I. Beziehungen BRD – Kuba bis 1989.
Vor 1959 unterhielt die BRD diplomatische Beziehungen zur Batista-Diktatur. Entwicklungspolitik spielte damals in der BRD noch keine Rolle, die Wirtschaftsbeziehungen waren „klassisch“: Kuba lieferte Zucker in die BRD, und die BRD lieferte ihrerseits Industrieprodukte an Kuba. Mit dem Sieg der kubanischen Revolution änderte sich zunächst wenig. Infolge der Verschlechterung der Beziehungen Kubas zu den USA und der beginnenden Zusammenarbeit der kubanischen Revolutionsregierung mit der DDR kühlten sich die Beziehungen allerdings schnell ab. 1962 brach die BRD im Zuge der Haustein-Doktrin die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. [1] Kuba hatte mit Rücksicht auf die BRD allerdings noch keine vollen diplomatischen Beziehungen zur DDR aufgenommen, sondern nur ein Handelsabkommen abgeschlossen und die gegenseitige Eröffnung von Handelsmissionen vereinbart. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR erfolgte erst 1963.
Nach der Verhängung der Kuba-Blockade durch die USA bzw. die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) reihte sich die BRD faktisch in die Boykottfront ein, und die Wirtschaftsbeziehungen kamen fast völlig zum Erliegen. Erst mit der Aufhebung der Hallstein-Doktrin durch die sozial-liberale Koalition Anfang der siebziger Jahre erfolgte eine begrenzte Annäherung. 1975 wurden die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen, was der Ausgangspunkt für einen langsamen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen war. BRD-Firmen exportierten vor allem chemische Erzeugnisse und Maschinen nach Kuba, Kuba exportierte Erze, vor allem Nickel, Erdöl und Agrarprodukte in die BRD. Im Handelsaustausch zwischen BRD und Kuba bestand immer ein deutlicher Bilanzüberschuß zugunsten der BRD. Das Erdöl, das Kuba in die BRD exportierte, war übrigens kein kubanisches, sondern sowjetisches Erdöl, das Kuba zu einem Vorzugspreis erhielt und teilweise zur Devisenbeschaffung auf dem Weltmarkt weiterverkaufte. Auch nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der BRD und Kuba gab es keine Wirtschaftsabkommen und keine Entwicklungszusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Zeigte schon die sozial-liberale Koalition wenig Interesse an engeren Beziehungen zu Kuba, unterstützte die christlich-liberale Bundesregierung nach 1982 rückhaltlos die seit dem Amtsantritt Reagans wieder aggressiver gewordene Kuba-Politik der USA.
Nichtsdestotrotz kam es in den achtziger Jahren zu einer rasanten Entwicklung des bundesdeutschen Kuba-Tourismus, der bis Anfang der achtziger Jahre, abgesehen von politischen Bildungsreisen, praktisch inexistent war. 1989 reisten immerhin 43 000 westdeutsche Touristen nach Kuba.
II. Beziehungen DDR – Kuba
Die DDR unterhielt vor 1959 keine diplomatischen oder sonstige Beziehungen zu Kuba, wie übrigens zu keinem anderen lateinamerikanischen Land in dieser Zeit Nach der kubanischen Revolution veränderte sich dies schnell. Bereits 1960 eröffnete Kuba eine Handelsmission in Ost-Berlin und die DDR eine in Havanna, 1962 besuchte der kubanische Industrieminister Ernesto Che Guevara die DDR, und 1963 nahmen die DDR und Kuba auch formale diplomatische Beziehungen auf. In der Folgezeit, insbesondere nach dem Beitritt Kubas zum RGW, intensivierten sich die Handelsbeziehungen. In den 80er Jahren war die DDR nach der UdSSR – allerdings mit deutlichem Abstand – der zweitwichtigste Handelspartner Kubas.
