Deutschlands Suche nach seinem Platz in der Neuen Welt
Wenn nach dem Platz der „größten Macht zwischen Moskau und Washington“ (M. Stürmer) in der Neuen Welt gefragt wird, dann ist dies durchaus doppelsinnig gemeint: Neue Welt sowohl im postkolumbianischen Sinne (Ibero-Amerika) als auch zur Bezeichnung der Nach-Nachkriegsära (neue Weltordnung). Einen Beleg für den möglichen Zusammenhang der deutsch – lateinamerikanischen Beziehungen mit den mannigfaltigen Versuchen der (Neu-) Bestimmung der deutschen Interessen in der Welt mag vielleicht schon die erste Auslandsreise des Bundeskanzlers nach der deutschen Vereinigung liefern: sie führte ihn – Zufall oder nicht – im Oktober 1991 ausgerechnet nach Lateinamerika.
Auch wenn man unterstellt, daß die Wahl des Reiseziels bei des Kanzlers Hang zur Symbolhaftigkeit durchaus als erneutes Haschen nach dem Mantel der Geschichte gedacht gewesen sein könnte, so bedarf es zur Begründung eines solchen Zusammenhangs jedoch einer genaueren Untersuchung. Stoff dafür bieten drei jüngst erschienene Artikel, die sich mit dem Thema der deutschen Beziehungen zu Lateinamerika seit 1989/ 90 befassen:
1. Violanda Botet, eine junge (nord-) amerikanische Wissenschaftlerin untersucht „Die deutsch – lateinamerikanischen Beziehungen in den neunziger Jahren“ [1]
2. Gerd Langguth, der Geschäftsführende Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, äußert sich in ein Jahr später in der gleichen Zeitschrift zu dem Thema „Deutschland vor neuen Herausforderungen – Das Verhältnis zu Lateinamerika“ [2] und
3. suchen H.-W. Krumwiede (Stiftung Wissenschaft und Politik/Ebenhausen) und Detlev Nolte (stellv. Direktor des Instituts für Iberoamerika-Kunde/Hamburg) nach einer Antwort auf die Frage „Welche Lateinamerikapolitik entspricht deutschen Interessen?“ [3]
Die uns zunächst bewegende – und hier auf Lateinamerika beschränkte – Frage zielt auf mögliche Veränderungen der deutschen Interessenlage und der sich daraus ableitenden Politik: Handelt es sich bei des wiedervereinigten Deutschlands Suche nach seinem Platz in der „neuen Weltordnung“ tatsächlich schon um eine Revision der Interessen einer nun aufsteigenden Großmacht oder ist es nur der alte Trott in neuen, vielleicht zu großen Stiefeln? Den hierzu nötigen Bezugspunkt liefert Manfred Mols mit einem bereits 1982 erschienenen Artikel unter der programmatischen Überschrift „Eine Neuformulierung der deutschen Lateinamerikapolitik“ [4].
Er konstatiert dort „das Problem einer zu wenig definierten deutschen Außenpolitik gegenüber Lateinamerika“ [5]. „´Eine potentiell ungleich breitere Palette internationaler Beziehungen wird faktisch reduziert auf den diplomatischen Schutz von Außenhandel und Kulturaustausch und auf die Probleme der Entwicklungsförderung“ (ebenda), letzteres allerdings auch nur „als flankierendes Element der deutschen Außenbeziehungen“ [6].
Um es gleich vorwegzunehmen: daran hat sich – zumindest nach Meinung der nordamerikanischen Wissenschaftlerin V. Botet – nichts geändert. Auch sie spricht davon, daß es „keine klar umrissene Lateinamerikapolitik“ [7] Deutschlands gebe. Sie sieht dies in Widerspruch zur realen Präsenz und Interessenlage des inzwischen mächtigsten europäischen Staates westlich von Moskau: „Nach den USA ist Deutschland diejenige westliche Macht mit den größten Interessen in Lateinamerika“. Es treibt den „umfangreichsten Handel mit Lateinamerika. Deutsche Unternehmen investieren die höchsten Summen, und die deutsche Entwicklungshilfe ist die größte. Auch die kulturellen Verbindungen sind stark“ [8].
In Lateinamerika sind allein 70% des Bestandes der deutschen Investitionen außerhalb des OECD-Bereichs konzentriert. Auch gibt es Anzeichen dafür, daß die Bedeutung des Halbkontinents innerhalb der konzerninternen Produktions- und Zulieferstruktur deutscher Großunternehmen wächst [9]. In den Augen der Lateinamerikaner gilt Deutschland als der „wichtigste befreundete Staat“ in Europa [10] und als „Vorbild für soziale Marktwirtschaft“ [11].
