Globalisierung, Liberalisierung, Privatisierung
Der gegenwärtige Weltwirtschaftsprozeß der letzten 10-15 Jahre wird als Globalisierung bezeichnet. Damit wird das Phänomen benannt, daß der Geld- und Warenverkehr der nationalen Ökonomien, und zwar aller nationalen Ökonomien, so stark in den internationalen Geld- und Warenverkehr eingebunden ist wie noch nie zuvor. Diese Veränderung hin zu einer, nicht nur wirtschaftlich, sondern insgesamt neuen Weltordnung ist im wesentlichen auf vier Faktoren zurückzuführen:
1. die Liberalisierung der Märkte zwischen den Volkswirtschaften und innerhalb der Länder
Die Liberalisierung des Welthandels wird 1995 durch die Schaffung der WTO (World Trade Organisation), der Welthandelsorganisation, politisch auf den Punkt gebracht. Ein bezeichnender Unterschied zur Vorläuferorganisation GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) besteht darin, daß nun auch die Agrarprodukte ohne Zollgrenzen und ohne nationale Protektionsmaßnahmen für einheimische Landwirte international gehandelt werden sollen. Mit anderen Worten, inzwischen ist kein einziger Bereich mehr vom sogenannten freien Welthandel ausgeschlossen – formal zumindest, denn in Wirklichkeit hängen die Förderung oder Behinderung von Export und Import mehr denn je von der politischen und ökonomischen Macht der einzelnen Regierungen ab. Auch innerhalb der Länder setzt sich immer mehr eine Wirtschaftspolitik durch, die sich darauf beruft, daß die Marktmechanismen die Wirtschaft von alleine regeln würden. Entsprechend werden staatliche Eingriffe in das volkswirtschaftliche Geschehen zurückgenommen, es wird dereguliert. Diese Politik des Neoliberalismus wird klassischer Weise vom Abbau sozialstaatlicher Zuwendungen an benachteiligte Bevölkerungsgruppen und vom Abbau rechtsstaatlicher Schutz- und Sicherungsverordnungen für Lohnabhängige begleitet. Auf diese Weise soll die nationale Lohnarbeitskraft verbilligt werden, um die Kapitalinvestitionen in den jeweiligen sogenannten Wirtschaftsstandorten attraktiv zu machen.
2. die Privatisierungswelle
Ein weiteres Phänomen der Neoliberalisierung und der punktuellen Entstaatlichung ist die Privatisierung von ehemaligen Staatsbetrieben, von Post, Eisenbahn und Telefon. Auch gemeinschaftliche Bodenbesitzverhältnisse werden zur Privatisierung freigegeben, so etwa das Ejido in Mexiko, das den einheimischen Bauern immer noch den Zugang zum Land, der Überlebensbasis der Mehrheit der Bevölkerung, sicherte. Seit dem Niedergang des realen Sozialismus scheint die Privatisierung weltweit auch ideologisch kaum noch zu bremsen zu sein. Die Entstaatlichung geschieht allerdings nur punktuell, d.h. der Staat entledigt sich zwar zunehmend seiner Funktion als ausgleichender Vermittler zwischen Lohnarbeit und Kapital und insgesamt zwischen den sozialen Gruppen, die polizeistaatliche Kontrolle über die Rechte des Privateigentums jedoch wird deshalb nicht weniger. Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung (GLP) kennzeichnen die Weise, wie der gegenwärtige Weltwirtschaftsprozeß politisch hergestellt wurde und wird. Die beiden anderen Faktoren liegen auf einer mehr technischen und mehr weltanschaulichen Ebene.
3. die elektronische Kommunikationstechnologie oder Computervernetzung
Durch die Computertechnologie werden Daten mit Lichtgeschwindigkeit von einem Kontinent zum anderen übertragen, mit ändern Worten: Raum und Zeit hinsichtlich der Information schrumpfen zu einer einzigen „Weltzeit“ zusammen. Während die Büroangestellten eines Weltunternehmens in Manhattan gerade schlafen, bearbeiten ihre Kollegen in Hongkong die gleiche Aufgabe weiter, um die Staffel dann an London abzugeben. Dank der schnellen Datenübertragung in sogenannter „Echtzeit“ sind heutzutage Gewinne durch Kursdifferenzen zu erzielen, welche nur für wenige Minuten zwischen der New Yorker und der Frankfurter Börse bestehen. Mit diesen Beispielen sind zugleich zwei entscheidende Aspekte der globalisierten Weltwirtschaft angesprochen: einmal die Kapitalkonzentration und die Beherrschung der Märkte durch die TNK (transnationale Konzerne) und zum anderen die wachsende Bedeutung der Finanzgeschäfte.