Zwischen Kuba und der DDR bestand ein umfangreiches System von Kooperationsverträgen und -Vereinbarungen auf wirtschaftlichem, finanziellem, entwicklungspolitischem und kulturellem Gebiet. Insgesamt gab es 77 zum Teil langfristige staatliche Abkommen, sowie zahlreiche weitere Abkommen zwischen Unternehmen und Institutionen (z.B. Universitäten), die teilweise für das Dritte-Welt-Land Kuba ausgesprochen günstig waren und zur Sicherung der Grundbedürfnisse der kubanischen Bevölkerung beitrugen:
– Für verschiedene Importe aus Kuba (z.B. Zucker) bezahlte die DDR im Rahmen entsprechender Vereinbarungen im RGW sogenannte Präferenzpreise, d. h. vorher festgelegte Preise, die deutlich über dem Weltwarktniveau lagen. Im Vergleich zu den Weltmarktpreisen bedeutete dies für Kuba feste Mehreinnahmen von 140 Millionen Transferrubel. [2] Die im RGW bezahlten Präferenzpreise schützten die kubanische Ökonomie vor den Schwankungen der Weltmarktpreise und den sich für die Rohstoffproduzenten laufend verschlechternden „terms of trade“.
– Im Rahmen des RGW beteiligte sich die DDR an fünf sogenannten Generalabkommen (Zucker, Nickel, wissenschaftlich-technische Zusammmenarbeit, Zitrusfrüchte, Geologie).
Die Generalabkommen sicherten den Dritte-Welt-Ländern im RGW (neben Kuba noch Vietnam und die Mongolei) außer den Präfenrenzpreisen z.T. umfangreiche materielle und personelle Hilfeleistungen bei der Entwicklung bestimmter Wirtschaftssektoren.
– Der Außenhandel zwischen Kuba und der DDR wurde auf Kompensationsbasis abgewickelt. Bestimmte Kompensationsgeschäfte dienten direkt der Sicherung der Grundbedürfnisse der Kubanerinnen, etwa die Lieferung von Magermilchpulver aus der DDR gegen Futterhefe aus Kuba oder die Lieferung von medizinischen Geräten und Landmaschinen aus der DDR.
– Die DDR beteiligte sich im Rahmen des RGW bzw. auf der Grundlage bilateraler Abkommen an der Errichtung bzw. Erneuerung verschiedener Industrieprojekte (u.a. eine Nickelhütte, Weizenmühlen, eine Formaldehydanlage, ein Zementwerk).
– Ca. 1500 Kubanerinnen absolvierten in der DDR ein Hochschulstudium und 10.000 kubanische Arbeitskräfte waren in der DDR tätig. Letztere wurden in der DDR teilweise aus- bzw. weitergebildet. Sie mußten ihre erworbenen Qualifikationen dann allerdings zunächst mehrere Jahre der DDR zur Verfügung stellen, wo sie in Betrieben, in denen Arbeitskräftemangel herrschte, eingesetzt wurden.
– Neben der Aus- und Weiterbildung von Kubanerinnen in der DDR engagierte sich die DDR beim Ausbau des Bildungswesens auf Kuba. Zu verschiedenen Projekten ließen sich kritische Anmerkungen machen: So ist zu fragen, ob die Übernahme bestimmter in der DDR entwickelter Technologien und Bildungsinhalte ökologisch und sozial sinnvoll war. Es wäre ferner zu untersuchen, inwieweit die RGW-Politik zur Zementierung der Monokultur Zucker beigetragen hat, und sicher gibt es auch unerfreuliches DDR-„Know-How“ bei den kubanischen Sicherheitskräften. Dennoch steht m.E. außer Frage, daß die Kooperation mit der DDR für die übergroße Mehrheit der Kubanerinnen vorteilhaft war und zur Sicherung menschenwürdiger Lebensbedingungen und bestimmter sozialer und gesundheitlicher Standards beigetragen hat.
