Er hat wohl nicht mehr den allerbesten Ruf, dieser theobroma cacao. Göttertrank- das müssen wirklich andere Zeiten gewesen sein, als Linné diesen Namen erfand. Wer denkt bei Kakao wohl noch an Götter? Kakao – heutzutage wird man bestenfalls durch selbigen gezogen. Ansonsten ist er Kinderkram, das ideale Getränk für jeden Kindergeburtstag. Fast undenkbar, dass jemals Erwachsene das Kakaotrinken zelebriert haben sollen. Und doch haben sie. Aber das ist eine ganz alte Geschichte…
Vor langer/ langer Zeit, als man in unseren Breiten noch Wasser und Met trank, aber wahrscheinlich vor noch viel längerer Zeit, lebte einst ein Volk in Südamerika, das man heute Mayas nennt. Wie diese Menschen sich damals selbst nannten, wissen wir heute natürlich gar nicht. Jedoch wissen wir (oder glauben dies zumindest), dass das Volk der Mayas eines Tages beschloss, gen Norden zu wandern. Als sie nach langen Wanderungen zu einer großen Halbinsel kamen, die wiederum wir heute Yukatán nennen (wie die Mayas sie nannten … aber das hatten wir schon), waren sie des Wanderns müde, und da es ihnen in Yukatán ach so gut gefiel, faßten sie den Entschluss, künftig an diesem Ort zu leben. Und sie schufen wunderschöne Städte und auf ihren Feldern bauten sie eine Pflanze an, die sie auf der weiten Reise mitgeführt hatten – den Kakao …
Um es kurz zu machen: Wir vermuten natürlich nur, dass der Kakao mit den Mayas nach Yukatán kam. Tatsache ist, dass sie die Kakaopflanze, die in der Äquatorregion Südamerikas zu Hause ist, als erste kultivierten. Übrigens in des Wortes doppelter Bedeutung: Kakao diente neben dem Genuss auch kultischen Zwecken. Die Tolteken und Azteken übernahmen Pflanze und Brauchtum. Und von ihnen gelangte sie dann zu den Spaniern. Auch der Name Kakao* ist der Azteken-Sprache entlehnt.
Die Mayas (und auch die Azteken) hatten zum Kakao eine sehr praktische Beziehung, sie nutzten ihn als Zahlungsmittel. Der Pek genannte Kakao, der von eher minderer Qualität war, diente als Geld, während die Sorten hoher Qualität dem Verzehr vorbehalten waren. Vielleicht kommt ja daher die Auffassung vom Geld als einem wirksamen Aphrodisiakum. Wer viele Kakaobohnen besaß, war eben wirklich reich und … na lassen wir das. Auf jeden Fall kann man Kakao tatsächlich genießen, im wahrsten Sinne des Wortes. Beim Geld gelingt das wohl nur Dagobert Duck.
Zudem enthalten Kakaobohnen 40-53% Fett, 15% Eiweiß, 8% Stärke, 7% Gerbstoffe und die Alkaloide Theobromin und Koffein. Ich spare mir jetzt alle Ausführungen über Anbau, Ernte und Verarbeitung. Nur soweit: Diese Bestandteile machen Schokolade nahrhaft und regen Körper und Geist an. Den Glauben an ihre aphrodisierende Wirkung haben die Spanier vermutlich von den Mittelamerikanern übernommen. Anfangs wurde die Schokoladenkultur nur im Einflussbereich der Allerkatholischsten Majestät gepflegt und trat von dort aus ihren Siegeszug durch die Fürstenhäuser Europas an. Kakao war das Genussmittel par excellence für den Adel; man legte sich wohlig zurück, trank seine Schokolade und ließ sich anregen. Natürlich nicht zur Arbeit. Wer arbeiten wollte, bevorzugte Kaffee. Es war dann auch das arbeitsame, dem Genuss abholde Bürgertum, das der Schokoladenmode quasi den Garaus machte. Die aufstrebende bürgerliche Klasse verachtete das Müßiggänger-Getränk und verbannte es in die Bereiche der Gesellschaft, wo Tatkraft ihres Erachtens eh nicht zu erwarten war. Sein ist das Weib, Denken der Mann. Und so überließ man die Schokolade den Frauen und schließlich den Kindern.
So richtig änderte sich das erst in unserem Jahrhundert, vor allem nach dem II. Weltkrieg. Dank technischer Entwicklung und entsprechender weltwirtschaftlicher Konstellationen wurde aus dem sehr teuren Luxusgut eine Leckerei für jedefrau und jedermann, die inzwischen zu mehr als der Hälfte in (West)Afrika angebaut wird. Diese Popularisierung blieb nicht ohne Folgen. Freßsucht (Abteilung Schokolade und andere Süßigkeiten) bietet sich in Zeiten des Waren-Überangebotes als Ersatzbefriedigung geradezu an und ist hinsichtlich des Geschlechts wirklich nicht wählerisch. Dem Suchtpotential der Schokolade erliegen selbstverständlich auch Männer. Gut acht Kilo Schokolade im Jahr verzehrt z.B. Otto/Luise Normalverbraucher/in heute. Wer isst eigentlich das Gros meines Anteils mit?
Als echtes Tropenprodukt unterliegt Kakao natürlich der normalen Arbeitsteilung: In den Tropen wird er produziert und in den reichen Ländern konsumiert. Ca. 90% des Weltverbrauchs entfallen auf die westlichen Industriestaaten, die natürlich auch die Preise bestimmen. Die lila Kuh soll ja schließlich billig bleiben.
Und als wären wir noch nicht fett genug (im Durchschnitt wohlgemerkt), arbeiten Lebensmitteldesigner (ein fürchterliches, aber nichtsdestotrotz höchst passendes Wort) bereits an einer Euroschokolade, d.h. an einem Zeug, das allen vereinigten Europäern gleichermaßen schmeckt. Oder auch nicht. Das wird vermutlich so etwas ähnliches sein wie die holländische Tomate. Nur viel süßer.
Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!
Erich Kästner (1932)
*cacahuetl;
Schokolade, xocoatl, kommt dagegen von den Mayas Hier werden diese Bezeichnungen synonym verwendet, obwohl sie das im strengen Sinne natürlich nicht sind. Kakao ist eigentlich die Frucht und Schokolade ein sehr vielfältiges Produkt. Lediglich das Kindergetränk heißt heute noch Kakao.