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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Einen Bruder in Peru

Nora Pester | | Artikel drucken
Lesedauer: 14 Minuten

Über Chancen und Gefahren von Patenschaften in Lateinamerika

Dichte schwarze Haare, große Kulleraugen und ein Blick, der Furcht und Neugier nicht verbergen kann. Wie oft werden wir in Hochglanzmagazinen mit Kindergesichtern konfrontiert, die uns dazu animieren sollen, die Patenschaft für einen jungen Menschen in der sogenannten Dritten Welt zu übernehmen. Zwischen all den bunten Seiten über die neuesten Trends, Errungenschaften und Ängste unserer Industriegesellschaft fordert plötzlich das Schwarzweißfoto eines ärmlich gekleideten, aber (Über-)Lebensmut ausstrahlenden Mädchens oder Jungen unser Gewissen und unser Verantwortungsgefühl gegenüber den in Armut lebenden Kindern dieser Welt heraus. Die Kinderaugen werden zum Symbol für eine bedrohte Generation. Sie sollen unser Mitleid erregen, unseren Beschützerinstinkt wecken und das Gefühl verleihen, mit einer regelmäßigen Spende ein Stück unserer Zukunft zu retten. Das niedliche, offene Gesicht, das uns vielleicht auch an die eigenen Sprösslinge erinnert, wird zum Botschafter einer untergehenden Kultur, einer Nation, eines Dorfes oder einfach nur einer Familie, die zum Überleben dringend auf unsere Hilfe angewiesen ist. Werden diese Kinder als Aushängeschild mißbraucht, um die Geldbeutel hilfsbereiter Europäer zu öffnen oder sind sie wirklich die Hoffnungsträger einer besseren Zukunft ihres Heimatlandes?

Der Sinn einer Patenschaft wird in erster Linie von der dahinterstehenden Hilfsorganisation bestimmt. Es darf auf keinen Fall nur einem Kind geholfen werden. Seine ganze Lebensgemeinschaft muß mitwachsen – andernfalls würde man dieses Kind von der Umwelt isolieren. Das Patenkind soll für die Paten vor allem eine Identifikationsfigur sein, mit deren Familie sie in Kontakt stehen, denen aber nicht unabhängig von ihrem direkten Umfeld oder mit Bargeldzahlungen geholfen wird. Die Familien werden nur dann direkt unterstützt, wenn es um dringende medizinische Versorgung, die Verbesserung der Wohnsituation oder Schulgeld für die Kinder geht. Nach einem Erdbeben in Kolumbien wurde den in dem Katastrophengebiet lebenden Patenfamilien zwar zuerst geholfen, die übrige Dorfgemeinschaft aber natürlich auch im Wiederaufbau unterstützt. Eine seriöse und verantwortungsbewußte Hilfsorganisation arbeitet die Projekte gemeinsam mit den betroffenen Menschen aus und zieht sich auch aus der Region zurück, wenn die Gemeinschaft die Arbeit aus eigener Kraft fortsetzen kann.

Weltweit aktive Organisationen, wie beispielsweise PLAN INTERNATIONAL, unterstützen derzeit Kinder und ihre Familien in elf Ländern der Karibik, Mittelamerikas und Südamerikas. Die politische Situation in einigen Staaten erschwert oftmals die Arbeit in den Gemeinden. Sobald eine Regierung nicht die Zusage erteilen kann, daß Spendengelder über die eigenen Konten der Hilfsorganisation in das Programmgebiet gelangen, besteht die Gefahr, daß die finanzielle Unterstützung in undurchsichtigen Kanälen verschwindet. Die Kinder, mit deren Foto für eine Patenschaft geworben wird, werden dann zur Finanzierung korrupter Machthaber mißbraucht. Aber wie werden Patenkinder eigentlich ausgewählt? Die jeweilige Hilfsorganisation richtet im Projektgebiet Regionalbüros ein. Von hier aus werden alle Hilfsprogramme koordiniert. Die Familien eines Dorfes oder einer Gemeinschaft entscheiden selbst, ob sie sich für eine Patenschaft zur Verfügung stellen. Viele Eltern haben Angst, daß es sich nicht „nur“ um Patenschaften handelt, sondern daß Kinder für Auslandsadoptionen gesucht werden. Diese Furcht ist sicher nicht unbegründet, versuchen doch gerade in armen Gebieten immer wieder kriminelle Unternehmen Kapital aus der Notsituation von Eltern zu schlagen. Wenn sich die Familie zu einer Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation entschlossen hat, wird zumeist das jüngste Kind, „idealerweise“ im Alter von drei bis vier Jahren, als Patenkind ausgewählt, weil eine Unterstützung bis zum 18. Lebensjahr erfolgt.

