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Kolumbiens Argumente für den Militärschlag gegen die FARC in Ecuador

Lesedauer: 5 Minuten
Kolumbiens Argumente für den Militärschlag gegen die FARC in Ecuador (252 Downloads )

Keine Souveränität verletzt, sondern den Terrorismus bekämpft

Die kolumbianische Regierung gab nach dem Angriff auf ecuadorianischem Gebiet am 1. März als erste Reaktion bekannt, dass sie diese Aktion als Teil der Operation gegen die FARC durchführen musste. Sie rechtfertigte ihr Vorgehen vor der Internationalen Gemeinschaft mit dem Selbstverteidigungsrecht und der Auffassung, dass die ecuadorianische Hoheitsgewalt nicht verletzt wurde:

„Das Außenministerium und das Verteidigungsministerium werden heute die Protestnote der uns brüderlich gesonnenen Ecuadorianischen Republik beantworten. In diesem Moment schicken wir dem voraus, dass Kolumbien nicht die (ecuadorianische) Hoheitsgewalt verletzt hat, sondern dass gemäß dem Prinzip des Selbstverteidigungsrechts gehandelt wurde.“ (Kommuniqué des kolumbianischen Außenministeriums von 02. März 2008)

Kolumbiens Argumente für den Militärschlag gegen die FARC in Ecuador (Flagge: Public Domain)Das Verteidigungsministerium erklärte in einem Kommuniqué am 2. März, dass die kolumbianische Regierung aufgrund von Informantenangaben davon Kenntnis erlangt hatte, dass sich am 29. Februar „guerrilleros“ (Guerillakämpfer) in der Nähe der ecuadorianischen Grenze befinden würden – aber auf kolumbianischem Gebiet, im Lager Granada . Darunter sollte sich auch das FARC-Sekretariatsmitglied Luis Edgar Devia Silva, alias Raúl Reyes, befinden. Deswegen war anfänglich eine Operation dort geplant gewesen. Gegen 22:30 Uhr des selben Tages erhielt die Regierung dann jedoch Informationen, dass sich Raúl Reyes in einem anderen Feldlager auf ecuadorianischem Gebiet aufhalte. Aus diesem Grund entschied sie sich für eine doppelte Operation gegen die beiden (bekannten) Feldlager. Bei den Angriffen wurden vom kolumbianischen Luftraum aus konventionelle Bomben abgeworfen. Die Streit- und Polizeikräfte drangen nach dem Luftangriff in das (ecuadorianische) Lager ein, um den Leichnam von Raúl Reyes (das eigentliche Ziel der Operation „Fenix“) abzuholen .

Warum hat Kolumbien das FARC-Lager attackiert, ohne Ecuador zu benachrichtigen? Das ist eine Frage, die bisher niemand klar beantwortet hat. Im Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist zu lesen, dass die ecuadorianischen Militärbehörden erst am 1. März um 06:15 Uhr von den Militärbehörden Kolumbiens über einen Kampf um 00:30 Uhr zwischen kolumbianischen Streitkräften und einer irregulären (so der offizielle Sprachgebrauch Ecuadors zur Beschreibung der FARC) bewaffneten kolumbianischen Gruppe auf ihrem Gebiet (Ecuador) informiert wurden.

Das Außenministerium von Kolumbien erklärte in einem anderen Kommuniqué des gleichen Tages, dass sich die kolumbianische Regierung wegen dieser Aktion entschuldigt, bei der sie sich gezwungen sah, mit Helikoptern und Streitkräften in das ecuadorianische Grenzgebiet einzudringen:

„Die Regierung der Kolumbianischen Republik entschuldigt sich bei der Erlauchten Regierung der Ecuadorianischen Republik wegen dieser Aktion [dem Angriff], bei der sie sich gezwungen sah, in die Grenzzone mit kolumbianischen Helikoptern und Streitkräften auf ekuadorianisches Gebiet vorzudringen. […]

Die kolumbianische Regierung hatte nie die Absicht oder die Bereitschaft gehabt, es gegenüber der brüderlichen Ecuadorianischen Republik an Respekt fehlen zu lassen oder die Hoheitsgewalt oder die Integrität seines Volkes oder seiner Behörden, mit denen es in historischer Perspektive bisher Wohlwollen und Bewunderung bekundete, zu verletzen“, (Kommuniqué des kolumbianischen Außenministeriums: vom 02.03.2008).

