Ausgangspunkt für eine historische Ortsbestimmung der Zäsur 1492 ist zunächst die Einordnung der Seefahrten von Kolumbus nach Amerika, die eingedenk der langen Vorgeschichte des Kontinents weder eine „Entdeckung“ waren, noch eine „Neue Welt“ den Europäern präsentierten. Ungeachtet der Verdienste von Kolumbus wird von Kossok darauf verwiesen, dass „dieses Ereignis und seine Folgen eben nur ein Teil eines wesentlich umfassenderen Prozesses gewesen sind,…. dessen Wurzeln auf das 13. und 14. Jahrhundert zurückweisen.“ Zugleich wird auf weitere Ereignisse der spanischen Geschichte des Jahres 1492 verwiesen, wie die Eroberung Granadas und die Niederlage der letzten Bastion der zweihundertjährigen islamen Macht in Westeuropa und die Aufwertung des Kastilischen als spanische Hochsprache durch Einführung der ersten Grammatik einer lebenden Sprache. Wenngleich beide Ereignisse nicht zuletzt wegen der welthistorischen Folgewirkungen bis in die Gegenwart hinein durch die Kolumbusfahrten überdeckt wurden, so erhielten sie doch gleichsam symbolische Bedeutung in einem Prozess der Verlagerung des Zentrums der Menschheitsgeschichte vom Osten in den aufsteigenden Westen. Damit entstand „ein Hegemoniesystem von neuer historischer Qualität“. „Zunehmend gliederte sich die Welt in Subjekt- und Objektregionen“ in einem System von weltumspannenden Abhängigkeiten. Als Beleg dafür wird der 1494 zwischen den beiden Seefahrernationen Spanien und Portugal geschlossene Vertrag von Tordesillas angeführt, der die Aufteilung der Welt in eine östliche und eine westliche Hemisphäre besiegeln sollte. Doch bereits wenig später traten die Kolonialmächte Niederlande, Frankreich und England als Konkurrenten auf die Bühne der Weltpolitik.
Eine ausgewogene Betrachtung der Bedeutsamkeit des Jahres 1492 stellt aus der Sicht von Kossok die Frage nach dem Preis für den Fortschritt. Letztlich hat der Westen über den Osten triumphiert, weil die moderne Zivilisation eine neue Dimension der Naturbeherrschung und -ausbeutung beförderte, Formen extremer Selbstausbeutung – erstmals mit der industriellen Revolution – entwickelte und über ein weltweites Kolonialsystem die Aneignung der Ressourcen aus der „Peripherie“ betrieb. „Nicht das Christentum der Bergpredigt, sondern der bedingungslose Unterwerfungsanspruch einer Herrschaftsreligion begegnete den Bewohnern der kolonisierten Gebiete.“ Ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Völkermord an 50 Millionen Ureinwohnern Mittel- und Südamerikas sowie weiteren 50 Millionen afrikanischen Sklaven waren die unmittelbare Folge der Eroberung des amerikanischen Kontinents. Dieser Preis für Europas Fortschritt unterliegt jedoch allzu oft der Verdrängung.
Vor diesem Hintergrund stellt Kossok die Frage, ob es wirklich so selbstverständlich – wie im eurozentristischen Bewusstsein wahrgenommen – war, dass Europa am Ende des 15. Jahrhunderts die Weltvorherrschaft übernahm? Als Ursache für diese Entwicklung werden neben der Stärke Europas gleichsam die „Schwäche oder Umorientierung seiner möglichen Konkurrenten“ wie dem Islam und China angeführt. Schließlich werden die kulturellen Folgen der Eroberung des Kontinents beleuchtet. Alle vier einheimischen Kulturen des Amerika zur Zeit der Seefahrten von Kolumbus, jede auf einer anderen Entwicklungsstufe und in anderer regionaler Verankerung wurden zerstört und zugleich meist gewaltsam in die westliche Kultur eingebunden. Damit wurde der Untergang der primären Hochkulturen der Azteken, Maya und Inka, der sekundären Hochkulturen, der indigenen Kulturen sowie der Kultur der Jäger- und Sammlervölker besiegelt. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen betrachtet Kossok in der Polemik um das Fünfhundertjährige Reich die Problemstellung als legitim, inwieweit“ mit der Vernichtung und Deformierung autochthoner Kulturen … im Zeichen der europäischen Hegemonie… mögliche Alternativen, unterschiedliche Lebenswelten und andere Wege der Menschheitsentwicklung“ verloren gegangen sind. Um Lehren aus diesem Kapitel Menscheitsgeschichte zu ziehen, sind zum einen die Europäer daher aufgefordert, entgegen eurozentristischem Denken den Traditionen und Erfahrungen nichteuropäischer Kulturen Raum zu bieten. Zugleich ist es an den ehemals kolonisierten Völkern, ihre eigene Identität zwischen westlicher Zivilisation und kultureller Tradition neu zu bestimmen. Zum anderen reicht es offensichtlich nicht aus, auf kulturelle und ethnische Selbstbestimmung zu setzen, wenn eine hegemonial bestimmte Weltgeschichte durch eine „demokratisch strukturierte Globalgeschichte“ abgelöst werden soll. Die Sicherung der Überlebensfähigkeit der Menschheit muss, so Kossok, an die Überwindung der Teilung von „Peripherie“ und „Zentrum“, an „das Erfordernis einer Demokratisierung des Systems der inneren wie der äußeren politischen und wirtschaftlichen Beziehungen, die den regionalen, nationalen und lokalen Gesellschaften und Kulturen möglichst gleiche (eben selbstbestimmte) Chancen einräumen“, gekoppelt sein. Der bis heute anhaltende und sich verschärfende Nord-Süd-Konflikt mit verheerenden Langzeitwirkungen steht dieser Forderung diametral entgegen. Eine Festung Europa setzt falsche Zeichen. Die Erinnerung an 1492 gebietet heute nachdrücklich die Umkehr der bisherigen Entwicklungslogik in der Menschheitsgeschichte.