Der Bergbausektor gilt in Brasilien und in anderen Ländern Lateinamerikas für viele Arme als ein Traumjob. Die Löhne sind in der Regel höher als der Durchschnitt, die Arbeitsbedingungen gut. Das war aber nicht immer so. Erst durch die starke Gewerkschaftsbewegung erkämpften sich die Bergleute diese Privilegien. Über die Stärke der Gewerkschaft gibt auch der folgende Artikel Aufschluß, in dem über den Arbeitsplatz eines Baggerfahrers in einer der größten Bauxitminen der Welt berichtet wird.
(Einleitung der Redaktion)
Ein Beispiel aus der drittgrößten Bauxitmine der Welt
Antonio Carvalho, 53, fährt den größten Muldenlaster der Welt in der drittgrößten Bauxitmine der Welt, Porto Trompetas / Brasilien. Die Mine liegt im Amazonasgebiet, 15 Bootsstunden entfernt von der nächsten Stadt Santarem. Antonio Carvalhos Arbeitgeber ist das brasilianische Bergbauunternehmen Mineracao Rio do Norte (MRN). Carvalho arbeitet seit fast 30 Jahren im Bergbau und lebt mit seiner Familie in einer Werkssiedlung.
„Ich bin Arbeiter im Fuhrpark und arbeite im Schichtbetrieb. Ich stehe um fünf Uhr auf, um 6.10 Uhr holt der Werksbus mich und meine Kollegen aus der Siedlung ab. Dann fahren wir 38 Kilometer durch den Regenwald immer am Förderband und den Einsenbahnschienen entlang zur Mine.
Das Bauxit wird rund um die Uhr, an 360 Tagen im Jahr abgebaut. Wenn es ausgebeutet ist, werden die Gruben wieder aufgeschüttet und der Regenwald aufgeforstet. Die Schaufelbagger tragen erstmal eine acht Meter dicke Erdschicht ab, darunter kommt die rote bauxithaltige Schicht zum Vorschein. Sie ist nur drei Meter dick. Diese Erde transportiere ich mit meinem Muldenlaster, der bis zu 115 Tonnen Nutzlast hat, zum Förderband. Das Förderband bringt das Bauxit zum rund 40 Kilometer entfernten Hafen, von dort geht es per Schiff nach Bacarena bei Belemen und wird bei Albras und Alunorte zu Alu-Barren verarbeitet.
In der verglasten Kabine meines Caterpillars ist es dank Air Condition immer schön kühl, sonst könnten wir das gar nicht aushalten, denn draußen ist es 40 Grad warm und feucht. Dabei höre ich im Führerhaus am liebsten religiöse Musik, ich bin nämlich Evangelist und gehöre der Pfingstkirche an.
So fahre ich jeden Tag acht Stunden hin und her, aber langweilig ist das nicht, denn manchmal lenke ich auch ein Raupenfahrzeuge oder einen Tankwagen mit Wasser. Die brauchen wir, um alles abzuspritzen, bei uns ist unglaublich viel Staub im Spiel. Gegen 11 Uhr habe ich meistens eine Stunde Pause, wir bekommen warmes Essen in einen Container geliefert. Manchmal kommt der Schichtleiter und fragt, ob ich durcharbeiten kann. Das ist keine Pflicht, aber wenn ich mich fit fühle, arbeite ich auch mal durch, das geht dann von 7.30 Uhr bis 16 Uhr. Mein Schichtmodell sieht so aus, dass ich sechs Tage arbeite und dann zwei freie Tage habe. Wir arbeiten rund 45 Stunden in der Woche, das ist schon anstrengend, aber unser Fuhrpark ist modern, wir haben Servolenkung.
Ich komme aus einem der ärmsten Bundesstaaten, aus Maranhao. Als ich 23 war, bin ich mit meinen Eltern nach Santarém ins Amazonasgebiet gezogen, das war vor 30 Jahren, als die Bauxitmine gerade ihren Betrieb aufnahm. Ich bin also von Anfang an dabei.
Isoliert fühle ich mich hier gar nicht, ich mag es eher ruhig, hier gibt es keine Kriminalität, man lebt friedlich zusammen in der Siedlung, man kennt sich. Meine Frau ist hier auch sehr zufrieden, unsere drei Kinder sind hier zur Welt gekommen. Der Älteste ist inzwischen Ingenieur im Erzabbau, unser anderer Sohn ist Techniker in Belém, und unsere Tochter hat gerade ihre Berufsausbildung beendet und ihre erste Stelle angetreten. Die Kinder haben hier eine sehr gute Schule besucht, es gibt hier außerdem das Berufsbildungswerk der Industrie. Ich bin sehr zufrieden darüber, welche Chancen unsere Kinder hier bekommen haben.
Trotzdem gilt: Wir bekommen hier auch nichts geschenkt, und deswegen bin ich im Vorstand der Bergbaugewerkschaft. Man muss schon auch kämpfen. Ich bekomme 1060 Real netto, mit den Schichtzulagen sind es 1600 bis 1700 Real (550 Euro). Wir haben 30 Tage Jahresurlaub und bekommen einmal im Jahr einen Flug zur Familie bezahlt. Vieles läuft hier ganz gut, aber vielleicht auch nur, weil wir darum gekämpft haben. Meine Arbeit macht mir Freude, deswegen schaue ich mich auch nicht nach einer neuen Arbeit in der Mine um – auch weil ich mit 53 kurz vor der Rente stehe. In spätestens zwei Jahren ist es so weit, hier auf der Mine ist die Altersgrenze bei 55. Weil ich im Vorstand der Gewerkschaft bin, habe ich noch länger Kündigungsschutz, dann werden sie mich wohl für den Rest meiner Wahlperiode abfinden. Dann muss ich hier weggehen, vielleicht werde ich ein Geschäft aufmachen, mit irgendetwas handeln.
Wichtig ist mir, dass meine Kinder eine gute Ausbildung bekommen und Arbeit gefunden haben. Die hoffen natürlich, dass ich im Ruhestand in ihre nach Belém ziehe. Ich würde lieber nach Santarém gehen, die Stadt ist viel kleiner und ruhiger, aber wahrscheinlich werden sich die Kinder durchsetzen.
In unserer Freizeit treffen wir uns mit anderen Familien im Gewerkschaftsclub, wir gehen angeln, manchmal fahren wir mit dem Boot an den Wasserfall. Natürlich gibt es auch Aktivitäten in meiner Kirche und manchmal auch Belegschaftsfeste. Also, wir leben hier doch ganz friedlich zusammen, das ist mir sehr wichtig.“
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Dieser Artikel erschien bereits unter dem Titel „Mein Arbeitsplatz – Bauxitmine Porto Trombetas, Brasilien“ im Magazin Mitbestimmung (04/2007) der Hans Böckler Stiftung. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Magazins Mitbestimmung.
Bildquellen: Cornelia Girndt_