Sowohl die kolumbianische Regierung als auch die Opposition sind in dieser Angelegenheit einer Meinung. Zumindest sieht es so aus, da die Partei des Ex-Präsidenten César Gaviria Trujillo, „El Liberal“, – gleichzeitig stärkste Kraft der Opposition – in der Krise mit Ecuador und Venezuela ihre Unterstützung für den Kolumbianischen Präsident Álvaro Uribe zugesagt hat. Die Opposition bat darüberhinaus die Regierung von Ecuador um Verständnis für den Kampf gegen die FARC-Guerilla, weil sie um die Durchsetzung demokratischer Institutionen bemüht sind.

In der Akte der Außenordentlichen Sitzung der Ständigen Rates der OAS, abgehalten am 4. und 5. März 2008, erklärte Kolumbien, dass es ein Opfer von Terrorismus sei und dass es den Schutz seiner Einwohner gegen diese Terroristen, die die Sicherheit bedrohen, gewährleisten müsse . Erstaunlicherweise argumentiert die kolumbianische Regierung in dieser Akte nicht mehr mit dem Selbstverteidigungsrecht als Grund für die Aktion, sondern sie bittet und erinnert die Mitgliedsstaaten, dass sie die Vorschriften der Resolution Nummer 1373 (von 2001) des Sicherheitsrates der UN achten sollen. Darin wurde beschlossen, dass alle Staaten „c) denjenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, einen sicheren Zufluchtsort verweigern werden“, denjenigen zudem

„d) […] daran hindern werden, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke gegen andere Staaten oder deren Angehörige zu nutzen“ und dass die Staaten

„g) die Bewegung von Terroristen oder terroristischen Gruppen verhindern werden, indem sie wirksame Grenzkontrollen durchführen, die Ausgabe von Identitätsdokumenten und Reiseausweisen kontrollieren und Maßnahmen zur Verhütung der Nachahmung, Fälschung oder des betrügerischen Gebrauchs von Identitätsdokumenten und Reiseausweisen ergreifen.“

Kolumbien verlangte zudem eine Erklärung der ecuadorianischen Regierung über ihre mutmaßlichen Verbindungen mit der FARC. Die kolumbianische Regierung behauptet (und glaubt dies mit den der OAS übergebenen Dokumenten beweisen zu können), dass sie bei der Beschlagnahme von Computern der FARC auf ecuadorianischem Gebiet schwerwiegende Tatbestände festgestellt hat, z. B. die Existenz von dauerhaften Feldlagern der terroristischen Gruppe (FARC) auf ecuadorianischem Gebiet, die ideologische Beeinflussung der Bevölkerung an der Grenze, den unerlaubten Drogen- und Waffenhandel dieser Gruppe mit Unterstützung der venezolanischen und ecuadorianischen Regierungen. Es gibt zum Beispiel ein Dokument vom 18. Januar 2008, unterschrieben von Raúl Reyes, mit dem angeblich bewiesen werden kann, dass er direkten Kontakt mit Gustavo Larrea, dem Verteidigungsminister von Ecuador, hatte.

Ob es bei der Operation „Fenix“ vom 01. März eine Unterstützung durch die USA gab (Ortung des Handys, Informationen durch die CIA), weiß niemand. Aber seit 1999 existiert der Plan Colombia, ein Programm der kolumbianischen Regierung, das die Armee legitimiert, für polizeiliche Zwecke aktiv zu werden. Offiziell ausgerichtet ist der Plan auf den so genannten „Krieg gegen Drogen“. Er gilt als Teil eines in den USA entwickelten, strategischen Sicherheitskonzepts für den amerikanischen Kontinent.

Trotz der offiziellen Argumentation Kolumbiens (hauptsächlich gegen Ecuador gerichtet) darf man nicht vergessen, dass der Angriff vom 01. März gegen den Artikel 21 der OAS-Charta und den Artikel 2, Satz 4 der UNO-Charta verstieß, in denen die Unverletzbarkeit der Hoheitsgewalt und das Gewaltverbot verankert sind.

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Bildquelle: Public Domain

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