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Wahlen in El Salvador

Julie Scheer | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen begünstigen den Sieg der Arena-Partei

Die rechtsextreme Arena-Partei hat die Präsidentschaftswahlen in El Salvador gewonnen – unerwartet deutlich sogar. Ihr Kandidat Armando Calderon Sol verfehlte im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit mit 49 % der Stimmen nur knapp, um dann in der entscheidenden zweiten Runde mit knapp 68% der abgegebenen Stimmen einen eindeutigen Sieg zu erringen. Auf Rüben Zamora, den gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten der Ex-Guerrilla FMLN, der Convergencia Democratica (CD) und der Nationalen Revolutionären Bewegung (MNR) entfielen zunächst ca. 25% (1. Wahlgang); die dann auf knapp ein Drittel der Stimmen in der Stichwahl gesteigert werden konnten. Rüben Zamora wertete nach der ersten Runde das Ergebnis mit folgenden Worten: „Unsere Einschätzung ist in diesem Moment, ähnlich wie die Einschätzung anderer Leute, daß wir einen zweiten Wahlgang erreicht haben. Dies war von Anfang an unsere Strategie, und wir haben der Arena-Partei erstmals eine Niederlage bereitet, denn ihre Strategie war es, im ersten Wahlgang zu gewinnen“. Auch bei den Wahlen zur Nationalversammlung erreichte Arena die absolute Mehrheit der Sitze nicht (39 von 84 Sitzen). Mit 21 Sitzen wurde die FMLN zweitstärkste Kraft im Parlament. Der überwiegende Teil der Bürgermeisterposten fiel an Arena.

Hunderttausende von Wahlberechtigten von der Stimmabgabe ausgeschlossen

Die Wahl verlief nach offiziellen Verlautbarungen der UNO-Beobachterkommission (ONUSAL) ausgesprochen ruhig. Gewalttätige Zwischenfalle blieben in der Tat auch nach Berichten der Wahlbeobachterinnen des Ökumenischen Büros aus. Schon am Wahlabend allerdings machten die mehr als 3000 anwesenden Wahlbeobachterinnen und Journalisten aus aller Welt auf eine ganze Reihe teils schwerwiegender Unregelmäßigkeiten aufmerksam, die das Wahlergebnis zugunsten der regierenden Arena-Partei beeinflußten. Auch die Linkskoalition (FMLN-CD-MNR) verurteilte „energischst die Unregelmäßigkeiten während der Wahlen vom 20. März“. Nach deren Angaben war vor allem die Handhabung des Wahlregisters darauf angelegt, den Wahlsieg von Arena zu begünstigen:

Insgesamt wurden rund 25 % der Wahlberechtigten daran gehindert, ihre Stimme abzugeben. Dies erklärt auch die trotz des regen Andrangs relativ geringe Wahlbeteiligung von 55%. Die Handhabung des Wahlregisters wirkte in gewisser Weise wie ein Filter, der insbesondere Anhängerinnen der linken Opposition von der Teilnahme an den Wahlen ausschloß. Dies geschah auf mindestens vierfache Weise:

1. Filter: Fehlende Wahlausweise
Etwa 300.000 der 2,7 Millionen Wahlberechtigten wurden bereits im Vorfeld von der Wahlteilnahme ausgeschlossen, da sie ihre beantragten Wahlausweise nicht erhalten hatten, und zwar wegen fehlender Geburtsurkunden, unzureichend ausgefüllter Antragsformulare oder weil der Oberste Wahlrat seiner Pflicht, die Wahlausweise rechtzeitig auszugeben, nicht nachkam.

2. Filter: Fehlende öffentliche Transportmöglichkeiten Der Oberste Wahlrat kümmerte sich überhaupt nicht um Transportmöglichkeiten, um Wählerinnen von abgelegenen Orten zu den Wahllokalen zu bringen. Auch in der Hauptstadt San Salvador waren öffentliche Verkehrsmittel lediglich sporadisch im Einsatz. Wohl aber gelang es der Arena, ihre Anhängerinnen in eigens organisierten Bussen und Lastwagen zur Stimmabgabe zu bringen.

