanista war die erste Partei, die nach den ersten Jahren der Regierung Patricio Aylwin aus dem Bündnis ausstieg und damit die Allianz ins Wanken brachte.

Der Anfang vom Ende wurde in den Jahren 1997 bis 2000 während der Regierung von Eduardo Frei eingeleitet. Die Weltwirtschaft litt unter der Asienkrise und die chilenischen Unternehmen begannen, ihre Arbeitsabläufe zunehmend zu technisieren, was zu einer Entlassungswelle führte. Hinzu kam, dass die Concertación im Jahr 1999 mit Ricardo Lagos einen Präsidentschaftskandidaten aufstellte, der zu den umstrittensten Vertretern der PPD gehörte, da er schon zu Zeiten der Diktatur öffentlich und vor laufenden Kameras gegen Augusto Pinochet aufgetreten war. Für den sozialistischen Flügel bedeutete Lagos die erste Präsidentschaft nach dem Staatsstreich gegen Allende 1973, was wiederum einen Bruch innerhalb der DC zur Folge hatte. Der Kandidat der Zentrumsparteien war jedoch unterlegen und Lagos gewann die Wahl zum Präsidenten.

In den nächsten Jahren ihrer Regierungszeit wurde die Concertación von innen und außen stark kritisiert, weil klar wurde, dass öffentliche Mittel für politische Kampagnen verwendet wurden (der Fall Cartas, Chiledeportes und andere). (1) Diese Vorkommnisse beendeten die Spaltung der PPD mit dem Rücktritt der Abgeordneten Jorge Schaulsohn, Fernando Flores (2) und Ávila (3). Die Politik des Regionalismo Abierto (offener Regionalismus) der Regierung Lagos führte zu Unstimmigkeiten mit den Nachbarländern (Argentinien, Bolivien und Peru) (4).

Die momentane Regierung unter Michelle Bachelet (PS) begann ihre Amtszeit mit kontroversen Problemen bei der Umsetzung des Planes zur Modernisierung des Verkehrs in der Hauptstadt Santiago de Chile (Transantiago). Die Korruptionsfälle bei der staatlichen Eisenbahn (EFE) und MOP-GATE riefen scharfe Kritik gegen die Undurchsichtigkeit der Concertación-Regierungen hervor. Die konstante Kritik des ehemaligen Vorsitzenden der DC Adolfo Zaldívar schürte den andauernden Streit und verstärkte die internen Differenzen umso mehr, da Zaldívar von der Partei ausgeschlossen wurde, weil er mit der Rechten sympathisiert hatte. Sein Ausschluss führte zum Rücktritt vieler DC-Abgeordneter, die zur Partido Regional Independiente (PRI) wechselten.

In diesem Jahr kam es wegen der sogenannten „Abtrünnigen” auch bei der Partido Socialista zu einer Spaltung: Senator Navarro vertritt die Ansprüche der Mapuche, der ehemalige Regierungsminister unter Frei, Jorge Arrate, trat aus der Partei aus und wurde Kandidat der kommunistischen Partei (Partido Comunista) und außerparlamentarischer linker Gruppen und Marco Enríquez-Ominami verließ die Partei, um eigene Wege zu gehen.

Vor diesem Hintergrund geht die Concertación nun im Dezember 2009 in die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die Umfragen zeichnen für die erste Runde bisher folgendes Bild (5):

38,4 % Sebastian Piñera, Alianza de Derecha
25,7 % Eduardo Frei, Concertación.
20,4 % Marco Enríquez-Ominami, unabhängiger Kandidat, vormals Concertación
4,5 % Jorge Arrate, Partido Comunista und außerparlamentarische Linke, vormals Concertación.

Die Ergebnisse der zweiten Runde sind schwer vorauszusehen. Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob der Kandidat der Concertación die Stimmen für die ehemaligen Parteigenossen für sich beanspruchen kann oder nicht.

Übersetzung aus dem Spanischen: Ariane Stark

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(1) Analyse der Korruption und der Umsetzung der „Agenda der Redlichkeit” in Chile, einem der lateinamerikanischen Länder, das am besten bewertet wird. „Ich wünschte, wir wären weitaus weniger korrupt, als wir es sind” El Mercurio, Sonntag, 16. März 2008.

(2) Jorge Shaulsohn und Fernando Flores gehörten der Concertación an und unterstützen gegenwärtig die Kandidatur von Sebastián Piñera, Alianza de Derecha. La Nación und El Mercurio vom Samstag, 15. August 2009.

(3) Senator Ávila ist im Moment Mitglied der PRSD, er gab nur seine Mitgliedschaft in der PPD auf.

(4) José Rodríguez Elizondo, Buchautor von „Die Krisen mit den Nachbarn in der Regierung Lagos“, in einem Interview mit CNN CHILE, September 2009.

(5) Wahlumfrage bei El Mercurio de Valparaíso vom 15. Oktober 2009.

Bildquelle: Presidencia de la República de Chile.

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Exkurs:

Minister der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet arbeiten für Wahlkampagne von Eduardo Frei

Die Kandidatur der Concertación de Partidos por la Democracia von Eduardo Frei erarbeitet im Moment ihre neue Strategie, die darin besteht, sich den starken Rückhalt der gegenwärtigen chilenische Präsidentin Michelle Bachelet bei der Bevölkerung zu Nutze zu machen. Die aktuellen Meinungsumfragen ergeben, dass 70 % der Chilenen hinter ihrer Präsidentin stehen. Diese Zahl wird von Experten bestätigt, die betonen, dass die Beliebtheit des ersten weiblichen Staatsoberhauptes in Chile ein Trumpf ist und dass sich Bachelet einer Sympathie erfreut, mit der sie die Menschen in ihrem Land erobert hat.

Diese Bürgernähe wird nun im Wahlkampf von Eduardo Frei ausgenutzt, an dem in letzter Zeit auch immer mehr Regierungsvertreter beteiligt sind, was wiederum zu Kritik von Seiten der Opposition geführt hat. Diese befürchtet eine unrechtmäßige Beeinflussung der Wahlen. Aufgrund dieser Anschuldigung traten bereits einige Regierungsvertreter (Bürgermeister) von ihren Posten zurück oder entschuldigten sich, wie im Fall des Ministers Bernardino Fernández de Velasco, der während der Dienstzeit im Parlament das Wahlprogramm Eduardo Freis überarbeitet hatte. Unmut kam vor allem auf, weil die Minister und andere Angehörige der Regierung während ihrer Arbeitszeit im Staatsdienst ihre eigenen politischen Optionen ausloten. (1)

Im Moment ist es wichtig, die Balance zwischen der Arbeit im Staatsapparat und den eigenen politischen Interessen wieder herzustellen. Natürlich hat eine Privatperson dieselben Rechte wie eine Person des öffentlichen Lebens, nämlich in ihrer Freizeit politisch aktiv zu werden. Wenn dafür jedoch die Arbeitszeit verwendet wird, muss dies sowohl im Falle der Privatperson als auch bei einer Person des öffentlichen Lebens sanktioniert werden. Darüber hinaus wird die Arbeitszeit von Beamten mit den Steuergeldern aller Chilenen finanziert.

Übersetzung aus dem Spanischen: Ariane Stark

(1) La Nación und El Mercurio vom Donnerstag, 5. November 2009.

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