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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Die Dinge des Lebens

Iván Guerrero | | Artikel drucken
Lesedauer: 16 Minuten

Als ich klein war, habe ich immer gesagt, daß ich nie heiraten würde, schließlich kann man die Liebe in ihrer ganzen herrlichen Größe haben – wenn es überhaupt so etwas wie Liebe gibt – ohne sich gleich festbinden zu lassen. So dachte ich, aber die Ereignisse, die das Leben für mich bereithielt, haben meine Meinung über die Ehe geändert.

Pah! Mit siebzehn hatte ich schon eine Frau, naja, viele in meinem Alter hatten auch eine, aber bei mir war es anders, ich lebte nicht nur mit einer zusammen, sondern ich war richtig verheiratet, nicht bloß vom Standesamt, sondern sogar kirchlich.

Wenn ich zähle, wie oft ich geheiratet habe, komme ich auf achtmal beim Standesamt und davon dreimal in der Kirche. So weit ist es mit mir gekommen. Zur Zeit habe ich gar keine Frau. Die letzte haben sie mir umgebracht. Danach habe ich beschlossen, nie wieder zu heiraten, und ich hoffe, daß ich diesmal dabei bleibe. Das war vor drei Jahren, damals war ich dreiundfünfzig, nicht mehr und nicht weniger.

Meine erste Frau hieß lsabel, und alle, die sie kannten und mit ihr befreundet waren, nannten sie Chavelita.

Die Chavelita verkaufte Getränke und Pasteten, Kuchen, Laugenbrezeln, Torten, Bonbons, Schokolade, Zigaretten, Streichhölzer und Kaugummi – natürlich die von Adams. Sie stand immer vor dem Kino in meinem Viertel. Es war ein belebtes Viertel, eines der ältesten im früheren Managua, heute existiert es nicht mehr.

Die Chavelita war 24, als wir geheiratet haben. Ich kannte sie schon lange, schon seit ich klein und sie ein hübsches Fräulein war und bereits einen Freund hatte. Irgendwie habe ich mich in sie verliebt. Immer wenn ich mit meinen Freunden aus dem Kino kam, gingen wir zur Chavelita etwas trinken und unterhielten uns mit ihr und machten Witze. Am Ende, als die Straße leer war und man nicht mehr mit Kunden rechnen konnte, halfen wir ihr den Stand abzubauen und alles, was drauf war wegzuräumen, und dann schoben wir ihr den Wagen bis zu ihrem Zimmer. Sie wohnte in einer von den beiden Billigpensionen in unserer Straße. Das machten wir jeden Tag, und so kam es, daß ich danach noch lange mit der Chavelita vor der Tür stand und mich unterhielt, manchmal die halbe Nacht lang. Nach einer Weile ergab es sich, daß ich auch in ihrem Zimmer übernachtete, und schließlich schlief ich nicht nur dort, sondern wir liebten uns auf ihrer Pritsche, die so hart war, daß ich nächsten Morgen mit Rückenschmerzen aufwachte.

Die Brüder der Chavelita hielten den Mund, sie hatten sowieso nichts zu sagen, denn sie waren jünger als sie und lebten von dem, was die Chavelita mit ihrer Arbeit verdiente. Einen Vater hatte sie nicht, allenfalls kannte sie ein paar Stiefväter, und ihre Mutter war vor zwei Jahren gestorben.

Wir liebten uns aufrichtig. Ich half ihr beim Verkauf der Getränke und Pasteten. Meine Familie hatte nichts dagegen, sie war sogar dafür, daß ich sie heiratete, denn schließlich war die Chavelita schwanger. Ich tat, was sie wollten, ohne weiter über die Folgen nachzudenken, und ohne mich zu erinnern, was ich noch kurze Zeit vorher behauptet hatte: ‚Ich werde niemals heiraten!‘ Ich hatte kein Geld, und so ging ich in ein Leihhaus, das gab es damals, und wollte mir eine Anzugjacke borgen. Das Problem bestand darin, daß die einzige Jacke in meiner Größe weiß war – sie paßte nicht besonders zu meiner feuerroten Hose, und diese Hose mußte ich anziehen, denn es war die einzige, die einigermaßen passabel aussah. Wie gesagt, es paßte nicht zusammen, aber weil schon alles fertig und keine Zeit mehr war, eine andere Jacke zu suchen, und weil ich auch kein Geld hatte und dieses Leihhaus das billigste war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich damit zufriedenzugeben. Die Kirche hatte mich schon eine schöne Stange Geld gekostet, und das, obwohl ich mit dem Pfarrer verhandelte, bis er mit dem Preis herunterging. Dafür verlangte er dann aber, daß ich auf einem völlig verwilderten Stück Land von ihm Unkraut jätete. Unsere Hochzeitsfeier nach dem Standesamt und der Kirche war sehr lustig. Wir haben gefeiert, wie es sich ziemt.

