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Chilenische Indigene installieren Solarenergie in der Atacamawüste

Marianela Jarroud | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Chile: Solarmodul - Foto: Themis Solaire InnovationDrei indigene Dörfer der Hochebene Chiles haben weitere Solarenergieanlagen erhalten. Die Empfängerinnen sind fünf Dorfbewohnerinnen, die einmal den Planeten durchquert und Sprachbarrieren überwunden haben, um in Indien photovoltaische Techniken zu erlernen, die jetzt in ihren Dörfern in Chile Anwendung finden.

Die aus der Atacamawüste stammenden Frauen Luisa und Liliana Terán, Cousinen aus der Gemeinde Caspana, die Quechua sprechenden Frauen Elena Achú und Elvira Urrelo aus Ollague und die Aymara Nicolasa Yufla aus Toconce haben die Herausforderung angenommen, diese Solarenergieanlagen zu installieren und die damit einhergehenden Mysterien den restlichen Einwohnern der drei Dörfer, etwa tausend Personen, zu enthüllen. In diesen Ortschaften, mehr als 3.000 Meter über dem Meeresspiegel und fast an der Grenze zu Bolivien, gibt es keine Elektrizität, und Wasser ist Mangelware. „Wir haben am Abend zweieinhalb Stunden Licht per Generator“, berichtet Luisa Terán, Höhlenmalerei-Künstlerin, gegenüber IPS per Telefon.

Im letzten Jahr reisten die fünf Frauen in das indische Dorf Tilonia im nordwestlichen Staat Rajasthan, wo sich der Sitz des Barefoot College befindet. Dort lernten sie innerhalb von sechs Monaten, wie man Sonnenkollektoren installiert, Leuchten anfertigt und sie instand hält. „Uns erreichte die Nachricht, dass Frauen zwischen 35 und 40 Jahren gesucht werden, die sich in Indien schulen lassen würden. Am Anfang hat es mich interessiert, aber als mir gesagt wurde, dass der Zeitraum sich über sechs Monate erstrecken würde, zweifelte ich. Das war eine lange Zeit weit weg von der Familie!“, erzählte Terán. Angetrieben von ihrer Schwester, die sich um ihre beiden Töchter und ihre Mutter kümmerte, entschied sie, sich auf die Reise zu machen. Aber sie verließ ihr Dorf in Chile, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Jetzt befürchtet sie, vergessen zu haben, was sie gelernt hat, nachdem sie ihre Kenntnisse sechs Monate nicht angewendet hat. „Ich wusste, was auf mich zukommen würde, aber trotzdem brauchte ich drei Monate, um mich anzupassen, vor allem an das Essen und die unendliche Hitze“, berichtete Terán.

Die fünf Frauen brachen am 15. März 2012 im Rahmen einer Initiative auf, die vom Barefoot College, dem chilenischen Nationalen Frauendienst (Servicio Nacional de la Mujer, Sernam), dem regionalen Energieministerium und dem italienischen Unternehmen Enel Green Power, das die Ausrüstung spendete, organisiert wurde.

Jeder „Solarbaukasten“, der die Gemeinden diesen Monat erreichte, besteht aus einem Panel und einer Batterie von jeweils 12 Volt, einer LED-Leuchte von vier Ampere und einem Kontrollkasten mit acht Ampere.

Das Barefoot College, das 1972 gegründet wurde, arbeitet mit gefährdeten und unzugänglichen ländlichen Gemeinschaften und insbesondere mit Frauen zusammen. Bislang haben 700 Frauen aus 49 Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas den Lehrgang absolviert, um „barfüßige Solar-Ingenieurinnen“ zu werden. Dies macht sie verantwortlich für die Installation, Reparatur und Instandhaltung der Photovoltaikanlagen in ihren Dörfern für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren und für die Einrichtung eines ländlichen Elektro-Arbeitsraums, wo sie die notwendigen Bestandteile aufbewahren, und der mit einer Leistungsfähigkeit von 320 Watt pro Stunde wie ein Minikraftwerk funktioniert.

Chile: Haus in der Atacamawüste - Foto: Quetzal-Redaktion, mgDank dieser und anderer Solarinitiativen von Barefoot erhielten 450.000 Personen in verschiedenen Regionen Zugang zu Elektrizität, was eine Abnahme von CO2-Emissionen mit sich bringt, die aus der täglichen Verbrennung von 13 Tonnen Treibstoff und Brennholz entstehen. Das Ziel des Projektes in Lateinamerika ist es, Energie in 1.000 Haushalte zu bringen.