4. der Zusammenbruch des realen Sozialismus
Der Zusammenbruch des Sozialismus hat dazu geführt, daß sich die großen westlichen Wirtschaftsmächte der G 7 die gesamte Welt nun ungebremst nach Einflußzonen aufteilen konnten, in denen das große Kapital immer freier operiert. Begonnen worden war diese Politik nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Schaffung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (IBRD), und sie wurde in den letzten Jahren mit den internationalen Verhandlungen um GATT/WTO vervollkommnet. Es kommt vor allem zu „strategischen Allianzen“ zwischen den TNKs (transnationale Konzerne). So vereinigen die Länder der G 7 80% der weltweiten Direktinvestitionen auf sich. Auf diese Weise erklärt sich auch, daß sich der Anteil der westlichen Industrieländer am – in US-Dollar berechneten – Weltsozialprodukt , trotz ihres schwachen Wachstums, von 68% im Jahre 1965 noch weiter auf 72% in den 80er Jahren gesteigert hat. Die Hälfte des weltweiten Handels entfällt heute auf finanziell untereinander verflochtene Unternehmen. 90% dieser MNK (multinationale Konzerne) haben ihren Sitz in der Ersten Welt, und die 100 mächtigsten unter ihnen dominieren auf allen Ebenen. Die zentralen Länder beherbergen zusammen zwar nur 12% der Weltbevölkerung, verfugen aber über 60% der Weltproduktion und sind verantwortlich für 51% der Weltmilitärausgaben.
Im Zuge der Globalisierung haben sich die Volkswirtschaften, vor allem der weltwirtschaftlich dominierenden Länder, in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich verändert. Sie sind auf dem besten Weg, sich von Waren- in Dienstleistungsgesellschaften zu verwandeln. Die sichtbaren Transfers, also der Warenhandel, verlieren in der Leistungsbilanz der Länder gegenüber den unsichtbaren Transfers (Bankenwesen, Versicherung). In den USA wurden Ende der 80er Jahre bereits 69%, in Deutschland 59% und in Japan 56% des BSP nicht mehr als Güter, sondern als Dienstleistungen erzeugt. Das Finanzwesen ist dabei zu erheblichem Maße an der Verschiebung beteiligt. So ist in den USA, die in dieser Hinsicht am weitesten fortgeschritten sind, der Anteil des Finanzsektors am BSP von 1970 : 18% auf 1990: 25% gestiegen. Ein erheblicher Teil des Zuwachses ist auf internationale Finanzgeschäfte zurückzuführen.
Die internationalen Finanz-, Devisen- und Warenterminmärkte jedoch, die eigentlich nur Schmiermittel für den Welthandel sein sollten, verselbständigen sich in besonderem Maße und sind weitgehend der Kontrolle der nationalen Finanz- und Wirtschaftsbehörden entzogen. Spätestens seit dem Zusammenbruch der englischen Baringsbank bereitet diese Entwicklung den Wirtschaftspolitikern – und nicht nur ihnen – erhebliche Kopfschmerzen, denn ein Großteil dieser Geschäfte sind reine Spekulationsgeschäfte. Letztlich aber haben die international operierenden Finanzinstitute zusammen mit den MNK’s inzwischen die Politiker in der Hand und nicht mehr umgekehrt. Allein die drei größten amerikanischen Rentenfonds – die heutigen Big Three: Fidelity Investments, Vanguard Group und Capital Research & Management – kontrollieren schon 500 Milliarden Dollar. Wenn man bedenkt, welche Mühe es die G 7 – Regierungen gekostet hat, die 50 Milliarden US Dollar zusammenzubringen, um Anfang des Jahres 1995 den Staatsbankrott Mexikos abzuwenden, dann kann man sich eine Vorstellung von den Dimensionen und der Macht der privaten Kapitalkonzentration machen.
Wie wirkt sich die neue Weltwirtschaftsordnung auf Frauen aus?
