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Brasiliens Position zur Andenkrise

Michelle Caldas Meyer | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Es ist ein Problem zwischen zwei befreundeten Ländern“*

Am Samstag, den 1. März 2008, waren alle Augen in Lateinamerika auf eine Grenze konzentriert, und zwar auf diejenige zwischen Kolumbien und Ecuador. Eine neue Krise ist ausgebrochen und sie scheint diesmal ganz und gar anders zu sein. Ein militärischer Konflikt? Grenzverletzung? Das letzte Mal, als wir Derartiges in Südamerika hörten, war das zu Anfang des XX. Jahrhunderts. Leider war es Wochenende, und Brasilien hatte noch etwas „Besseres“ zu tun, als sich um einen Grenzkonflikt zu kümmern. Erst am Montag, den 3. März, tagte die Regierung in einer Sondersitzung über die Krise in der Andenregion. Die erste Entscheidung war typisch für die brasilianische Außenpolitik: das Thema wurde von Präsident Luis Lula da Silva an jemand anderen delegiert. In diesem Fall an seinen Außenminister, Celso Amorim, der die Verantwortlichkeit für die gesamte Dauer des Konfliktes übernahm.

Die offizielle Position Brasiliens ist, dass die Krise zwischen Kolumbien und Ecuador eine starke regionale „Unsicherheit“, besonders in den kleineren Staaten, provozieren würde. Um eine stärkere Ausweitung des Zwischenfalls zu vermeiden, sollte man den Dialog zwischen diesen zwei Ländern beziehungsweise den beiden Präsidenten Rafael Correa (Ecuador) und Álvaro Uribe (Kolumbien) fördern. Der Konflikt sei aber bilateral, betonte die brasilianische Regierung mehrmals. Deswegen wurde die Bildung einer Moderationsgruppe (wie bei der innervenezolanischen Krise von 2003) von Brasilien abgelehnt. Brasilien vertrat die Meinung, dass eine ehrliche Entschuldigung seitens Kolumbiens die Krise lösen würde. Lula traf sich deshalb bereits mit Rafael Correa, um ihn davon zu überzeugen, die Entschuldigungen anzunehmen.

Amorim vermied es, die Reaktion des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez (dieser entsandte zehn Panzer-Bataillone an die kolumbianische Grenze), sowie die bedingungslose Unterstützung der USA zu Kolumbien, zu kommentieren. Die beste Lösung für die Krise wäre es nach brasilianischer Meinung, eine Sonderkommission bei der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) einzuberufen, mit dem Ziel, die süd- beziehungsweise lateinamerikanische Harmonie wiederherzustellen. Trotz Mitgliedschaft in der OAS sollten sich die USA, aber auch europäische Länder – wie z.B. Frankreich – nicht in die Angelegenheit einmischen, da deren Meinungen die interne Krise nur verstärken würden. „Es wäre klug von den USA, die Lateinamerikaner selbst dieses Thema versuchen zu lösen lassen“, so der brasilianische Außenminister.

Schon am 5. März entschied die OAS, dass Kolumbien gegen die Souveränität Ecuadors verstoßen hatte und bildete eine Kontrollkommission, wie es sich Brasilien gewünscht hatte. Zusammen mit Argentinien, Peru und Panama sollte Brasilien noch weitere Lösungsvorschläge für die Krise erarbeiten. Beim Treffen der Rio-Gruppe am 7. März sprach Celso Amorim noch von einem „komplexen Problem, das man heute kaum lösen kann“. Was für eine Überraschung, als sich die Präsidenten von Kolumbien, Ecuador und Venezuela noch in der gleichen Versammlung die Hände gaben und das Problem offenbar als beigelegt betrachteten.

Die offizielle brasilianische Meinung enttäuschte viele Länder Lateinamerikas, die sich eine stärkere Führungsrolle Brasiliens in dieser Situation gewünscht hatten. Da Brasilien keine direkten Interessen an beiden Ländern hat, wurde die Ablehnung der Moderation des Konfliktes teilweise als arrogant empfunden. Aber nicht nur das Ausland kritisierte das brasilianische Verhalten, sondern auch das eigene Parlament und der Fraktionsvorsitzende der Regierung im Kongress, Henrique Fontana. Alle glaubten, dass Brasilien die Unruhen der Region lösen oder wenigstens moderieren hätte sollen.

Es ist schon merkwürdig, dass Brasilien lediglich die Grenzüberschreitung Kolumbiens als Problem sah, und gleichzeitig die ganze Problematik der FARC zur Seite geschoben hat. Die offizielle Position Brasiliens bezüglich der FARC ist, dass sie eine Guerilla-Gruppe ist, ohne jedoch anzuerkennen, dass sie Terroristen sind. Komischerweise hat Brasilien 1991 ganz anders reagiert, als eine FARC Gruppe das brasilianischen Territorium betreten hatte. Ein paar Tage später verletze das brasilianische Militär die kolumbianische Souveränität und drang in dessen Gebiet ein, um die Rebellen zu töten. Im Zuge der Andenkrise scheint es so zu sein, dass Brasilien kein Interesse mehr hat, die FARC einzugrenzen, da man das Verhalten Ecuadors, die FARC indirekt auf eigenem Gebiet zu dulden, überhaupt nicht kritisiert hat. Ist dies ein Fall von typischem brasilianischen Kurzzeitgedächtnis oder gibt es noch andere Interessen dahinter?

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* „…trata-se de um problema entre dois países amigos“. Zitat des brasilianischen Außenministers Celso Amorim, am 03. März 2008.

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