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Bossarenova

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten
Rezension - Bossarenova (274 Downloads )

bossarenovaPaula Morelenbaum gehört zu den Stimmen des zeitgenössischen Bossa Nova in Brasilien. Von 1984 bis 1994 war sie Mitglied der „Novada Banda“ von Altmeister Tom Jobim. Ein besseres Zeugnis könnte eine Bossa-Nova-Sängerin wohl kaum haben. Zusammen mit ihrem Mann, Jaques Morelenbaum, arbeitet sie heute in verschiedenen Formationen und sie hat sich als Solistin einen Namen gemacht.

Das Hamburger Label SKIP hat jetzt ein Album mit Paula Morelenbaum und der SWR Big Band herausgebracht. Big Band und Bossa Nova, Orchester und Understatement – geht das zusammen? Auf jeden Fall klingt es interessant. Das Produkt heißt denn auch „bossarenova“ und wird von SKIP folgendermaßen beworben: „bossarenova“ beschreibt schon in seinem Titel den Ansatz des Arrangeurs Ralf Schmid, das mittlerweile 50 Jahre alt gewordene Gebäude des Bossa Nova zu entrümpeln, Erhaltenswertes mit behutsamen Modernisierungen zu restaurieren und mit einem neugierigen Blick Kompositionen freizulegen, die untrennbar mit der Erfolgsstory des Bossa Nova verbunden sind. Das klingt immer noch interessant. Als ich die CD dann in den Händen hielt, war ich zumindest etwas irritiert. „bossarenova“ ist kein Album der SWR Big Band mit Paula Morelenbaum, sondern laut Cover eines der SWR Big Band mit Ralf Schmid & Paula Morelenbaum. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich Ralf Schmid nicht. Jetzt, da ich das Album kenne, weiß ich, was er u.a. so macht. Meine Irritation hat das nicht verringert.

Damit keine Missverständnisse entstehen: „bossarenova“ ist kein schlechtes Album, aber gezündet hat es auch nach vielmaligem Anhören nicht. Das liegt jetzt nicht nur an den ca. 20 Trompetensoli von Joo Kraus. Eigentlich ist Joo Kraus mit seiner loungigen Trompete nur dreimal dabei, aber „gefühlt“ sind es mindestens 20 Mal. Das „loungig“ habe ich bei SKIP abgeschrieben, der Begriff trifft es ganz gut. Ich glaube, man sagt heutzutage loungig, wenn man Fahrstuhlmusik für Intellektuelle meint. Das verspielt sich so, plätschert so dahin, in hoher Qualität – sicher, aber ohne Ecken und Kanten. Loungige Musik ist halt gefällig, und das soll sie ja auch sein. Ich finde sie eher langweilig.

Aber zurück zu „bossarenova“. Am Bossa Nova mag ich vor allem sein Understatement, das ihn zum Bruder des Cool Jazz macht. In der Version von Ralf Schmid hört sich diese Musik dann doch etwas anders an: Da ist ein Trommeln, Trillern und Tirilieren, ein Setzen von Effekten, das es eine wahre Freude ist. Ich hatte ein Bossa-Nova-Album erwartet, und so war mir das alles zu überladen; umso mehr, weil mir ein „entrümpelter“ Bossa Nova angekündigt wurde. Schmid hat für meine Begriffe entrümpelt wie ein Messie, also nicht wirklich etwas weggeworfen, aber dafür zur Sicherheit noch etwas hinzugefügt. Mit anderen Worten: Er hat etwas zu sehr „brasilianisiert“, zu viele Klischees bedient, die man von brasilianischer Musik haben könnte. Das passt dann allerdings auch wieder zu der loungigen Trompete.

Mir gefallen jedenfalls die eher „randständigen“ Stücke von „bossarenova“ am besten. Da wäre zum Beispiel „Prá que chorar“ (Titel 10) zu nennen. Robert Schumanns romantisch-pathetisches „Ich grolle nicht“ (nach einem Gedicht von Heinrich Heine) ist kaum wiederzuerkennen. Paula Morelenbaum singt zurückhaltend und ohne Pathos von der verratenen Liebe. Hier sind wir bei der absoluten Stärke des Albums: Paula Morelenbaum. Diese Frau ist einfach gut! Mehr muss an dieser Stelle wirklich nicht gesagt werden. Im Übrigen entschädigen auch die Gesangsparts von Filó Machado (Titel 11 und 13) für Schmids „Brasilianisieren“.

Auch der Bonus-Track gehört zu meinen Favoriten. Bei „Soul Bossa Nova“ von Quincy Jones macht die SWR Big Band nicht in Brasilien, sondern ganz einfach in SWR Big Band. Voller Energie und ohne „loungige“ Trompete reißt dieses Stück wirklich mit, man sieht die Bläser förmlich vor sich, wie sie sich erheben, um ihren Part zu spielen. Ich bin, ehrlich gesagt, kein Fan des Big-Band-Sounds – aber hier, ganz zum Schluss, hat das Album dann doch noch gezündet.

Also, um ein Fazit zu ziehen: Wer ein Album sucht, mit dem er problemlos im heimischen Wohnzimmer und nicht ohne gängige musikalische Klischees nach Brasilien fliegen kann, liegt mit diesem genau richtig. Derjenige, der Bossa Nova erwartet, bekommt zumindest Paula Morelenbaum – und die lohnt den Erwerb von „bossarenova“ auch für den, der „entrümpelten“ Bossa Nova à la Ralf Schmid vielleicht nicht mag.

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SWR Big band; Ral Schmid & Paula Morelenbaum
bossarenova
Vertrieb / Label: Soulfood/ SKIP
Katalognummer: SKP 9089 – 2

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Deutsche Musikliebhaber haben im September noch dreimal die Chance, sich selbst ein Bild von der SWR Big Band & Paula Morelenbaum zu machen. Diese Möglichkeit sollte man sich nicht entgehen lassen – Live ist nun einmal nicht zu ersetzen.

11.09.2009: Baden-Baden/ Kurhaus
12.09.2009: Weinstadt/ Jahnhalle
14.09.2009: München/ Unterfahrt

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