III. Die „Wende“ und die Folgen
Die politischen Veränderungen in der DDR im Herbst und Winter 1989/90 bedeuteten zunächst noch keine grundlegende Wende in den Beziehungen zwischen der DDR und Kuba. Sowohl seitens der neuen politisch Verantwortlichen in den DDR-Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten und für wirtschaftliche Zusammenarbeit, als auch seitens der kubanischen Regierung bestand nach den Volkskammerwahlen vom 18. März 1990 ein Interesse, die Zusammenarbeit in den meisten Bereichen weiterzuführen und entsprechende Abkommen zu verlängern. Von Seiten der DDR wurde allerdings klar gemacht, daß eine „Neubestimmung des bestehenden Vertragssystems“ nötig sei. Dies mache erforderlich, daß die Verrechnungsgrundlagen auf die Basis von Weltmarktpreisen umgestellt werden müßten und das System der Präferenzpreise damit hinfällig wäre. Auch der DDR-Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans Ebeling (DSU), sprach sich für eine Fortführung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Kuba aus. Im Juni 1990 hatte er bezüglich der Weiterführung von DDR-Entwicklungsprojekten erklärt: „Ausgangspunkt ist die Prüfung und Bewertung der zur Zeit laufenden DDR-Projekte im Hinblick auf ihre entwicklungspolitische Wirksamkeit. Wesentliche Kriterien dabei sind die vorrangige Förderung der am wenigsten entwickelten Länder, die Bedürfnisse vor allem der armen Bevölkerungsteile und die Eliminierung von militärischen und rein politisch orientierten Hilfen. In diesem Sinne wird auch die Zusammenarbeit mit Angola, Äthiopien, Jemen, Kambodscha, Kuba, Mocambique Mongolei, Nikaragua, Tansania und Vietnam fortgesetzt.“ [3]
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kuba, wie man sie sich nach den Wahlen vom März 1990 in der damaligen DDR-Regierung vorstellte, hätten im Prinzip eine Umwandlung der besonderen Beziehungen zwischen sozialistischen Bruderstaaten in normale Beziehungen zwischen einem Industriestaat des Nordens und einem rohstoffproduzierenden Land des Südens bedeutet. Sie wären damit zwar von einer solidarischen Entwicklungszusammenarbeit weit entfernt gewesen, wie sie der entwicklungspolitische Runde Tisch der DDR gefordert hatte.
Aus kubanischer Sicht stellten sie sogar eine deutliche Verschlechterung des frühreren Zustandes dar. Trotzdem hätten sie für Kuba, dessen ganzes Wirtschaftssystem durch den Zerfall des RGW in erhebliche Turbulenzen geraten war, eine gewisse Stabilisierung und Planungssicherheit bedeutet. Dazu kam es allerdings nicht, denn durch die ökonomische und politische Eingliederung der DDR in die BRD erhielt die Entwicklung eine andere Richtung. Nach dem Inkrafttreten der Währungsunion im Juli 1990 wurde der ostdeutsche Markt von Westprodukten überschwemmt. Dazu gehörten natürlich nicht nur Dinge, die in Westdeutschland hergestellt wurden, sondern auch die klassischen Kolonialwaren aus der Dritten Welt, wie Kaffee, Bananen und andere Südfrüchte. Die Folge war, daß die entsprechenden Waren aus Kuba, die früher in der DDR teilweise begehrte Güter waren, nicht mehr abgesetzt werden konnten. Die für die Karibik zuständige Direktorin im DDR-Außenhandelsministerium, Antje Krause, sagte dazu im September 1990: „In diesem Jahr sind Importe von Zucker, Kaffee, Zitrusfrüchten und Fruchtsäften storniert worden, weil der ostdeutsche Markt überschwemmt ist von Produkten, die aus der BRD kommen.“
Das galt nicht nur für die Konsumgüter, sondern auch für Nickel, von dem die DDR 1990 keine Schiffsladung mehr annahm. Und ebenso für Futterhefe, die von Kuba als Gegenleistung für ostdeutsches Milchpulver geliefert wurde. Das bedeutete, daß die Grundlage der bisherigen Austauschgeschäfte nicht mehr bestand. Die sinkende Nachfrage nach kubanischen Produkten wäre durchaus zu überwinden gewesen, wenn der politische Wille zur Zusammenarbeit mit Kuba bestanden hätte. Aber genau das war nicht der Fall.
Am 26. und 27. Juli 1990, zwei Monate vor der Vereinigung, fand in Konstanz ein Treffen zwischen Vertreterinnen des BMZ und des DDR-Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit satt. Haupttagungsordnungspunkt der sogenannten entwicklungspolitischen Konsultationen war die Zukunft der ehemaligen DDR-Entwicklungs- und Kooperationsprojekte m den Ländern des Südens. Zum Abschluß des Treffens am 27.7. erklärten BMZ-Staatssekretär Repnik und DDR-Minister Ebeling: „Ohne eine grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse in Kuba sind die Voraussetzungen für eine staatliche Entwicklungszusammenarbeit eines künftigen Gesamtdeutschland nicht gegeben.“. Hans Ebeling hatte also offensichtlich in wenigen Wochen seine Position bezüglich der DDR-Kooperationsprojekte mit Kuba grundlegend verändert.