Geht es ihnen angesichts der Tatsache, daß der Dienstleistungssektor traditionell schon immer Frauendomäne war, nun, da er sich ausweitet, besonders gut? Nimmt die Frauenarbeitslosigkeit folgerichtig ab? Sind sie diejenigen, die die Provisionen der Bankgeschäfte einstreichen, da die Beschäftigung von Frauen im Bankengewerbe zugenommen hat und insgesamt ihre Büroarbeitsplätze doch die ersten waren, die computerisiert wurden? Nein, sagt die Internationale Arbeitsorganisation. „Es ist immer noch so, daß es eher die Frauen sind, die als letzte eingestellt und als erste gefeuert werden“, berichtet die Leiterin der ILO-Delegation auf der Weltfrauenkonferenz in Peking. Es stimmt zwar, dass Frauen vor allem Beschäftigung im Dienstleistungssektor finden, aber die wird zu recht als Jobs“ bezeichnet. Es handelt sich dabei vor allem um die gering bezahlten Tätigkeiten als Verkäuferin, als Serviererin, als Putzfrau oder in der Bank in den repetitiven Sortierungsjobs. Außerdem leisten Frauen mehrheitlich Teilzeitarbeit, in Deutschland zu 90%, die aber schlecht bezahlt, vor allem sozial schlecht gesichert ist, nachdem die Gewerkschaften die Teilzeitarbeit immer diffamiert haben und lieber für den männlichen Familienverdiener mit der 35 Stunden-Woche mobilisiert haben. Tatsächlich haben wir diese Verhältnisse auf dem Kongreß „Zukunft der Frauenarbeit“, den eine Gruppe von Bielefelder Frauen 1983 organisiert hat, vorausgesagt. Uns war klar, daß die Bezahlung und die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen nicht von der Tätigkeit oder dem Arbeitsbereich abhängen, sondern von den patriarchalen Machtverhältnissen, wie die Gewerkschaften fast nicht müde werden, immer wieder neu zu beweisen, zuletzt, indem das Motto für den l .Mai 1993 „Frau geht vor“ doch wieder gekippt wurde, weil ein leitender Herr des DGB zu diesem Thema nicht sprechen wollte. (Es war der Vorsitzende Steinkühler, der später wegen einiger unangemessener Bereicherungen gehen mußte.)
Dort, wo Tätigkeiten als niedrig erachtet werden, sind Frauen zu finden und dort, wo mehrheitlich Frauen arbeiten, wird es niedrig. Wir haben es dabei mit einem kulturellen, weltanschaulichen Werteproblem zu tun. Weder die globalisierte Weltwirtschaft noch die neuen Kommunikationstechnologien noch das Ende des Kalten Krieges bringen eine neue Weltordnung für Frauen mit sich, die weniger oder – wie Frau immer noch zu hoffen wagt – gar nicht patriarchalisch wäre. Im Gegenteil, die Phase, in der wir gegenwärtig leben, zeichnet sich geradewegs durch eine Zuspitzung der Mechanismen der sozialen Ausgrenzung aus, die der industriellen kapitalistischen Produktionsweise eigen sind. Und es sind die Frauen, die am meisten und als erste darunter leiden, denn ihre Unterordnung und die Plünderung der weiblichen Potenzen sind der Dreh- und Angelpunkt der kapitalistischen Akkumulation. Der Abstand zwischen den unteren und oberen 20% der Weltbevölkerung, die jeweils am ärmsten und am reichsten sind, hat in den sogenannten Entwicklungsdekaden seit 1960 ständig zugenommen, so daß die Reichen 1989 gleich 60mal soviel verdienen wie die Armen (womit sich der Abstand seit 1960 verdoppelt hat). 70 % der 1,3 Millarden Armen, die immerhin insgesamt zwischen 1/5 und 1/4 der Menschheit ausmachen, sind weiblich, die überwältigende Mehrheit der Armen sind also Frauen mit ihren Kindern.
Strukturanpassungsmaßnahmen, jobless growth und die Feminisierung der Armut
Auch in den metropolitanen Ländern tut die Politik der GLP ihre Wirkung. Eingeübt als Entwicklungspolitik gegenüber den Ländern der Dritten Welt, kehrt sie wie ein Bumerang zurück. In den späten 70er und frühen 80er Jahren wurden den unterentwickelten Ländern billige Auslandsanleihen geradezu aufgedrängt. Wie bereits in den USA, wo Truman 1947 die Entwicklungspolitik ausgerufen und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Weltbank geschaffen hatte, gab es zu diesem Zeitpunkt in den Industrieländern frei verfügbares Kapital, das sich nicht besser hätte verzinsen lassen können.