Ein großes Problem ist, daß man vor allem gesunde und besonders niedliche Kinder aussucht, da sie natürlich eine größere Attraktivität für Paten in aller Welt besitzen. Der Junge oder das Mädchen wird dann von den Eltern für einen Fototermin herausgeputzt und das entstandene Bild gemeinsam mit einem Familienporträt und einem Sozial- und Kulturreport nach Europa oder in die USA geschickt. Bei einer unseriösen Organisation besteht nun die Gefahr, daß die zu vermittelnden Patenkinder in einer Art Katalog präsentiert werden. Normalerweise aber werden Patenschaften von der Hilfsorganisation nach ihrer sozialen Dringlichkeit vermittelt. Die Pateneltern haben höchstens die Möglichkeit, sich für einen Jungen oder ein Mädchen aus einem bestimmten Land zu entscheiden. In letzter Zeit ist die Entwicklung zu beobachten, daß zunehmend Mädchen als Patenkinder bevorzugt werden, da man glaubt, ihnen nur so eine Zukunftschance in den vermeintlich frauenfeindlichen Gesellschaften geben zu können. Viele Hilfsorganisationen versuchen, diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.

Ist eine Vermittlung erfolgt, überweisen die Pateneltern eine monatliche Spende von ungefähr vierzig Mark an die Organisation. Einmal im Jahr erhält man daraufhin, zum Beispiel bei PLAN INTERNATIONAL, einen ausführlichen Rechenschaftsbericht der Gesamtorganisation, außerdem Projekt- und Kulturberichte aus dem Einsatzgebiet sowie zweimal jährlich ein Foto, eine Zeichnung und einen Brief von seinem Patenkind. Der Brief wird von den Eltern des Kindes geschrieben, soweit sie des Schreibens mächtig sind. Leider schreiben nur wenige Pateneltern ihrem Patenkind, was eine Beziehung zwischen den Kulturen auf eine große Distanz natürlich zusätzlich erschwert. Pateneltern haben auch die Möglichkeit ein kleines Geschenk dem Brief beizulegen. Dieses sollten nach Möglichkeit Postkarten, Fotos, Stifte, Aufkleber oder ähnliches sein, um das Patenkind in seiner Gemeinschaft nicht übermäßig hervorzuheben, besitzt es doch aufgrund einer gesicherten Schulbildung ohnehin eine privilegierte Position in seiner Familie. Es ist nicht zu leugnen, daß das Kind dank dieser Bildungschance auch einer gewissen Elite angehört und später sicher einmal dieser Rolle in seiner Gesellschaft gerecht werden muß.

Die traditionelle Großfamilie ist auch in Lateinamerika in Gefahr. Viele Familien verlassen ihre Dörfer und ziehen in der Hoffnung auf Arbeit in die Großstädte oder die Familienväter gehen als Hilfsarbeiter für eine Saison in die Stadt. Verantwortungsbewußte Programme versuchen, diese dörflichen Gemeinschaften wieder zu stärken, indem sie vor allem Einheimische in die Projektarbeit einbeziehen. Es ist ohnehin erstrebenswert, so wenig wie möglich Ausländer in den Projektbüros und als Lehrer zu beschäftigen. Die Hilfe zur Selbsthilfe bezieht alle Dorfmitglieder und auch die Familie des Patenkindes ein, die zum Beispiel ehrenamtliche Arbeit für die Instandsetzung der Schule leistet. Die Wiederbelebung des ekuadorianischen Kunsthandwerks, die Besinnung auf traditionelle Anbaumethoden in der Landwirtschaft Boliviens oder das Gesundheitsaufklärungsprogramm in Guatemala sind Bestandteile einer umfangreichen Projektarbeit. Von besonderer Bedeutung ist neben der Gewährleistung einer medizinischen Grundversorgung und dem Ausbau des Vor- und Hauptschulsystems auch die berufliche Ausbildung. Wissen ist Macht – so lautet die Erfolgsdevise. Erwachsenenbildung wird in diversen Erziehungszentren zu Themen wie Umweltschutz, Solarenergienutzung, Selbstverwaltung, Werkzeugkunde oder Schneiderei sowie in weiteren beruflichen Fortbildungskursen angeboten. Der Erfolg dieser Maßnahmen kann erst in den kommenden Jahrzehnten gemessen werden. Ob das wirklich den ersten Schritt in eine ökonomische und soziale Unabhängigkeit bedeutet oder nur noch zu mehr Abhängigkeit gegenüber den westlichen Industrienationen führt, bleibt abzuwarten.

