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Gil, Gilberto: Ok ok ok

Gonzalo Compañy | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Rezension_Gil_Ok_ok_ok_Bild_CoverScanGilberto Passos Gil Moreira (Salvador de Bahia, 1942), besser bekannt als Gilberto Gil, legte vor kurzem ein neues Album auf, das nicht nur durch einen über 50-jährige Laufbahn der brasilianischen Legende, sondern auch durch die Hochwertigkeit seiner einzelnen Songs geprägt ist. Dem Liedermacher, der außerdem mehrmals politische Ämter übernahm – er war in der Regierung von Lula da Silva sogar Kulturminister –, gelingt es erneut, seine musikalischen Wurzeln und Einflüsse zum Ausdruck zu bringen und zugleich etwas Neues zu erschaffen. So werden in diesem Album, in dem der Klang sowohl von akustischen als auch elektrischen Instrumenten kombiniert wird, eigentlich Bossa und Samba präsentiert, aber es fehlen keinesfalls auch Blues, Funk und Reggae – ohne dass es ein Durcheinander gibt. 

Bekanntlich ist Gil zusammen mit Caetano Veloso Mitbegründer der tropicália, der kulturell-politischen Bewegung, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre KünstlerInnen aus der Musik, Film und Kunst verknüpfte, um Widerstand gegen die 1964 aufgezwungene Diktatur Humberto de Alencar Castelo Brancos zu leisten. Betrachten rechtskonservative Diktaturen üblicherweise den interkulturellen Austausch als unerwünscht, gründete sich die tropicália auf der Kombination unterschiedlicher zeitgenössischer Musikstile wie u.a. BossaNova und Rhytm ’n‘ Blues, um Brücken zu bauen. Die große Resonanz dieser Unternehmung brachte beide Musiker zunächst ins Gefängnis und zwang sie anschließend in das Exil in London. Der Schriftsteller Julio Cortázar proklamierte während seines eigenen Exils die Notwendigkeit dazu, die negative Polarität des gezwungenen Exils umzuschalten. In diesem Sinne sah Gil in den Londoner Exiljahren die Möglichkeit, durch Übernahme von damals florierenden unterschiedlichen Musikstilen in England seinen musikalischen Hintergrund zu erweitern und die eigene Musik auch im Ausland zu verbreiten. 1972 kehrte er gestärkt nach Brasilien zurück.      

Seit der Veröffentlichung seiner ersten LP Louvação (1967) legte Gilberto Gil über 70 Alben auf – davon 13 Live-Aufnahmen, 14 in Zusammenarbeit mit Kollegen und 3 Soundtracks (Copacabana Mon Amour 1970, Quilombo 1984, Um tren para as estrelas 1987) sowie Ballettmusik (Z: 300 anos de Zumbi 1995) – was sowohl die unerschöpfliche musikalische Schaffenskraft Gils als auch seine Vielseitigkeit deutlich macht.

Bei Ok ok ok handelt es sich um ein Album, das aus der Entstehung einer Handvoll von Liedern besteht, die binnen weniger Tagen konzipiert und im Studio durch die Ergänzung von neuem Material vervollständigt wurden. Was im Fall von nicht wenigen anderen KollegInnen zu schläfrigen, wenig sagenden Wiederholungen gefahren hat, belegt hier, dass sich Gilberto Gil dagegen hervorragend darauf versteht, Leidenschaft und Aufrichtigkeit in Musik und Lyrik zu verwandeln. Das Album wurde von Bem Gil produziert, einem der acht Kinder Gilberto Gils. Außerdem spielt der Produzent Gitarre, E-Piano, Flöte, Tres und Percussion bei der Aufnahme mehrerer Songs und ist Koautor von Sereno, ein wunderschöner Samba, bei der auch ein „Enkelkinderchor“ mitwirkt.

Ok ok ok beginnt mit dem gleichnamigen Song, der nahezu eine Grundsatzerklärung darstellt und sich in der ebenso intimen, kurzen Ballade Prece (dt.: Gebet) widerspiegelt. In Letzterem begleitet sich Gil selber auf seiner E-Gitarre – als ob es ein Abschied wäre. Zwischen beiden Songs entfaltet der Brasilianer zehn Lieder, in denen vorwiegend Sambas und Bossas zu hören sind, aber auch Funk (Na Real) und Blues (Tartaruguê, Sol de Maria) kommen zum Ausdruck.

Diesen ersten zwölf organisch ausgerollten Stücken folgen drei weitere Tracks, die als Bonus präsentiert werden. Mit der zärtlichen Ballade Afogamento scheint es, als ob das Album erneut beginnt. Dieses Lied und der darauffolgende eklektische Song Kalil werden von Gilberto Gil im Duett jeweils mit Roberta Sá (welche kürzlich ein ganzes Album mit unveröffentlichten Songs Gilberto Gils aufnahm) und dem ältesten Kind des Altmeisters, der Schauspielerin Nara Gil, gesungen. Der Reggae Pela Internet 2 setzt dem Album wiederum ein Ende. Der Erzähler Eduardo Galeano pflegte zu sagen, dass der Mittagsschlaf die Gelegenheit biete, das Wunder des Tagesanbruchs zweimal am Tag erleben zu dürfen. Das mag der Grund dafür sein, diese drei tief berührenden Songs hinter den eigentlich Ausklang zu stellen – somit dürfen die HörerInnen bei diesem Album nun zweifach einen Auftakt genießen. 

 

Gilberto Gil

Ok ok ok

GEGE, 2018

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