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Ampuero, Roberto: Der Schlüssel liegt in Bonn

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Wer tötete Cristián Kusterman?

Ich verrate es gleich am Anfang: Die Stasi war’s. Wer auch sonst. Ja, was wäre der internationale Kriminalroman eigentlich ohne diese dahingegangene Firma …

Aber, erzählen wir der Reihe nach. Cristián Kusterman wurde ermordet. Er war der Chef einer Pizzeria unweit der chilenischen Hafenstadt Valparaiso, und Maskierte erschossen ihn an seinem Arbeitsplatz. Ich weiß nicht, ob das unter chilenischen Pizzeria-Besitzern so Brauch ist, jedenfalls scheint das Ganze für die zuständige Polizei nicht ungewöhnlich zu sein. Die Beamten glauben an einen Mafia-Mord und legen den Fall bald unverrichteter Dinge zu den Akten. Das aber gefällt Carlos Kusterman, seines Zeichens Vater des Opfers und nicht eben armer Unternehmer deutscher Abstammung gar nicht, er glaubt einfach nicht an die offizielle Version. Folglich, wie das in Krimis halt so ist, beauftragt er einen Privatdetektiv, den wahren Mörder seines einzigen Sohnes zu finden. Unser Held, der Privatdetektiv, residiert in einem recht schmuddeligen Büro, ist Tabak, Kaffee und Alkohol wahrlich nicht abgeneigt und er heißt – nein, nicht Philip Marlowe, sondern Cayetano Brulé. Schließlich befinden wir uns im Valparaiso der 90er und nicht im Los Angeles der 30er oder 40er Jahre. Nun, daß dieser Detektiv nicht nur an Marlowe erinnert (was ja in diesem Genre wahrlich nichts Besonderes ist), sondern außerdem ein wenig Ähnlichkeit mit seinem mexikanischen Kollegen Hector Belascoaran Shayne hat, einer Erfindung von Paco Ignacio Taibo II, wollen wir jetzt nicht weiter erörtern. Krimiautoren und -innen sind auch nur Menschen, und menschlicher Phantasie und Gestaltungskraft sind ja vielleicht doch Grenzen gesetzt.

Nun gut, privado Brule vermutet sehr bald sehr richtig das Motiv für den Mord an dem jungen Kusterman in dessen Vergangenheit und macht sich infolgedessen auf Spurensuche. Diese führt ihn nicht nur nach Santiago de Chile, sondern auch ins ferne Deutschland. In Bonn, so papá Kusterman, habe der Sohn von 1980 bis 1990 vor allem studiert; nicht gerade mit dem nötigen Eifer, aber er habe es doch getan. Als Nebenbemerkung sei hier der Hinweis erlaubt, daß der deutsche Titel des Buches wie allzu viele deutsche Titelschöpfungen bei ausländischen Büchern unzutreffend und zudem irreführend ist, denn in Bonn liegt mitnichten der Schlüssel, bestenfalls ein Anhänger für selbigen. In Bonn, gekennzeichnet durch „keine Kinder, aber viele ältere Leute mit wenig freundlichen Gesichtern“ entgeht unser Held nur mit viel Glück einem heimtückischen Mordanschlag. Letzten Endes bestätigt und erhärtet sich im ehemaligen deutschen Hauptstädtchen aber lediglich, was Brulé in Chile nur andeutungsweise erfahren konnte: Cristian Kusterman war nicht der Pinochetanhänger, für den sein Vater ihn hielt, sondern dessen politischer Gegner, und in Bonn war er nur kurze Zeit. Wie sich dann herausstellt, hatte ihn sein weiterer Weg nach Kuba geführt, zu einer militärischen Ausbildung für eine nicht näher beschriebene und deshalb ziemlich mysteriöse frente.

Nun fährt unser Held nach Kuba, das übrigens seine eigentliche Heimat ist, die er als Kind lange vor der Revolution in Richtung Miami verlassen hatte. Dort trifft er nicht nur Kustermans Frau und Kind, er erfährt auch, daß das Opfer offensichtlich zum Führungskreis der frente gehörte. Der Mörder, das steht bald zweifelsfrei fest, kann auch nur aus dem engeren Führungszirkel dieser militärischen Organisation kommen. Nach der Rückkehr in seine Wahlheimat Chile gelingt Cayetano Brulé natürlich die Identifizierung des Mörders, und er sorgt für dessen Verhaftung.

Wer der Mörder ist, wird hier natürlich nicht verraten. Ich sage nur soviel: er hatte mit Cristiän Kustermans einstigen Kontakten in die DDR zu tun, er arbeitete natürlich irgendwie für die Stasi und es geht um Waffenschmuggel. Den Rest sollte ein/e interessierte/r Leser/in selbst erkunden.

Das Buch hat alles, was ein richtiger Kriminalroman braucht. Es gibt einen Privatdetektiv mit Ecken und Kanten, mehr als einen Toten und jede Menge verschlungener Spuren. Darüber hinaus entbehrt der Roman stellenweise jeglicher Logik. Und damit meine ich jetzt nicht, daß alle auftretenden „Revolutionäre“ – ganz gleich, ob chilenische, (west-)deutsche oder kubanische – reden, als hätten sie das Kommunistische Manifest in einer Fassung der Bild-Zeitung studiert. Bestimmte Dinge gehen da einfach nicht zusammen, aber das merkt man eh erst am Schluß. Auf jeden Fall kann Brule froh sein, daß er von einem Mann erfunden wurde; bei einer Frau hätte er den Mörder wahrscheinlich nicht so schnell entdeckt. Frauen wissen nämlich, daß man gefärbtes Haar immer mal wieder nachfärben muß.

Aber was soll’s; das Ganze liest sich trotz der zeitweilig recht holprigen Übersetzung ziemlich gut weg und ist obendrein auch noch spannend. Und was verlangt man von einem Krimi eigentlich mehr?

Roberto Ampuero,
Der Schlüssel liegt in Bonn.

Verlag Das Neue Berlin 1996

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