Die traditionellen Speisen der Fastenzeit
Das guatemaltekische Essen ist wie unsere gesamte Kultur eine Mischung aus prähispanischen und spanischen Elementen. Unter den erstgenannten haben wir insbesondere Mais, Kakao, Gewürze als natürliche Elemente und atoles und tamales als gekochte Formen. Unter den spanischen Elementen sind Weizen, Reis, Gerste, Wein, einige Vögel und andere Fleischarten. Das Brot ist ein weiterer spanischer Beitrag, ebenso auch die große Vielfalt der Süßigkeiten, die inzwischen eindeutig traditionell geworden sind, wie z.B. die colochos de guayaba, melochas, tartaritas usw.
Religiöse Ereignisse bedingen das Auftreten von Gerichten. Das heißt, solche Ereignisse kennzeichnen die Zeitabschnitte, in denen diese oder jene Speise gegessen wird oder nicht. Gonzalo Mejia Ruiz arbeitet sehr richtig diese Epochen heraus:
Der Weihnachtszyklus
Er beginnt mit den Feiern zur Empfängnis, für Guadelupe und den jeweiligen Gebeten; später folgen die weihnachtlichen Hausfeste, Weihnachten und – zuletzt – Lichtmeß. Während der Gebete gibt es Krapfen, Mixgetränke, gebratene Bananen; zu Weihnachten und bei den Hausfesten tamales und Punsch.
Der Passionszyklus
Es gibt Erfrischungen, empanadas (mit Milch, Fisch und Krautern) und torrejas.
Fronleichnam
Man ißt gefüllte Chillie-Schoten, pepia genannt. Diese Speisen werden entweder auf der Straße zubereitet und gegessen oder man ißt sie ausschließlich im Kreise der Familie.
Alle genannten Speisen kennzeichneten früher die Ernährungsgewohnheiten der soziokulturellen Gruppen städtischen Charakters.
Bezüglich der Speisen direkt für die Osterwoche kann festgestellt werden, daß sie sowohl Elemente der prähispanischen als auch der abendländischen Küche zeigen. Die Rezepte dieser Speisen sind sehr alt. Viele von ihnen wurden mit Pflichteifer von Generation zu Generation weitergegeben. Daß sie mitunter mit Geheimnissen verbunden sind, erschwert ihre Verbreitung über den Kreis der Familie hinaus, in deren Besitz sie sich befinden. Trotzdem kann festgestellt werden, daß sie in den letzten Jahren ziemlich bekannt geworden sind, vor allem deshalb, weil einige inzwischen keine familiären Rezepte mehr waren, sondern bereits zubereitet wurden, um sie auf der Straße zu verkaufen. Das geschieht beispielsweise mit den molletes und den empanadas. Allerdings verringert sich mit der Vermarktung die Qualität der Speisen.
Aber bis heute gibt es Gerichte, die nach wie vor ausschließlich im Kreis der Familie gegessen werden: torrejas, Fisch auf biskayische Art oder im Eimantel, tamalitos de viaje, mole und verschiedene Erfrischungen. Diese Speisen werden auch auf der Straße angeboten, doch haben sie dann niemals den authentischen Geschmack, der ihnen im privaten Kreis gegeben wird.
Laut den erfahrenen Köchinnen aus La Parroquia, La Candelaria und La Ermita, den alten Vierteln von Guatemala-Stadt, sind die folgenden Speisen (mit den zugehörigen Rezepten) typisch für die Osterwoche:
HOJUELAS (Fladen)
Zu anderthalb Pfund Mehl gibt man 14 Eier, den Saft einer Orange und ein wenig Salz. Alles wird sehr gut verrührt. Für die Zubereitung streut man Mehl in die Schüssel. Wenn der Teig nicht mehr klebt, werden die Fladen geformt und, in Orangensaft getränkt, gebacken. Nach dem Backen wendet man sie in weißem Mehl und verziert sie mit Fenchel. Nach Wunsch kann dem Mehl beim Kneten ein halbes Pfund sehr feiner Zucker zugegeben werden.
EMPANADAS (Pasteten)
(Rezept aus dem Kochbuch von Dona Julia Novella de Montana)
Für den Teig: 12 Unzen Mehl; 4 Unzen Weizenmehl, 6 Unzen Fett, 3 Eigelb, l Eiweiß, ein halbes Pfund Zucker, ein halber Teelöffel Salz, l achiote.