Von dieser Seite her ist tatsächlich ein Widerspruch zwischen deutscher Präsenz in und Deutschlands Bedeutung für Lateinamerika einerseits und dem Zustand der Beziehungen zwischen beiden Partnern andererseits zu konstatieren.
Diese Feststellung wird allerdings relativiert, wenn man sich die innerhalb von 40 Jahren drastisch gesunkenen Anteile Lateinamerikas am Export der Bundesrepublik (Grafik 1) vor Augen hält. Gegenwärtig liegt der entsprechende Anteil bei Japan doppelt, bei den USA mehr als sieben mal so hoch (Grafik 2). Zudem „konzentrieren sich die wirtschaftlichen Aktivitäten der Bundesrepublik auf wenige große und halbgroße lateinamerikanische Länder: Brasilien, Mexiko, Argentinien, Chile, Kolumbien, Venezuela“, auf die über 80% des Handels mit Lateinamerika entfallen [12]. Ähnliches gilt für die deutschen Investitionen (Grafik 3).
Die EU-Einbindung Deutschlands trägt das ihrige dazu bei, die Bedeutung Lateinamerikas als Handelspartner im Vergleich zu anderen Regionen der Dritten Welt gering zu halten. „Die entwicklungspolitischen Präferenzen (Entwicklungshilfe, Handelserleichterungen etc.) der EU liegen eindeutig bei den ehemaligen Kolonien Frankreichs und Großbritanniens, in Afrika, der Karibik, im Mittelmeerraum und neuerdings auch in den osteuropäischen Ländern“ [13].
Bereits Mols hatte für die bundesdeutsche Außenpolitik ein „vergleichsweise höhere(s) politische(s) Engagement für Asien und Afrika“ [14] konstatiert. Wie aber ist es zu erklären, daß sich am unbefriedigenden Zustand der deutsch-lateinamerikanischen Beziehungen, der schon vor mehr als zehn Jahren moniert wurde, substantiell nichts geändert hat? Offensichtlich bestand aus der Sicht der etablierten und dominanten Interessen Deutschlands bisher kein Handlungsbedarf in dieser Richtung. Mehr noch, das Erscheinungsbild der bundesdeutschen Beziehungen zu Lateinamerika kann als Beleg für eine Reihe genereller Trends dienen:
Erstens entspricht die geringe Bedeutung Lateinamerikas dem rasanten Bedeutungsverlust des Südens als Machtfaktor in den internationalen Beziehungen. Eine Tendenz, die durch den in Osteuropa entstandene Konkurrenz hinsichtlich Investitionsbedarf, Entwicklungshilfe und Weltmarkt noch verstärkt wird. Schon aus geo-politischen Gründen sieht Deutschland ein „vordringliches Ziel seiner Außenpolitik“ – neben den traditionellen Eckpfeilern (west-) europäische Integration und transatlantische Beziehungen zu den USA – in der „Unterstützung Osteuropas“ [15]. Die Beziehungen zu Lateinamerika rangieren auf der deutschen Prioritätenliste demzufolge auf einem der hinteren Plätze. Wenn der Süden für den Norden höchstens noch als „Chaosmacht“ relevant scheint, dann ist es ferner logisch, daß nur noch bei sogenannten Weltsozialfällen (Afrika) und aus dem Ruder laufenden Revolten bzw. Kriegen zwecks Disziplinierung und Machtdemonstration (Irak, Somalia) eingegriffen wird. Das ökonomisch zur Mittelklasse der Entwicklungsregionen gezählte Lateinamerika [16] fällt trotz seiner „extreme(n) soziale(n) Ungleichheit“ [17] offensichtlich nicht unter beide Kategorien. Unter dem Aspekt der Sicherheitsinteressen“ (ist) Lateinamerika für Deutschland von äußerst untergeordneter Bedrohungsqualität“ [18]. Man glaubt wahrscheinlich, diese Region ohne größere Anstrengungen unter Kontrolle halten zu können. Als Beleg für eine solche Auffassung werden zumeist die enormen Fortschritte der – bis auf wenige Ausnahmen (Kuba, Haiti) – dafür als „Musterschüler“ gelobten lateinamerikanischen Republiken in Sachen Demokratie und Neoliberalismus angeführt [19].