Am 28.8.90 bestätigte der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Jürgen Warnke, noch einmal die Position der Bundesregierung: „Gemeinsam mit dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit der DDR haben wir eine erste Bestandsaufnahme der bisherigen DDR-Entwicklungshilfe gemacht. Die Regierung de Maiziere hat unmittelbar nach Amtsantritt alle militärisch und ideologisch geprägte Hilfe sowie den Aufbau von Staatssicherheitsdiensten sofort eingestellt. Derzeit werden die übrigen Vorhaben Projekt für Projekt auf ihre Weiterführungsmöglichkeiten geprüft. Dabei werden wir an die bisherigen Empfängerländer der DDR die gleiche Meßlatte anlegen, wie wir es auch bei unseren Partnern tun. Die erste Ergebnisse sind: Mit Kuba wird es keine staatliche Entwicklungszusammenarbeit geben, während bei anderen Ländern, zum Beispiel in Mocambique Vietnam, Laos oder Nikaragua, auf unserer Seite die grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme von DDR-Projekten sowie zur Aufnahme der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit vorhanden ist.“
Auffällig an beiden Erklärungen ist, daß es der BRD-Regierung extrem wichtig war, entgegen den Vorstellungen der DDR-Regierung Kuba als Sonderfall unter den Partnerländern der DDR zu behandeln und eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit diesem Land auf jeden Fall auszuschließen. Es war reine Rhetorik, wenn Warnke betont hat, man werde die Vorhaben Projekt für Projekt prüfen, und dann als erstes Ergebnis verkündete, daß es mit Kuba keine Entwicklungszusammenarbeit geben werde. Die Projekte der DDR in Kuba waren nicht besser oder schlechter als die DDR-Projekte in anderen Ländern und auch die Menschenrechtslage ist m Kuba sicher nicht schlechter als etwa in Vietnam. Es war offensichtlich, daß die Bundesregierung eine Zusammenarbeit mit Kuba im Rahmen irgendwelcher entwicklungspolitischer Kriterien kategorisch aussschloß.
In Bonn unterstützte man rückhaltlos die Position Washingtons, die auf eine völlige Eliminierung der kubanischen Revolution setzte und setzt – auch unter Clinton gibt es noch keine ernsthaften Anzeichen für eine Änderung der Kuba-Politik. Dabei geht es den USA und auch der BRD nicht um einzelne Reformen oder Menschenrechte, sondern darum, das „Ärgernis“ Kuba als Ganzes zu beseitigen. Man geht davon aus, daß die Chancen dafür seit der Revolution im Jahre 1959 noch nie so günstig waren wie heute, wo den Kubanerinnen wirtschaftlich das Wasser bis zum Hals steht. Daraufsetzend, daß die Castro-Regierung aufgrund der wirtschaftlichen Probleme (kombiniert mit einer propagandistischen Offensive) mittelfristig zusammenbrechen wird, möchte man alles vermeiden, was zu einer Stabilisierung der gegenwärtigen Regierung in Kuba beitragen könnte.
Anmerkungen:
[1] Die Hallstein-Doktrin besagte, daß die BRD die diplomatischen Beziehungen zu allen Staaten abbricht, die die DDR anerkennen, das heißt diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmen. Entsprechend konnten alle Staaten, die Beziehungen zur DDR aufnahmen, keine bundesdeutsche Entwicklungshilfegelder erhalten.
[2] Währungseinheit, auf deren Grundlage die Geschäfte innerhalb des RGW abgewickelt wurden; im Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR wurde ein Transferrubel mit 2,33 DM umgerechnet.
[3] Cuba Si, Januar 1991
Gerd Eisenbürger
studierte Poltikwissenschaft; arbeitet seit 1980 bei der Lateinamerika-Zeitschrift ila in Bonn. Seit 1986 ist er bei dieser Zeitschrift als Verantwortlicher Redakteur tätig.