Aber beginnend 1982 mit Mexiko, haben die meisten Länder des Südens nun zunehmend Schwierigkeiten mit der Zinszahlung und Tilgung ihrer Auslandsschulden. Die sog. Schuldenkrise bricht an, und mit ihr setzen die massiven Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand ein. IWF und Weltbank, die 1945 eingesetzten Garanten für das Funktionieren einer „freien“ Weltwirtschaft, treten in Aktion. Dem neoliberalen Credo dieser beiden mächtigen, sogenannten internationalen Finanzbehörden zufolge, das da lautet: die private unternehmerische Initiative und das ungebremste Wirken der freien Kräfte des Marktes bringen den großen wirtschaftlichen Aufschwung, betreffen die Sparmaßnahmen vor allem den Sozialbereich, d.h. die öffentliche Wohlfahrt, das staatliche Gesundheits- und Erziehungswesen und die Zuschüsse für Grundnahrungsmittel. Daß nun ausgerechnet alleinstehende Frauen mit ihren Kindern von der Wohlfahrt abhängen, daß 2/3 der Analphabeten dieser Welt Frauen sind, und daß die öffentliche medizinische Versorgung gerade dort sowieso schon am geringsten ist, wo Frauen sie am meisten brauchen, als Gebärende und für Kleinkinder oder auch als Betroffene von Dauerleiden, die die ungefähr 110 Millionen Frauen in Afrika infolge von Klitoris- und Genitalbeschneidung zu erleiden haben, all das ist weit davon entfernt, eine Änderung des internationalen ökonomischen Kurses zu bewirken. Das Gegenteil ist in den 90er Jahren der Fall: Immer mehr Regierungen schließen sich der neoliberalen ökonomischen Theorie an, sicher auch verursacht durch den vermeintlichen Sieg der freien Marktwirtschaft über den Sozialismus.
Die skizzierte Sparpolitik, „Strukturanpassung“ genannt, wird durch Weltbank und IWF von den Regierungen gefordert, bevor neue Kredite vergeben werden, häufig, damit die alten zurückgezahlt werden können, was dann „Umschuldung“ heißt. Daß diese Politik tatsächlich die Volkswirtschaften stützen und nicht den nationalen Ruin herbeiführen soll, ist angesichts der Lage vieler Länder eine echte Frage des Glaubens. Allein in den vergangenen Jahren haben IBRD und IWF mehr Geld von den hochverschuldeten, ärmeren Ländern erhalten, als sie je an diese ausgezahlt haben.
Es ist wichtig zu verstehen, daß die Globalisierung kein Prozeß ist, zu dem die Kapital- und Weltmarktentwicklung gleichsam naturwüchsig hindrängen würde, sondern daß sie das Ergebnis einer Politik ist, die von den großen Wirtschaftsmächten und den von ihnen majorisierten internationalen Organisationen betrieben wird und die von der Mehrheit der Bevölkerung der metropolitanen Länder widerspruchslos mit getragen wurde. Aber die Mittäterschaft rächt sich. Inzwischen haben die Sparmaßnahmen auch uns erreicht und zwar aus demselben Grund wie in der Dritten Welt auch: Die öffentliche Verschuldung ist zu hoch, und die MNK sind durch die internationale wie die nationale Wirtschaftspolitik so erstarkt (GATT, WTO, EU, NAFTA, Neoliberalismus), daß allein ihre Interessen die volkswirtschaftlichen Entscheidungen bestimmen. Die Unternehmer sagen es ganz deutlich: die Löhne müssen runter, die Besteuerung der Gewinne muß runter, und entsprechend müssen natürlich die Sozialausgaben runter. Die deutsche Regierung wiederum ist bemüht, diese Forderungen Zug um Zug umzusetzen, vorgeblich zum Wohle aller, denn es gehe darum, den „Wirtschaftsstandort Deutschland“, das heißt seine hohe Exportquote und seine Attraktivität für Kapitalanleger, zu erhalten, was bislang auch gelingt. Die Exporte boomen, die großen Firmen machen rauschende Gewinne, nur die Zahl der Arbeitslosen nimmt ebenso zu. Steuergeschenke in Form von Investitionshilfen und Infrastrukturmaßnahmen aus öffentlichen Geldern, verbunden mit Rationalisierungen und Umstrukturierungen führen zum „jobless growth“, dem Gewinnwachstum ohne Schaffung von Arbeitsplätzen.