3. Filter: Unvollständige Wählerinnen-Liste Tausende von Leuten (ca. 12% der Wählerinnen) fanden ihre Namen nicht im Wahlregister der zuständigen Wahllokale, sei es, weil sie einfach nicht enthalten waren oder die Listen unvollständig waren. Hierbei fiel auf, daß in ehemaligen Konfliktzonen ein wesentlich höherer Prozentsatz der Wahlberechtigten von der Stimmabgabe ausgeschlossen wurde als im Landesdurchschnitt. So stellte man fest, daß in Ilobasco (Cabanas) die Hälfte der Leute nicht im Wählerverzeichnis erschien. In Opico (La Libertad) tauchten mehr als 75 Namen nicht in den Listen der Wahlbehörde auf. Ähnliche Fälle wurden aus Guar-jila, Acajutla, Ciudad Arce, La Libertad, El Congo und Carolina gemeldet.

4. Filter: Wählerinnen abgewiesen
Desweiteren verlief der Wahlvorgang selbst ungeheuer langsam. Während der ersten fünf Stunden konnten nur 25% der registrierten Wähler ihre Stimme abgeben, und in vielen Wahllokalen mit langen Warteschlangen gaben zahlreiche Leute nach oft mehrstündigem Warten auf. Nachdem die offizielle Wahlzeit abgelaufen war und die Wahllokale um 5 Uhr schlössen, wurden die noch scharenweise vor den Wahllokalen Wartenden einfach abgewiesen.

Im Vorfeld der Wahlen: Einschüchterung und Gewalt

Neben diesen vielfaltigen Ausschlußmechanismen, die sicherlich die schwerwiegendste Belastung des Wahlprozesses darstellten, dürfte ein weiterer Grund für die geringe Wahlbeteiligung gewesen sein, daß es nicht gelungen war, das vorherrschende Klima der Gewalt und der Einschüchterung vor den Wahlen einzudämmen. Zwar versuchte UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali bereits in seinem Bericht an den Weltsicherheitsrat über den Fortgang des Friedensprozesses in El Salvador, die Auswirkungen politischer Gewählt auf die Wahlen herunterzuspielen. Laut FMLN-Angaben allerdings wurden zwischen dem 9. 12. 1993 und dem 10. 2. 1994 elf Mitglieder der FMLN ermordet. Ferner erfolgten unzählige Morddrohungen von Seiten der Todesschwadrone gegen Mitglieder und Sympatisanten der Organisation. Ein Attentat auf Nidia Diaz, FMLN-Führungsmitglied und Kandidatin für die Nationalversammlung, schlug nur knapp fehl. Selbst Augusto Ramirez Ocampo, Missionschef von ONUSAL, erklärte, daß „es unmöglich ist, sich nicht vorzustellen, daß dieses Attentat keine klare politische Bedeutung hatte, nicht nur weil Nidia Diaz eine der großen Führerinnen der FMLN ist, sondern auch wegen ihrer Kandidatur zur Nationalversammlung. Ohne Zweifel geschah dies zur Einschüchterung, um das Wahlergebnis zu beeinflussen und ich denke, daß man den Friedensprozeß von solchen besorgniserregenden Umständen säubern muß“.

Weitere Unregelmäßigkeiten

Von weiteren Unregelmäßigkeiten wissen zahlreiche Wahlbeobachterlnnen auch aus verschiedenen Departements des Landes zu berichten. So trug die Armee durch demonstrative militärische Präsenz an einigen Orten dazu bei, den Wahlvorgang zu behindern. In Chalatenango sperrte sie eine Brücke und blockierte auf diese Weise die Stimmabgabe. Ähnliche Fälle ereigneten sich in Apopa, Sensuntepeque und Aguilares. In Santa Ana drang die Nationalpolizei (PN) mit schweren Waffen in ein Wahllokal ein. Ebenso unternahm der Oberste Wahlrat nichts, um die Verteilung von Propaganda-Material der Arena vor und selbst in Wahllokalen zu verhindern, obwohl das Wahlgesetz jegliche Wahlpropaganda bereits ab dem 16. März untersagte.

El_Salvador_Wahl_1994.jpg

2. Runde (24.4.1994) mit 46% Wahlbeteiligung

  • ARENA: 67,76%
  • Linkskoalition: 32,24%

  • Nach einem Bericht von Julie Scheer und Susanne Greiling, Wahlbeobachterinnen des Ökumenischen Büros und der EKD.

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