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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Microzoología (Teil 4)

Victor Montoya | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Hundswut

Zu seinem Entsetzen sah der Hund im Traum, dass sein Herr ihn nur träumte. Er erwachte mit Schaum vor dem Maul, stürzte sich auf seinen Besitzer und biss ihn tot.

Der Esel und die Kuh

Kultur: Microzoologia Victor Montoya - Esel - Foto: Quetzal Redaktion, cdAm Eingang zu Noahs Arche trafen sie aufeinander.

Als die Kuh den Esel mit dem herabhängenden Maul sah, muhte sie herzhaft und schwenkte ihr Hinterteil vergnügt hin und her.

Der Esel fühlte sich angesprochen und um es klarzustellen, fragte er:

– Warum so eingebildet, Frau Kuh? – mmm.

– Weil ich nützlicher als du bin, erwiderte diese. Ich schenke dem Menschen meine Milch, mein Fleisch, meine Haut …

Der Esel überlegte, gab sich jedoch nicht geschlagen und konterte:

– Von Ihnen bekommt er Milch, Fleisch und Leder, ich aber stelle ihm meine Arbeitskraft zur Verfügung.  So erleichtere ich ihm seine Plackerei und helfe ihm, sein Brot mit etwas weniger Schweiß im Angesicht zu verdienen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich das Tier bin, welches der Mensch am meisten bewundert.

Die Kuh schwieg nachdenklich.

Der Esel iahte lauthals und machte Luftsprünge. Stolzgeschwellt wollte er schließlich wissen:

– So, wer von uns beiden ist für den Menschen nun nützlicher?

Die Kuh betrachtete ihn aus dem Winkel ihrer hervorquellenden Augen und sagte:

– Wenn Sie des Menschen Arbeitstier sind, diene ich ihm gleichermaßen bei Tisch wie im Bett …

In diesem Moment kam Noah. Er gebot der Diskussion Einhalt und entschied:

– Vor Gott sind wir alle nützlich. So war es sein Plan seit dem Tag der Schöpfung.

Der Esel und die Kuh sahen sich schweigend an, schauten zu Noah und kurz bevor die Sintflut losbrach, betraten sie die Arche, wo sie von einer Eselin und einem Stier erwartet wurden, die bereit waren, Paare zu bilden.

Der bengalische Tiger

Kultur: Microzoologia Victor Montoya - Tiger - Foto: Quetzal Redaktion, cdAuf einem indischen Gemälde, auf dem das Blattwerk der Bäume, die Wasser eines Sturzbachs und die Farben eines Meeres von Blumen und Vögeln ins Auge stachen, ragte in der unteren linken Ecke der Kopf eines bengalischen Tigers hervor, gerade so als ob er sich im Gestrüpp verstecke, um seiner Beute aufzulauern.

Als ich in seine bläulichen Augen starrte, begann er sich zu bewegen und zeigte mir die Zähne. Seine Muskeln zuckten mit jedem Schritt und sein Schwanz peitschte die Luft. Wie Giftschlangen, die sich um seinen Körper geschlungen hatten, zeichneten die in der Wildnis unentbehrlichen schwarzen Streifen sein orangefarbenes Fell und weckten bei mir den Eindruck von Gefahr und Schönheit.

Später stahl sich der Tiger klammheimlich in die Mitte des Bildes davon, wo er mit katzenhafter Behändigkeit durch eine kleine Öffnung verschwand. Auf sehr befremdliche Weise floss nun vor meinen aufmerksamen Augen das Gemälde durch dieselbe Öffnung aus.

Nach kurzer Zeit waren von dem Bild nur noch die weiße Leinwand und der quer von Bambusstäben gehaltene Rahmen übrig geblieben.

Die Tauben

Da sind weiße Friedenstauben und schwarze Tauben, die mich gleichermaßen nicht in Frieden lassen, beklagte sich das Straßenmädchen.

Der Fabeldichter

Herr Äsop, was soll man machen, wenn einen mitten im Wald ein Bär überrascht?, fragte der kleine Junge.

Sich tot stellen und unter gar keinen Umständen auf einen Baum klettern, gab der Fabeldichter zur Antwort.

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Übersetzung aus dem Spanischen: Gabriele Eschweiler

Bildquelle: [1], [2] Quetzal-Redaktion, cd

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