Für die Füllung: Dreieinhalb Gläser Milch, 3 Unzen Reis, eine kleine Stange Zimt, Salz und Zucker nach Geschmack.
Das Mehl wird mit dem geschmolzenen Fett verrührt. Dann wird es ein wenig beiseite gestellt, um die achiote, die ihm Farbe gibt, zu zerlegen, dazu die Eidotter, ein Eiweiß, ausgesiebter Zucker und Salz; das wird gemischt, geformt und mit einer weißen oder Kräuterspeise gefüllt. Auf einem Blech wird es im Ofen bei 180°C gebacken.
Weiße Speise für die Füllung: Zur gekochten Milch wird gewässerter Reis gegeben, dazu fein gemahlener Zimt, Salz, und Zucker nach Geschmack. Das kocht man unter ständigem Rühren. Wenn die Masse dickflüssig genug ist, d.h., wenn der Reis gut ausgequollen ist, nimmt man sie vom Feuer und läßt sie abkühlen. Dann werden die empanadas gefüllt.
MOLLETES (kleine Weizenbrote)
Von den Broten wird die Decke abgenommen und das Innere entfernt, so daß die Wände des Brotes recht dünn, aber noch fest sind. An die entfernte Brotkrume gibt man Sahne, Zucker und sehr fein gemahlenes Zimtpulver. Die noch leeren Brote werden mit einem Honig aus Wasser, Zucker und etwas Likör eingeweicht. Dann werden sie mit der aus der Krume hergestellten Paste wieder gefüllt, geschlossen, in Eier gehüllt und gebacken. Fertig gebacken werden sie in ein Gefäß mit dem erwähnten Honig gelegt und eine
Weile gekocht. ……
ALFAJOS (Lebkuchen)
In früheren Zeiten wurde in den Bäckereien in der Amargurastraße übrig gebliebenes Brot noch einmal gebacken und dann verkauft. Dieses Brot wurde verwendet, um Lebkuchen zu machen, obgleich ein jeder es selbst in seinem Haus hätte herstellen können.
Man zerreibt das aufgebackene Brot und gibt ihm noch etwas Ingwer zu. Dann bereitet man einen Honig aus Zucker, Wasser, ein wenig Sesam und ebenfalls Ingwer, welcher sehr wichtig ist. Wenn der Honig beginnt, körnig zu werden, füge man ihn nach und nach dem Brot bei, bis er fest geworden ist. Man kann das Ganze so belassen; besser ist aber, es in Dosen zu füllen.
GARBANZO EN DULCE (Süße Kichererbsen)
Die Kichererbsen werden einen Tag lang in Salzwasser eingeweicht. Man schält sie und kocht sie im geschlossenen Topf. Wenn man den Topfdeckel vorzeitig entfernt, „erstarren“ die Erbsen, d.h., sie werden nicht mehr gar. Aus Wasser, Zucker und Zimt bereite man den Honig, gebe die Kichererbsen dazu und bringe das Ganze zum Kochen.
BACALAO A LA VIZCAINA (Kabeljau auf biskayische Art)
Zutaten: 1 Dutzend gebratene Tomaten, 3 gebratene Chillies, 2 gebratene Knoblauchzehen, eine Zwiebel und 4 Pfefferkörner.
Alles wird verrührt, am besten auf einem Stein, und mit ein wenig Wasser passiert. Man brate acht Knoblauchzehen, nehme sie vom Feuer, wenn sie goldgelb sind, im selben Fett oder Öl brate man ein Pfund in feine Scheiben geschnittene Zwiebeln; wenn die Zwiebeln kristallklar werden (nicht goldgelb und nicht hart) gibt man die Soße dazu, die man gemischt hat. Das Ganze muß circa fünf Minuten kochen. Dann fügt man den zerlegten Kabeljau hinzu, der vorher gekocht wurde. Dazu gebe man Oliven. Die Platte, auf welcher der Kabeljau serviert wird, garniere man mit Scheiben von hartgekochten Eiern und Petersilienzweigen.
ANMERKUNG: Falls der Kabeljau sehr salzig ist, empfehlen die Köchinnen aus La Parroquia , ihn eine Nacht bevor er gekocht wird, in Wasser zu legen. Am folgende Tag wird das Wasser gewechselt. Dieser Wechsel sollte vor dem Zubereiten bis zu dreimal vorgenommen werden.
Celso A. Lara Figueroa aus: La Hora, 15. 3. 1996