Wenn Computerfirmen und Lebensmittelkonzerne den Hilfsprojekten großzügige Sachspenden zukommen lassen, werden zukünftige Absatzmärkte und nicht einheimische Unternehmungen gefördert. Ein durchaus erfolgversprechendes Programm ist die Kleinkreditvergabe an Frauen und die damit verbundene Unterstützung des Kleingewerbes. Die Mütter entwickeln zumeist den größten Initiativgeist und sorgen mit ihrer Selbständigkeit für den Familienunterhalt. Durch die Zusammenarbeit mit dem ekuadorianischen Institut für Kind und Familie wurde auch die Ausbildung von Müttern aus der Gemeinde zu Kindergärtnerinnen ermöglicht.

Die jährlich erscheinenden Projektberichte geben allerdings zumeist nur unbefriedigend Auskunft über die Gemeindeentwicklung. Sie bestehen fast ausschließlich aus Erfolgsmeldungen und stellen die örtlichen Gegebenheiten nur sehr uniform dar. Natürlich ist eine solche Berichterstattung mit hohem Personal- und Verwaltungsaufwand verbunden. Aber warum ist es nicht möglich, auch über negative Ereignisse bzw. weniger erfolgreiche Projekte zu sprechen? Alle Pateneltern sind sich doch der politischen und wirtschaftlichen Lage in dem jeweiligen Entwicklungsland bewußt. Das Problem der übertrieben positiven Berichterstattung gilt nicht für alle Hilfsorganisationen, ist aber, aus Angst um Spendengelder, häufig zu beobachten.

Doch wie läßt sich die Entwicklung der Patenkinder verfolgen? Der jährliche Fortschrittsbericht soll die aktuelle Situation des Kindes, der Familie und der Gemeinde dokumentieren. Es ist sicher auch einem enormen Personal- und Zeitaufwand geschuldet, daß diese Berichte nicht sehr detailliert sind. Allerdings ist es wenig entschuldbar, wenn fast immer die verallgemeinernde Behauptung aufgestellt wird, daß die einheimischen Familien katholisch seien, alle Spanisch sprechen und natürlich auch alle katholischen Feiertage begehen würden. Das autochtone Kulturerbe findet gerade in Ekuador und Peru kaum Berücksichtigung. Auch die Bedeutung der Sprache Quechua wird in den Berichten aus Peru völlig vernachlässigt. Dadurch entsteht der generelle Eindruck von guten Christen sowie braven, wißbegierigen und anpassungsfähigen Kindern. Ein Fortschritt stellt allerdings die Erwähnung der unterschiedlichen Stämme dar, aus denen die Familien der Patenkindern hervorgegangen sind.

Viele Pateneltern entscheiden sich aus diesen Gründen auch für eine Reise in das Heimatland ihres Patenkindes und einen Besuch bei der Patenfamilie. Bei einer seriösen Hilfsorganisation ist dies auch ohne großen bürokratischen Aufwand und mit kompetenter Begleitung möglich. Natürlich ist eine Voranmeldung nötig, da eine lateinamerikanische Familie genausowenig von Besuch überrascht werden möchte, wie eine Familie in Europa. Besonders interessierte Pateneltern schreiben im Anschluß an ihren Besuch einen Reisebericht, der allen in der Organisation engagierten Personen auf Anfrage auch zugänglich ist. Diese Berichte beinhalten durchaus auch Kritikpunkte und liefern aus ihrer Amateurperspektive einen unabhängigeren Einblick in das Projekt vor Ort, das Verhältnis zwischen Pateneltern und Patenfamilie und dem damit verbundenen Aufeinandertreffen zweier Welten. Daß in Reiseberichten die Patenkinder gelegentlich als „entzückend zutraulich“ oder „einen hellen Eindruck machend“ beschrieben werden, kann jedoch nicht der Hilfsorganisation angelastet werden. Viele von einheimischen Mitarbeitern vor Ort verfaßte Projektberichte drücken große Dankbarkeit gegenüber der Hilfsorganisation und den Pateneltern aus. Uns mag es peinlich erscheinen, wenn die Nachfahren einer großen Kultur von „wiedergewonnenem Selbstvertrauen in die eigene Leistung“ sprechen und dankbar für die Unterstützung sind, mit der sie ihre „Träume realisieren, Berufe erlernen und in Zukunft ihre Familie ernähren können“. Für sie ist es wirklich eine Chance, daß ihre Kinder Englisch lernen, mit Computern umgehen können, sich im städtischen Leben zurechtfinden und gleichzeitig den Stolz auf ihr kulturelles Erbe und ihre Herkunft nicht verlieren.