Zweitens liefern die deutsch-lateinamerikanischen Beziehungen gewissermaßen ein Spiegelbild des Verhältnisses von Politik und Wirtschaft. Die Rolle der Politik in diesem Verhältnis läßt sich wohl am anschaulichsten als die einer Magd der Wirtschaft beschreiben. Wenn Mols schon 1982 die Funktion der Politik auf den Schutz des Außenhandels bzw. der Wirtschaftsbeziehungen insgesamt reduziert sieht, dann hat sich daran bis heute nicht viel geändert. Wirtschafts- und Außenhandelsinteressen stehen eindeutig im Mittelpunkt bisheriger deutscher Aufmerksamkeit für die Region [20].
Nach ihnen werden die Ziele bundesdeutscher Politik ausgerichtet und umgesetzt. Letztlich wird Lateinamerika so auf die klassische Funktion eines Außenmarktes für deutsche Produkte und einer – möglichst sicheren und profitablen -Anlagensphäre für deutsches Kapital reduziert. Es wäre jedoch verfehlt, diese Bilanz der deutsch – lateinamerikanischen Beziehungen, die praktisch die Fortschreibung des alten, schon von Mols beschriebenen Defizits darstellt, als Gesamtbild ausgeben zu wollen. Explizit oder implizit bilden in jedem der drei Artikel die veränderten internationalen Rahmenbedingungen [21] und die „von deutschen Politikern verstärkt seit der Wiedervereinigung geäußerten Absicht…, weltpolitisch mehr Verantwortung zu übernehmen“ [22], den Ausgangspunkt für die Bestimmung der deutsch-lateinamerikanischen Beziehungen in Gegenwart und besonders aber für die Zukunft. Zumindest drei neue Aspekte verdienen dabei hervorgehoben zu werden:
Erstens scheint sich mit dem Problemfeld Umwelt(zerstörung) ein neues Gebiet in den deutsch-lateinamerikanischen Beziehungen aufzutun [23]; die folgenden Angaben und Zitate sind – sofern nicht anders vermerkt – dort entnommen. So spielte beim Besuch Kohls in Brasilien – dem lateinamerikanischen Land mit den engsten Verbindungen zu Deutschland – neben dem Handel das Thema Umwelt die zentrale Rolle.
Auch im Programm zum Schutz der brasilianischen Regenwälder, das 1990 zwischen EG-Kommission und G 7 vereinbart worden war, nimmt Deutschland die führende Rolle ein. „Das Problem (Umwelt – P.G.) ist insofern bedeutend, als daß es ein Gebiet bezeichnet, auf dem Deutschland die Führung übernommen hat und auf dem es versucht, eine eigene Rolle im Nord-Süd-Dialog zu finden“. Aber nicht nur dies: „Darin spiegelt sich die neue Rolle, die das vereinigte Deutschland auf der Welt spielen will. Ebenso kommt darin zum Ausdruck, wie sich die Beziehungen innerhalb des ‚atlantischen Dreiecks‘ Europa – Lateinamerika – USA in Zukunft vermutlich ändern werden.“
Unter der Überschrift „Ecologia über alles“ (…) registrierte das Jornal do Brasil [24] ebenfalls den deutschen Führungsanspruch in Sachen Umwelt. Allerdings sind bei der politischen Umsetzung und Absicherung dieses Anspruchs mindestens zwei Probleme zu beachten, die für die deutsch-brasilianischen Beziehungen einigen Sprengstoff bergen. Da sind zum einen die kaum zu befriedigenden Belastungen an Geld und Ressourcen. Würde Deutschland die Umwelt in den Mittelpunkt der Beziehungen zwischen beiden Ländern rücken, würde es damit sowohl in Brasilien als auch in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit Erwartungen wecken, die von Deutschland allein unmöglich zu befriedigen sind. Auch wenn die 250 Millionen DM, die Deutschland zum Schutzprogramm für den tropischen Regenwald beisteuert, im Vergleich zu anderen Zusagen beachtlich zu nennen sind, dürften sie doch kaum der Zielvorgabe des Programms angemessen sein. Es wäre wohl kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Zweitens ist zu bezweifeln, daß Deutschland im erforderlichen Maße bereit wäre, sich in solchen brisanten Fragen wie Landreform, Industrie- und Indianerpolitik, die alle bei der Zerstörung der Regenwälder eine Rolle spielen, politisch zu engagieren.