In Chile „ist es sehr wichtig, dass die Gemeinden das Potenzial, das wir in der Entwicklung erneuerbarer Energien haben, erkennen, insbesondere bei Solarenergieprojekten“, erklärte der Regionalminister für Energie für die Macro Zona Norte, Carlos Arenas, gegenüber IPS.

Diese Region, vor allem die Atacamawüste, die, laut Studien der Universidad de Chile, mit 7- 7,5 Kilowattstunden pro Quadratmeter die höchste Strahlung des Planeten aufweist, besitzt ein großes Potenzial. Wenn man dort Photovoltaikanlagen installieren würde, die eine Fläche von 400 Quadratkilometern umfassen, könnte man den nationalen Stromverbrauch abdecken. Aber die große Nachfrage im Norden geht auf die Bergbauindustrie zurück, die 90 Prozent der erzeugten Energie aufzehrt, während der restliche Anteil für private, gewerbliche und öffentliche Zwecke verwendet wird.

„Unser System entwickelt sich und in vielen Ortschaften erhält man Elektrizität über Generatoren, basierend auf fossilen Brennstoffen wie zum Beispiel Diesel. In einigen Fällen ergänzen wir dies mit regenerativen Energiequellen, wie Wind oder Sonne“, bestätigte Arenas. Deswegen „unterstützten wir die Initiative…, eine sehr bereichernde Erfahrung auch für die Personen, die in solch abgelegenen Ortschaften leben und eine diskontinuierliche Versorgung haben, was in manchen Fällen mit hohen Kosten verbunden ist“, fügte er hinzu.

Als die chilenischen Frauen in Indien ankamen, sahen sie, dass die Bedienungsanleitung auf Englisch war. Es war schwierig für sie zu verstehen, erzählte Terán, aber schlussendlich schafften sie es, sich mit Gesten und Zeichnungen zu verständigen. Außerdem entdeckten sie eine Umgebung, die völlig anders war als ihre Dörfer zu Hause in Chile. „Es gab viele Insekten, Echsen und andere Tiere. Wir schliefen auf Luftmatratzen in ziemlich harten Betten aus Holz. Außerdem war die Armut fürchterlich“, fügte Terán hinzu. In der Gruppe waren fünf Indigene aus Peru, „ die sehr traurig waren und weinten“, erzählte sie. Jetzt sorgen diese peruanischen Mütter und Großmütter dafür, dass die Solarenergie in dem Dorf Japopunco, 4.800 Meter über dem Meeresspiegel, funktioniert. Auch in Japopunco erhielt mittlerweile jeder Haushalt eine eigenen Anlage, schilderte Terán.

„Es geht um Frauen, die Geschick haben, aber in sehr abgelegenen Orten leben, darum war die persönliche Erfahrung unglaublich“, sagte die Leiterin der Abteilung für Frauen und Arbeit des Sernam, Paola Diez, gegenüber IPS. Ihre Institution und die Nationale Gesellschaft für indigene Entwicklung (Corporación Nacional de Desarollo Indígena, CONADI) implementieren einen Plan, um indigene Frauen im ganzen Land auf dem Gebiet der nachhaltigen Unternehmen zu schulen und damit die Subsistenzwirtschaft zu überwinden. Die Initiative weist auf die Eingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt hin, die in Chile 47,7 Prozent beträgt und die die Regierung auf 50 Prozent anheben will.

Terán kann schon jetzt ihre Kenntnisse in Caspana anwenden. „Die Idee ist es, aufzubrechen und Licht in unsere Häuser zu bringen, und später können wir vielleicht sogar einen Kühlschrank installieren, was jeder von uns gerne möchte.“ „Wir würden auch gerne unsere Erfahrungen anbieten, aber dazu brauchen wir Hilfe, um anzufangen, Solarleuchten herzustellen und sie zu verkaufen. Außerdem würden die Leute sich darüber freuen, wenn wir sie unterrichten würden, damit alle Frauen selbst in der Lage wären, Solarenergie in ihrem Haus zu installieren“, schließt Terán.

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Original-Beitrag aus IPS Noticias vom März 2013. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Nachrichtenagentur.

Übersetzung aus dem Spanischen: Chiara Schmidt, Monika Grabow

Bildquelle: [1] Themis Solaire Innovation , [2] Quetzal-Redaktion, mg.

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