Betrug der Anteil der Sozialausgaben am Bruttosozialprodukt Anfang der 80er Jahre noch 33%, so sind es 15 Jahre später nur noch 30%. Die wirtschaftliche Lage von Haushalten, in denen allein Frauen für das Einkommen zu sorgen haben, hat sich entsprechend gegenüber 1980 verschlechtert. Schon jetzt liegen die Frauenlöhne in Deutschland bei nur 66,8% – 73,2% der Männerlöhne und erreichen 53% der Frauen, die wöchentlich 40 Std. und mehr arbeiten, kein ,existenzsicherndes Einkommen (es liegt unter 1800 DM, davon ca. 50% mtl. für Miete), ganz abgesehen von den Teilzeitarbeitenden, die, wie gesagt, fast ausschließlich Frauen sind. Die wirtschaftliche Lage von Haushalten, in denen allein Frauen für das Einkommen zu sorgen haben, hat sich gegenüber 1980 verschlechtert. Gleichzeitig nimmt die Zahl der alleinerziehenden Mütter stark zu. Seit 1980 kamen mehr als eine Million Haushalte hinzu, in denen Frauen die einzigen Verdiener sind. Sie machen heute ein Fünftel aller Haushalte aus. Damit bestätigt sich bei uns ein weltweiter Trend. Gerade in der Dritten Welt nehmen die sog. „female headed households“ zu. Daß, nachdem der männliche Brotverdiener massiv durch die Entwicklungspolitik geschaffen worden war, dadurch daß Kredite, Ausbildung und schließlich auch die Ressourcen selbst in solchen Bereichen zu Händen der Männer gingen, in denen sie traditionell gar nicht gearbeitet haben, kommt es zur Feminisierung der Armut und zwar nicht nur im Süden, sondern auch im Norden.
Die Grundlage der Wachstumswirtschaft ist frauenfeindlich
Der kulturelle, weltanschauliche Dreh- und Angelpunkt der Mechanismen, die Frauen wirtschaftlich an den Rand drängen, ist das moderne Naturverhältnis. In der modernen Gesellschaft wird „Natur“ nur als ein Ressourcen-Reservoir gesehen, das ausgebeutet werden muß, um sie überhaupt erst fruchtbar werden zu lassen.
Nur das künstlich Hergestellte, das Gemachte wird als produktiv angesehen, also als wirtschaftlich im eigentlichen Sinn, als das, was das Leben erhält. Die naturgegebene Fruchtbarkeit hingegen wird gering geschätzt und sollte, wie Bacon sagte, gefoltert werden, damit sie ihre Geheimnisse preis gibt, aus denen dann abgegrenzte Naturgesetze formuliert werden, die die Basis für die unendliche Multiplikation und Massenproduktion sind. Vor der Neuzeit war Natur als Mutter Erde verehrt worden. Durch den Umschwung zur mechanistischen Weltsicht mit ihrer ausschließlichen Hochachtung gegenüber der künstlichen Produktion, verliert das mütterliche Prinzip an Wertschätzung und Autorität. Folge ist die gnadenlose Umweltzerstörung und die soziale und ökonomische Unterordnung der Frau.
Die Verknüpfung der symbolischen Ebene, auf der Natur als weiblich-mütterlich identifiziert wird, und der realen Ebene, auf der dieses Bild auf die Frau übertragen wird, ist kein rein ideologisches Phänomen, sondern gerade in seiner negativen Variante ein historischer Fakt. Die Entstehung des mechanistischen Weltbildes wird von der Hexenverfolgung, durch die ganze Landstriche von Frauen entvölkert wurden, begleitet, ebenso wie von der Conquista, der kriegerischen Eroberung und wirtschaftlichen Plünderung der sog. „Naturvölker“. Und die Verquickung der beiden Ebenen, Wirtschaftskrieg und weibliche Unterordnung, wird bis heute kulturell immer wieder neu hergestellt.
Die Vorstellung von der Wirtschaft als einem Kampf aller gegen alle, geht mit einer geschlechtsspezifischen, sozialpsychischen Legitimation einher. Die Wirtschaft, die ja immerhin die alltägliche Verwirklichung der Menschen ist, wird in unserem Weltbild abgespalten vom eigentlichen Leben. Ihr wird zugestanden, daß es in ihr vorgeblich notwendig, hart und rücksichtslos zugehen muß, weil es den anderen, eigentlichen Teil des Lebens gibt, in dem menschliche Wärme und Liebe regieren. Dieser Bereich wird der Frau zugeschrieben, während der Wirtschaftskrieg Aufgabe des Mannes sei. Auf diese Weise verfestigt das hierarchische Geschlechterverhältnis die Maximierungswirtschaft und umgekehrt. Ohne wirtschaftliche Ausgrenzung der Frau auch keine Freie Marktwirtschaft, kein Kapitalismus und keine Globalisierung.
