Nach 56 Jahren Grenzstreit und drei kriegerischen Auseinandersetzungen in den Jahren 1941, 1981 und 1995 schlössen Peru und Ecuador am 26. Oktober 1998 in Brasilia unter der Präsenz von Vertretern der Garantenstaaten Brasilien, Argentinien, Chile und USA ein Friedensabkommen. Mit dem Abkommen sind in beiden Andenrepubliken große Hoffnungen verbunden. Die Rede ist von einem historischen Schritt, manch einer spricht gar bedeutungsschwer von einer „Lektion interamerikanischer Reife“.
Über Jahrzehnte hatten sowohl Peru als auch Ecuador Ansprüche auf ein im Amazonas liegendes Gebiet (QM ??) angemeldet. Historisch geht der Konflikt zurück auf die Zeit der Republikgründungen. Aus ecuadorianischer Sicht waren die Grenzen bei der Staatsgründung 1830 nicht endgültig definiert. Das Land habe sich aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit Rechte auf das Amazonasbecken erworben, denn die spanische Expedition unter Leitung Francisco de Orellanos, die den Fluß Marañón (der in den Amazonas mündet) entdeckte, sei von Quito aus gestartet. Über zwei Jahrhunderte hinweg seien sodann die zur Erforschung des Oriente entsandten Missionen ebenfalls von Quito unterstützt worden. Der Staat Ecuador sei also mit amazonischen Rechten und in der Erwartung entstanden, daß mit dem Sieg Kolumbiens in Tarqui die Grenze am Rio Marañón festgemacht werden könnte.
Die Republik Peru hingegen identifiziert sich bis heute offiziell mit dem alten Virreinato und leitet seine Rechte auf das gesamte Amazonasgebiet von der alten Audiencia de Quito ab. Die Entstehung Boliviens und Ecuadors werden als territoriale Dismembration verstanden, die Konfrontation mit dem Nachbarn Chile im Süden und die Forderung Ecuadors bezüglich des Amazonasgebietes als Versuche der Abspaltung.
Im Laufe der Zeit okkupierten die Peruaner das fragliche Gebiet durch das Militär und besiedelten es. In Ecuador indessen unternahm man keinerlei Versuche in diese Richtung. Denn im Gegensatz zur Küstenregion Perus, die karg und rau ist und folglich wenig Lebensraum bietet, ist die Ecuadors üppig. Es bestand keine Notwendigkeit für die Besiedlung des Oriente. Ende des 19.Jahrhunderts hatte Peru seine Präsenz an beiden Ufern des Rio Marañón und eines Großteils des umstrittenen Territoriums gefestigt. Der Streit spitzte sich zu, als erste Vermutungen bekannt wurden, wonach sich auf dem Gebiet große Ölvorkommen befinden sollten. Sowohl Peru als auch Ecuador verhandelten bereits mit großen Ölkonzernen über eventuelle Abbaukonzessionen. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen marschierten peruanische Truppen im Jahr 1941 in ecuadorianisches Gebiet ein und drangen bis zur Hafenstadt Guayaquil vor, der größten Stadt Ecuadors, wo auch das wirtschaftliches Herz des Landes schlägt. Am Ende des Krieges stand 1942 die Unterzeichnung des Protokolls von Rio de Janeiro, durch das Ecuador ein Drittel seines Staatsgebietes verlor. Es beklagte von Beginn an, daß das Abkommen völkerrechtswidrig zustande gekommen sei, da man praktisch zur Unterzeichnung genötigt worden sei. Das Protokoll blieb ohne Akzeptanz und wurde 1960 von Präsident Jose Maria Velasco Ibarra für nichtig befunden. Man verzeichnete das Gebiet weiterhin in allen offiziellen Karten. Verschiedene Versuche der Versöhnung und eines Übereinkommens scheiterten in der Folge daran, daß in beiden Ländern die dominierenden Gruppen die territoriale Frage als Waffe für innenpolitische Kämpfe benutzten. Man versuchte so, nicht selten mit Erfolg, von inneren Problemen ablenken.
Mit dem Friedensabkommen, dessen Wegbereiter die internationale Beobachtergruppe MOMEP (La Misión de Observadores Militares Ecuador-Peru) war, die den beiden Ländern ein Ultimatum zur Unterzeichnung und Beilegung des Konflikts gesetzt hatte, wird der Streit letztlich zugunsten Perus entschieden. Die Ecuadorianer erhalten freien Zugang und Schiffahrtsrechte auf dem Amazonas. Was territoriale Fragen betrifft, bleibt ihnen Tiwintza, ein ein Quadratkilometer großes Gebiet auf peruanischem Gebiet, inmitten un-durchdringbaren Dschungels. Tiwintza war im Konflikt von 1995 von ecuadorianischen Soldaten erobert worden und ist seither Sinnbild ecuadorianischen Nationalstolzes. Am Ort der letzten Auseinandersetzung sollen nun auf beiden Seiten Nationalparks entstehen und von dem ecuadorianischen ein fünf Meter schmaler Waldweg auf die andere Seite führen. Tiwintza ist Symbol für das, was auf offiziellen Dokumenten sowie den Schulheften Ecuadors geschrieben steht: „Ecuador war, ist und wird Amazonasland sein.“ In Ecuador wäre das Abkommen ohne das Zugeständnis Tiwintza von der Bevölkerung nicht so positiv aufgenommen worden wie das jetzt der Fall war.
Was beide Nationen nun hoffen ist, daß das Abkommen nicht nur ein territoriales bleibt, sondern auch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zweier im Grunde brüderlich verbundener Völker nach sich zieht. Ob diese tatsächlich in der vom Abkommen vorgesehenen Form stattfinden wird und ob der Frieden dauerhaft ist, kann nur die Zukunft zeigen. Der jahrzehntelang diktierte und suggerierte Haß hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt und ein Mißtrauen gegen den Nachbarn gesät. Zudem gibt es Kräfte im Land, die den Vertrag zum Anlaß für radikale politische Veränderungen nehmen könnten. Und letztlich hat in Lateinamerika nichts Anspruch auf Dauerhaftigkeit.