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Kaffee-Indianer

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Vor mir liegt eine Audio-Kassette, die es zu rezensieren gilt. Was nicht ganz so einfach ist -wie faßt man Töne in Worte?

Kaffee-Indianer soll eine akustische Entdeckungsreise durch Mexiko sein, so heißt es jedenfalls auf dem Kassetten-Cover. Andreas Peckelsen und Michael Leye, ihres Zeichens Schauspieler, haben die Reise gemeinsam unternommen und liefern uns nun „ein aufregendes Hör-Bild von Indianern, die zwischen Tradition und Moderne einen neuen Weg gehen: Zurück in die Zukunft“. Wenn wir einmal von der populistischen Anleihe bei einem nicht näher genannt sein sollenden Hollywoodfilm absehen, wie sieht dieses aufregende Hör-Bild konkret aus?

Die Reise beginnt in Mexiko-Stadt, das uns von den beiden Reisenden als groß, schmutzig, arm und häßlich beschrieben wird, was schon in einem gewissen Kontrast zu den von den Autoren zitierten Aussagen Alexander von Humboldts steht, der vor über einhundert Jahren ebenfalls die mexikanische Metropole besucht hatte und gleichermaßen von der Farbenprächtigkeit fasziniert wie von der Armut schockiert war. Wir schlendern also durch die mexikanische Hauptstadt und uns begegnet in einem Slum der kleine Oscar, den wir aber nach einem sehr kurzen Gespräch wieder verlassen, um von einer Entwicklungshelferin zu erfahren, warum in Chiapas die indigenas einen Aufstand gegen die mexikanische Regierung führten.

Danach begeben wir uns mit den Reisenden zu den Zapoteken, einem Indianerstamm im Süden Mexikos, und besuchen die Kaffeekooperative UCIRI, wo der organische Kaffee angebaut wird, den wir in Deutschland z.B. in den Weltläden kaufen können. Die Hörer und Hörerinnen bekommen eine kleine Lektion über die Geschichte der Kooperative und den Anbau von Ökologischem Kaffee und machen die Bekanntschaft des leitenden UCURI-Mitglieds Esaias und seiner Familie. Danach geht’s nach Juchitan, zu einem Kulturhaus der Zapoteken und dann nach San Cristobal de las Casas im Bundesstaat Chiapas, wo es Leye und Peckelsen schließlich doch nicht gelingt, den legendären EZLN-Subcomandante Marcos zu interviewen.

Zu guter Letzt feiern wir mit den Autoren und den Zapoteken ein Fest der Kooperative und den Tag der Toten, der bekanntlich so nur in Mexiko begangen wird. So weit, so gut. Das Ganze dauert knapp 50 Minuten und ist für Kinder ab zehn Jahren gedacht.

Also lehne ich mich zurück, schließe die Augen und stelle mir einfach vor, ich wäre wieder zwölf (nur, um nicht mit dem Mindestalter anzufangen) und kann also ganz unbelastet von allem entwicklungspolitischen Tamtam diese Kassette anhören. Nach ca. drei Viertelstunden, nachdem das Hör-Bild ausgeklungen ist und ich meine Schläfrigkeit wieder überwunden habe, bin ich in der Lage, frei heraus einige Fragen zu stellen, die mir spontan einfallen.

Wann waren die Autoren in Mexiko? Oder mit anderen Worten: wann blühen die Totenblumen in Mexiko bzw. wann wird das Fest der Toten gefeiert? Alexander von Humboldt hatte, wie den Zitaten zu entnehmen ist (ich fand diese Einleitung recht interessant), Südamerika besucht. Liegt Mexiko auch in Südamerika? Wer und was sind die indigenas, von denen die Entwicklungshelferin spricht? Und überhaupt, was ist eine Entwicklungshelferin?

Die Indianer (sind das vielleicht indigenas?), die die Kaffeekooperative betreiben, sind Zapoteken. Trifft das auf die in San Cristobal ebenfalls zu oder gibt es in Mexiko auch noch andere?

Wäre es nicht möglich gewesen, etwas mehr vom Leben der Kinder Oscar und Adriana zu berichten? Dafür, denke ich, interessieren sich Kinder nämlich ganz besonders, vor allem, wenn es um Indianer geht. Man hat ja so seine Vorstellungen. Könntet Ihr mir erklären, was es mit dem Alkoholproblem der Indianer auf sich hat? Doch einmal ganz ehrlich – was sollte diese Stelle überhaupt?

Aber ich muß auch sagen, daß es mich sehr freut, daß die Armut im Slum La Mancha den „Bessergestellten“ so „ans Herz gegangen ist“, und daß die dann gespendet haben und die Leute im Slum jetzt sogar eine Schule und einen Kindergarten haben. Es sollte eben noch viel mehr Bessergestellte mit einem guten Herzen geben, die richtig spenden, dann müßten die Indianer auch keine Aufstände mehr machen. Oder habe ich das alles falsch verstanden?

Was wäre wohl passiert, wenn ich bei diesem kleinen Selbsttest erst zehn gewesen wäre: Ich fürchte, dann hätte mich wohl der Schlaf übermannt. Ich hatte nämlich niemanden dabei, mit dem ich hätte quatschen können, wie Kinder das in solchen Fällen zu machen pflegen. Deshalb bliebe hier nur noch eine Frage zu stellen, die achte, wenn ich richtig mitgezählt habe:

Wäre etwas Weniger nicht doch etwas Mehr gewesen?

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