Für eine langfristig erfolgreiche Entwicklungshilfe ist insbesondere auch die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, der UNO und UNICEF von großer Bedeutung. Nur gemeinsam mit anderen Kinderhilfswerken kann das eigentliche Ziel, nämlich die Rechte der Kinder durchzusetzen, in Zukunft konsequent verfolgt werden. PLAN INTERNATIONAL setzt sich beispielsweise seit Jahren für eine Konvention über die Rechte der Kinder ein. Jeder, der sich für die Übernahme einer Patenschaft in Lateinamerika entschließt, muß sich auch des hohen Personal- und vor allem Verwaltungsaufwandes bewußt sein, für den ein erheblicher Teil der Spendengelder benötigt wird.

Die Struktur der Hilfsprogramme ist weltweit nahezu austauschbar. Das erhöht zwar zum Teil die Gefahr, daß kulturelle Besonderheiten nur unzureichend berücksichtigt werden, erleichtert aber auch die Koordination der Projekte. Oberste Priorität haben die Befriedigung der Grundbedürfnisse und die Gewährleistung einer Schul- und Berufsausbildung. Nur durch eine möglichst hohe Beteiligung von Einheimischen an der Projektarbeit kann eine Identifikation mit der Entwicklungshilfe entstehen und eine spätere Fortsetzung in Selbständigkeit erfolgen. Die Kinder auf den Fotos in unseren Zeitschriften sollen letztendlich Repräsentanten für die Entwicklung ihrer gesamten dörflichen Gemeinschaft sein. Und es wäre schon ein Fortschritt, wenn vielleicht auch nur ein Kind des Dorfes in Zukunft als Experte für ökologischen Landbau, Menschenrechtsfragen oder als Mediziner sein lateinamerikanisches Heimatland unterstützen kann.

Die Entwicklungshilfe gerät aufgrund unseriöser Organisationen und nur schwierig zu durchschauenden Rechenschaftsberichte immer wieder in Verruf. Die große Entfernung zwischen Geldgeber und -empfänger macht den langfristigen Erfolg eines Projektes für einen Laien nur schwer überprüfbar. Es ist jedoch wichtig, daß auch wir wieder Vertrauen in die traditionsreichen Hilfsorganisationen Deutschlands gewinnen. Die Beruhigung eines schlechten Gewissens, welche einem spendenden Bundesbürger oftmals vorgeworfen wird, trifft aber genauso auf diejenigen Mitmenschen zu, die sich mit dem Argument, sie würden nur dann spenden, wenn ihr Geld auch „wirklich“ den Hilfsbedürftigen zukommen würde, aus ihrer Verantwortung ziehen.

Solange wir nicht aufhören, unbequeme und kritische Fragen zur Entwicklungshilfe zu stellen, wird auch gewährleistet sein, daß unsere Hilfe nicht umsonst ist. Wer Geld spendet, hat Anspruch auf umfassende Information. Wir müssen lernen, diese einzuklagen. Wir befriedigen dann nicht nur unser Gewissen, sondern auch die Grundbedürfnisse eines Kindes dieser Welt. Und wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.

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Der nebenstehende Beitrag ist ein Auszug aus einen längeren Bericht, den uns Thomas Markert aus Leipzig zur Verfügung stellte.