Hausfrauisierung und Globalisierung
Die Trennung in private und öffentliche Arbeitsbereiche ist das herausragende Prinzip des kapitalistischen „Bauplans“. Wir kennzeichnen es auch als Trennung von Subsistenz- und Warenproduktion . Diese Aufteilung geschieht zugleich geschlechtsspezifisch. In der Tendenz leisten Frauen die subsistenzproduzierenden Arbeiten, die zugleich unbezahlt sind bzw. kein Geld einbringen, während Männer die warenproduzierenden Tätigkeiten übernehmen. Frauen kümmern sich um Kinder und Alte, um das Essen, die Kleidung, die Wohnung, kurz, um jene Dinge, die wirklich notwendig sind zum Leben. Auch in der bäuerlichen Wirtschaft in Zentraleuropa, in der sich die männliche Arbeit für die Selbstversorgung und in der Produktion unmittelbar notwendiger Lebensmittel sowie die Verflechtung von Subsistenz- und Warenproduktion (Vermarktung von Überschüssen von Frau und Mann) am längsten gehalten haben, setzt sich in diesem Jahrhundert die Trennung endgültig durch. Die Landwirtschaft industrialisiert sich, Männer arbeiten für cash crops und Biomasse, während die Frau für die Eigenversorgung und den Haushalt zuständig ist.
Wir haben diesen Prozeß „Hausfrauisierung“ genannt. Er verläuft historisch parallel und komplementär zur Proletarisierung, wobei damit weniger die de-facto-Verwandlung aller Frauen in (nur-)Hausfrauen gemeint ist, als vielmehr die patriarchal-gesellschaftliche Zuordnung der Frau. Ihr Platz in der Gesellschaft wird als dem des Mannes untergeordnet definiert und ist nicht in erster Linie durch ein tatsächliches ökonomisches Verhältnis, sondern durch Machtmechanismen bestimmt, dem feudalen Ständesystem oder einem Kastensystem ähnlich. In Wirklichkeit waren Frauen nie, vor allem mehrheitlich nicht nur Hausfrauen, sondern sie mußten und müssen immer auch für ein Geldeinkommen arbeiten.
Dennoch sorgt ihr Hausfrauenstatus dafür, daß sie, unter anderem als Zuverdienerinnen abgestempelt, in der Erwerbsarbeit geringer bezahlt und schlechter gestellt sind als Männer. Im Gegensatz zu der verbreiteten Ansicht, daß die Proletarisierung, die Verwandlung der Arbeitenden in Lohnarbeiter, den Fortgang der kapitalistischen Produktionsweise markiere, sind wir der Meinung, daß die Hausfrauisierung historisch wie aktuell die Zukunft der Arbeit vorauszeichnet.
Die ersten typisch globalisierten Arbeitverhältnisse waren diejenigen in den Weltmarktfabriken. Angefangen vor ungefähr 25 Jahren bis heute handelt es sich dabei zu 80 – 90 Prozent um meist junge Frauen, die in den Freien Produktionszonen (FPZ) verschlissen werden. FPZ heißt, daß in einem Grenz- oder Hafengebiet eines Dritte-Welt-Landes besondere Anreize für die Investition von internationalem Kapital geschaffen werden. Es handelt sich in der Regel um Steuerbefreiung, Zusagen über freien Transfer der Gewinne und die Befreiung von sozialgesetzlichen Arbeitsschutzmaßnahmen und Umweltauflagen. Junge Frauen werden als geeignete Arbeitskräfte unter diesen Bedingungen, die keinerlei Perspektive für einen dauerhaften Lebensunterhalt bieten, angesehen, da sie später sowieso Ehefrauen, Hausfrauen und Mütter würden.
Im Zeitalter der Globalisierung ist das Kapital multinational, die Arbeitsgesetze werden schrittweise aufgeweicht, die großen Unternehmen hingegen staatlich massiv gestützt, die Arbeitsverträge werden flexibilisiert und die Altersund Rentensicherung wird prekär.