Unmerkliche Verbrechen
Vielleicht haben die Lateinamerikaner ja eine besondere Vorliebe für die Mathematik bzw. die exakten Wissenschaften überhaupt. Nach „Das Klingsor-Paradox“ von Jorge Volpi liegt mit Guillermo Martínez‘ „Die Pythagoras-Morde“ nun das zweite Buch vor, in dem die Ma-thematik eine wichtige Rolle spielt. Wieder versuchen die Protagonisten, ihre Probleme mit Hilfe der exakten Wissenschaften zu lösen. Allerdings scheint mir das Ganze bei Martínez deutlich gelungener und schlüssiger. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Argentinier Guillermo Martínez nicht nur ein promovierter Mathematiker ist, sondern als Doktorand auch einige Zeit in Oxford war. Das heißt, er kennt den Handlungsort seines Romans nicht nur aus Nachschlagewerken.
Zur Geschichte: Guillermo, ein argentinischer Mathematikstudent, kommt nach Oxford, um dort seine Studien fortzusetzen. Kaum angekommen, „stolpert“ er über einen Mord. Ausge-rechnet seine Landlady, eine alte, gelähmte Frau, fällt diesem Verbrechen zum Opfer. Dieser Mord, so scheint es, wurde angekündigt, und zwar gegenüber einem bekannten Mathematiker. Verbunden war diese Nachricht mit einem geheimnisvollen Symbol. Und so ist man bald da-von überzeugt, dass es sich bei dem Mörder um einen verhinderten Mathematiker handeln muss, zumindest um jemanden, der sich in der Mathematik auskennt. Als dann noch zwei weitere Morde geschehen und bei den Opfern weitere Zeichen auftauchen, wird diese Hypo-these immer wahrscheinlicher.
Zusammen mit dem Mathematikprofessor Seldom, eben jenem, an den die Botschaften ge-richtet sind, versucht nun der Held, dem Geheimnis der Symbole auf die Spur zu kommen. Seldom, ein Kenner mathematischer Reihen, ist ihm dabei stets einen Schritt voraus, regt den jungen Studenten aber immer wieder an, die verschlüsselten Botschaften mit mathematischer Logik aufzudecken und so den Mörder zu entlarven.
Am Ende, das sei hier verraten, ist alles ganz anders als man hätte denken können. Und Guillermo weiß dann zwar, wer gemordet hat, aber viel weiß er deshalb doch nicht über die Ungeheuer, die von den Träumen der Vernunft hervorgebracht werden.
Martínez lässt seinen Helden die ganze Geschichte aus seiner Erinnerung berichten, ruhig und sachlich, auf das Wesentliche bedacht. Man kann Guillermo gut auf seinem Weg der Erkenntnis folgen. Nebenher erfährt man allerlei über Goedels Unvollständigkeitssatz, Occams Rasiermesser, den Bund der Pythagoräer und natürlich über mathematische Reihen. Das Buch handelt auch von der Logik der Wissenschaft. Damit erinnert es manchmal an Arthur Conan Doyle und seinen logisch und wissenschaftlich vorgehenden Sherlock Holmes. Aber im Ge-gensatz zu Doyle kennt Martínez die Arbeiten von Goedel und weiß um die Paradoxa der exakten Wissenschaften. Und so gelingt ihm eine spannende und scheinbar logische Geschichte, in der sich der Leser allerdings alsbald getäuscht sieht.
Als ärgerlich an dem Buch erweist sich allerdings, dass es ihm an einem aufmerksamen Lektor mangelte. „Sinn machen“ oder „bejährt“ (um nur zwei Beispiele zu nennen) ist – wir sind mal nett – schlicht und einfach schlechtes Deutsch. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen. Und da wir gerade dabei sind: Wem ist eigentlich dieser dämliche deutsche Titel eingefallen?
Die Pythagoras-Morde
Guillermo Martínez
Eichborn Verlag
Frankfurt am Main 2005
ISBN 3-8218-0950