In Salvador erwartete uns das wahrscheinlich schönste Erlebnis unserer Reise überhaupt: Der Besuch bei meinem Patenkind Gerson Antonio Trejo (9 Jahre). Vor etwa einem Jahr hatte ich diese Patenschaft schon in Vorausschau auf unsere Reise übernommen. Ein Anruf im zentralen „World Vision“ Büro in San Salvador genügte, und wie ausgemacht wurden wir zwei Tage später mit einem Jeep in unserem Hotel (wir übernachteten stets in Hotels, die überall so zwischen 10 und 15 DM für zwei Personen kosten) abgeholt und in das Dorf gebracht, wo Antonio wohnt: Puerto Parada. Mit großem „Hallo“ wurden wir dort im örtlichen Büro empfangen. Sämtliche Mitglieder des World-Vision-Dorfkomitees hatten sich eingefunden samt Sekretärinnen. Und irgendwo in dem Getümmel und Händeschütteln erspähte ich dann auch Antonio, den ich bereits vom Foto her kannte. Reichlich verlegen und schüchtern stand er etwas hilflos herum. Jetzt gings aber erstmal an’s Vorstellen. Jedes Mitglied des Dorfkomitees stellte sich persönlich vor und erzählte von der Arbeit im Projekt. Natürlich mußten auch wir uns vorstellen, wurden ausgefragt. Hier waren meine Spanischkenntnisse sehr von Vorteil, da wir dadurch ohne Dolmetscher auskamen und so ein viel persönlicherer Kontakt möglich wurde. Mit überschäumender Begeisterung erzählten uns die Leute von allen einzelnen Projekten, die mit Hilfe des Geldes aus den Patenschaften bereits realisiert werden konnten. Schwerpunkte sind die Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbaumethoden, Gesundheitsvorsorge und -betreuung sowie eine christliche Erziehung der Kinder. In Puerto Parada haben 400 Kinder Paten in Deutschland, allerdings waren wir die allerersten Besucher, was den ausgesprochen begeisterten Empfang zu erklären vermag. So wird mit Hilfe des deutschen Geldes für eine angemessene Schulausbildung gesorgt, werden Schuluniformen und -materialien für die Kinder gekauft, Weiterbildungskurse für Bauern organisiert, eine Krankenschwester und eine regelmäßige Arztvisitation finanziert, Kirchen gebaut, in denen Christenlehre angeboten wird, besteht die Möglichkeit einer Berufsausbildung zur Schneiderin für junge Mädchen, konnten bei vielen Häusern die alten löchrigen Palmblattdächer durch Dachziegel ersetzt werden, wurde es möglich, endlich eine Trinkwasserleitung aus dem Landesinneren heranzuführen und sogar schon einzelne Häuser mit elektrischem Strom zu versorgen. Richtig stolz waren die Leute (alles Einheimische übrigens, Entwicklungshelfer gibt es nicht), als sie uns von ihren Erfolgen erzählen, dokumentarische Fotos zeigen, akribisch genau geführte Buchführungslisten vorlegen konnten. Antonio allerdings saß etwas verloren auf seinem Stuhl zwischen Jan und mir und fand das alles wahrscheinlich ziemlich langweilig, fühlte sich wohl auch reichlich unwohl in seiner schicken Schuluniform. Nach über zwei Stunden war diese Einleitung dann doch zu Ende, und wir fuhren, von einigen Leuten des Ortskomitees begleitet, auf einem klapprigen LKW erstmal zum Haus von Antonio, das mit dem Namen Hütte freilich besser bezeichnet ist: Wellblechwände, eine rußige Küche, ein kleines Schlafgemach mit drei Betten (Antonio hat noch 6 Geschwister!). Hier gab’s erstmal Fotos. Pate mit Antonio, Pate mit Familie, Pate mit allen Besuchern, Pate mit einigen Kindern, Antonio mit Jan usw. Danach schauten wir uns die Arbeitsstelle von Antonios Vater an, der in einer Saline für Meersalzgewinnung arbeitet, für einen ziemlich kargen Lohn. Später wurden uns noch die Trinkwasserleitung und die Energieversorgung gezeigt. Antonio war die ganze Zeit mit dabei, reichlich schüchtern allerdings. Ich glaube, als Kind war ich da aber ebenso, wenn z.B. ein Onkel aus dem Westen oder sogar aus Amerika zu Besuch war. Hinterher wird er mächtig stolz gewesen sein, als erster Junge im Dorf von seinem Paten Besuch empfangen zu haben. Am Abend erzählte uns dann noch einer aus dem Dorfkomitee mit leuchtenden Augen von den nächsten Vorhaben im Projekt. Ich hatte den Eindruck, er könne es kaum noch bis zum neuen Tag abwarten, um sich wieder in die Arbeit zu stürzen, neues anzugehen, weitere Verbesserungen voranzutreiben. Insgesamt waren wir beide voll überzeugt von dieser Art der Entwicklungshilfe: Die Hilfe ist konkret und hat ein Gesicht – mein Patenkind für mich – es ist wirklich Hilfe zur Selbsthilfe, und wir konnten uns persönlich davon überzeugen, daß das gespendete Geld wirklich (zum Großteil) bei den tatsächlich bedürftigen Menschen ankommt. Für uns ein Hoffnungszeichen gegen alle Kritik und alle Bedenken, weiter bereit zu bleiben, mit Menschen in der 3. Welt unseren Wohlstand zu teilen.

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