Obwohl Umwelt auch bei Langguth an erster Stelle der wirklichen Weltprobleme steht [25], sieht er in der Agenda 21 eine ausreichende Handlungsgrundlage für die Bewältigung dieses Weltproblems. Noch zurückhaltender äußern sich Krumwiede und Nolte [26] dazu. Ausgehend von einem erweiterten Sicherheitsbegriff konstatieren sie „zwar für Deutschland einige von Lateinamerika ausgehende Bedrohungen“, die sie v.a. in der Gefährdung des Klimas und im Drogenhandel sehen. Im deutlichen Unterschied zu ihrer nordamerikanischen Kollegin beeilen sie sich zu versichern: „Aber bei diesen Problemen, die nur multilateral gelöst werden können, wird der deutsche Beitrag gering sein“. Auch wenn sich dies – aus dem formulierten Kontext nicht klar ersichtlich – nur auf die Drogenproblematik beziehen sollte, so bliebe doch die immerhin sehr erstaunliche Feststellung, daß die nicht weiter erwähnte Klimagefährdung soweit zu vernachlässigen sei, daß besondere deutsche Anstrengungen auf diesem Gebiet nicht erforderlich sind. Es bleibt nur die Frage, ob sich die Autoren in diesem Punkt bewußt zurückhalten, um nicht schlafende Hunde hinsichtlich deutscher Führungsansprüche zu wecken, über die sich ihre nordamerikanische Kollegin natürlich weitaus unbefangener äußern kann, oder ob sie einfach die Schlußfolgerungen des Erdgipfels im brasilianischen Rio de Janeiro für die deutsch-lateinamerikanischen Beziehungen als irrelevant erachten. Beides wäre bedenklich. Zweitens stellen Krumwiede und Nolte statt dessen heraus, daß Lateinamerika als Profilierungsfeld deutscher Imagepflege und als Projektionsfläche für das Streben des wiedervereinigten Deutschland nach mehr weltpolitischer Verantwortung äußerst geeignet sei. In den Dienst dieser neuen Aufgaben sehen sie auch die deutsche Demokratisierungshilfe gestellt: „Das Image der Bundesrepublik in der Welt wird nicht unwesentlich dadurch geprägt, an welchen Normen es seine Außenpolitik orientiert. Nach der Wiedervereinigung hat dieses Image für Deutschland … zusätzliche Bedeutung gewonnen. Für dieses Image wäre es förderlich, wenn Deutschland weltweit, auch in Lateinamerika ein klar erkennbares Interesse an der Prävention und friedlichen Regulierung gewaltsamer Konflikte und der Verankerung pluralistischer, rechtsstaatlicher und sozialer Demokratie zeigte. Lateinamerika stellt einen Partner dar, der sich in besonderem Maße für die Praktizierung einer solchen Politik eignet“ [27]. Noch deutlicher formulieren sie den engen Zusammenhang zwischen dem „deutschen Interesse an einer weltpolitisch aktiveren Rolle“ und der deutschen Lateinamerikapolitik zwei Seiten weiter:
„Von allen Entwicklungsregionen bietet sich Lateinamerika wohl am meisten als Partner für eine derartige deutsche Rolle an“.
Meldet Mols noch Bedenken hinsichtlich der Unterstützung westlich orientierter Regierungen in Lateinamerika an und befürchtet Kollisionen dieses an sich vernünftigen Ziels „mit dem Grundsatz des Nicht-Aufdrängens eigener gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Leitvorstellungen“ [28] , so vermag die oben formulierte Rollenzuweisung für Lateinamerika den deutschen Vormachtsanspruch kaum noch zu kaschieren.
Drittens eignet sich Lateinamerika offenbar in besonderem Maße für die Neugestaltung der Beziehungen zwischen den USA und Deutschland [29] . So würde es sich anbieten, daß beide ihre Investitionen und Anstrengungen zwischen den – gleichermaßen kapitalbedürftigen – Regionen Lateinamerika und Osteuropa aufteilten. Auch im Nord-Süd-Dialog ist Partnerschaft zwischen den zwei „Großen aus dem Norden“ angesagt. Obgleich einige kleinere Reibungen zwischen Deutschland und den USA hinsichtlich der Konkurrenz um Handels- und Investitionsmöglichkeiten in Lateinamerika nicht auszuschließen sind, „könnte ein verstärktes deutsches Engagement in der Region neue Impulse auslösen und zur Quelle eines neuen Ansporns werden. In diesem Fall könnten Bonn und Washington in Lateinamerika die ‚Führungspartnerschaft‘ praktizieren, die Präsident Bush 1989 am Vorabend der deutschen Vereinigung als Leitbild herausgestellt hat“ [30]
In der Bilanz der deutsch – lateinamerikanischen Beziehungen zeichnet sich also folgendes Bild ab: Das bislang nicht klar umrissene Profil der Beziehungen resultiert vor allem aus der vergleichsweise geringen politischen Bedeutung Lateinamerikas für die deutsche Gesamtpolitik. Deren Primärziele liegen eindeutig auf anderen Feldern. Dies könnte sich nun, da die Region aus den oben angeführten Gründe an Bedeutung gewinnt, partiell ändern. Jedoch liegt dieser Bedeutungszuwachs darin begründet, daß Lateinamerika lediglich das Feld der Profilierung deutscher Interessen auf folgenden Gebieten darstellt:
– Umweltpolitik und Nord-Süd-Dialog in und mit Lateinamerika zur Begründung eines internationalen Führungsanspruchs Deutschlands auf diesen Gebieten;
– Lateinamerika als die am besten geeignete Projektionsfläche deutscher Wertvorstellungen und deutscher Imagepflege mit dem für den Westen angenehmen Nebeneffekt, die politischen und wirtschaftlichen Strukturen einer ganzen Region seinen eigenen Interessen und Vorstellungen weitgehend (soweit unter Dritte-Welt-Bedingungen möglich) anzupassen:
– Lateinamerika – und Osteuropa – als Experimentierfelder der Neuverteilung der Gewichte im Verhältnis zwischen Deutschland und den USA und der gemeinsamen „Führungspartnerchaft“ gegenüber Süd und Ost.
In allen diesen Fällen wäre der relative Bedeutungszuwachs Lateinamerikas mit einer wachsenden Unterordnung unter die Interessen einer „neuen Großmacht“ verbunden. Souveränitätsverlust, zunehmender Zwang zum Wohl verhalten und einseitige Abhängigkeit wären die Folge.
Deutschland selbst steht – nicht nur in seiner Lateinamerikapolitik – am Scheideweg: seine zweifellos gewachsene Verantwortung kann sowohl als Alibi für einen erneuerten und erweiterten Führungsanspruch über Europa hinaus dienen, als auch im Sinne der Lösung der gerade auch in Lateinamerika relevanten Weltprobleme Umweltzerstörung, Klimakatastrophe und Armut angewandt werden. In diesem Sinne sind die Beziehungen zu Lateinamerika tatsächlich ein Testfall für Deutschlands weiteren Weg.
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Anmerkungen:
[1] Außenpolitik 1/1993, S. 44-54;
[2] Außenpolitik 1/1994, S. 20-29
[3] Aus Politik und Zeitgeschichte, 28. Januar 1994, S. 3-10.
[4] Mols, Manfred: Eine Neuformulierung der deutschen Lateinamerikapolitik, in: Lateinamerika, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart u.a. 1982, S. 221-241.
[5] Mols S. 224
[6] Ebenda S.233
[7] Botet S.45f
[8] Ebenda
[9] Krumwiede/Nolte S.5
[10] Mols S.229
[11] Botet S. 48
[12] Krumwiede/Nolte S.6
[13] Ebenda S. 7
[14] Mols S.225
[15] Langguth S. 21,22ff.
[16] Krumwiede/Nolte S.6
[17] Ebenda; vgl. auch Langguth S. 28
[18] Krumwiede/Nolte S.3
[19] Ebenda S.7/8
[20] Ebenda S.4 ff.
[21] Langguth S. 20ff.
[22] Krumwiede/Nolte S. 9
[23] Botet S. 49-51
[24] Jornal do Brasil vom 28.10.91
[25] Langguth S. 26
[26] Krumwiede/Nolte S. 3/4
[27] Ebenda S. 7
[28] Mols S. 234
[29] Botet S. 54
[30] Ebenda (Hervorhebung P.G.)
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Literatur:
Botet, Violanda: Die deutsch – lateinamerikanischen Beziehungen, in: Außenpolitik, Heft 1/1993, S. 44-54.
Die Bundesrepublik Deutschland und Lateinamerika. Dokumentation des Auswärtigen Amtes. Bonn 1987.
Krumwiede, H.-W./ Nolte, Detlev: Welche Lateinamerika-Politik entspricht deutschen Interessen?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 28. Januar 1994, S. 3- 10.
Langguth, Gerd: Deutschland vor neuen Herausforderungen – Das Verhältnis zu Lateinamerika, in: Außenpolitik, Heft l/ 1994, S. 20 – 29.
Mols, Manfred: Eine Neuformulierung der deutschen Lateinamerikapolitik, in: Lateinamerika, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart u.a. 1982, S. 221-241.