Nach einem halben Ehejahr mit der Chavela – zu diesem Zeitpunkt nannte ich sie schon nicht mehr Chavelita – hatte ich genug. Ich hatte sie so satt, daß ich keinen Sinn mehr im Leben sah. Ich arbeitete zu dieser Zeit als Maurergehilfe auf einer Baustelle. Dort lernte ich die hübsche Lourdes kennen, mit der ich dann ziemlich oft ausging. Wir küßten uns — und machten noch andere Dinge, aber „das“ haben wir nicht gemacht, obwohl wir ab und zu nahe daran waren, denn wir waren ziemlich hitzig. Ich will nicht bestreiten, dass ich in die Lourdes ein wenig verliebt war. Manchmal glaube ich, daß ich einer bin, der sich in nullkommanichts verliebt.

Die Chavela und ich ließen sich genau acht Monate nach unserer Hochzeit scheiden. Ich blieb nicht bei Lourdes, denn sie unterhielt inzwischen ernsthafte Beziehungen zu meinem Vorarbeiter und schenkte mir keine Beachtung mehr. Böse Zungen behaupteten, daß sie von ihm schwanger sei.

Die Chavela bekam das Kind nicht, das sie von mir erwartete. Im dritten Monat ihrer Schwangerschaft, als wir gerade vier Wochen verheiratet waren, hatte sie eine Fehlgeburt. Soweit ich weiß, ließ sie sich mit einem anderen ein, ein Jahr nachdem wir uns scheiden ließen. Ihr Neuer war einer meiner Freunde von früher, einer von denen, die mit mir die Chavelita nach dem Kino besucht hatten.

Fünf Monate in Freiheit und felsenfest davon überzeugt, daß ich nie wieder heiraten würde, schließlich hatte ich mich einmal in die Nesseln gesetzt und würde es nicht nochmal tun, zog ich zu einer Frau, die zwölf Jahre älter war als ich. Sie hieß Teresa und war Lehrerin. Sie war meine Lehrerin gewesen, um es genau zu sagen, meine Lehrerin in der ersten Klasse, und sie hatte damals gerade begonnen zu unterrichten.

Ich weiß nicht, wie wir zueinanderkamen. Einmal begegnete ich ihr, und wir begannen, uns lebhaft zu unterhalten. Später trafen wir uns öfter unter dem Vorwand, daß ich weiter zur Schule gehen müsse und sie mir dabei helfen konnte, in eine Sekundärschule aufgenommen zu werden. Ich hatte vor zwei Jahren mit der Schule aufgehört, hatte die dritte Klasse der Sekundärschule angefangen, aber nicht beendet. Teresa half mir, wieder in die Schule aufgenommen zu werden. Sie gefiel mir, und ich machte ihr den Hof. Anfangs schien sie nicht begreifen zu wollen, daß ich sie mochte.

Einmal kamen wir von einem Fest, zu dem sie mich eingeladen und wohin ich sie begleitet hatte. Wir machten halt in einem Park, wir hatten etwas getrunken, und ich küßte sie. Ihr war nicht wohl dabei, aber ich bedrängte sie so, daß sie sich endlich küssen und streicheln ließ, und schließlich liebten wir uns auf dem Rasen im Park. In dieser Nacht landeten wir in einer Pension. Am Ende verstand sie, daß ich sie zur Frau wollte.

Teresa und ich verbrachten einige Wochen damit, billige Pensionen und Hotels zu besuchen oder Runden in einem ziemlich dunklen Park der Hauptstadt zu drehen, wo wir uns unseren Leidenschaften hingaben, bis sie mir vorschlug, daß ich mit zu ihr kommen und bei ihr wohnen solle. Ich ließ sie nicht lange warten; drei Tage später zog ich zu ihr.

Teresa lebte bei ihren Eltern und hatte ein unausstehliches Kind, das in gewisser Weise später die Ursache für unsere Trennung war. Aber zuvor heiratete ich sie. Warum? Aus Dankbarkeit, weil sie herzensgut zu mir war. Sie war verliebt in mich und wollte mich nicht verlieren, und sie dachte, durch die Heirat könne sie mich halten. Sie bat mich also, sie zu heiraten, und ich konnte nicht nein sagen.

Wir ließen uns trauen, aber nur standesamtlich. Ich ging weiter zur Schule, deswegen sahen wir uns nur am Abend. Bald begann Teresa, mich herumzukommandieren und hatte ständig etwas an mir auszusetzen. Dazu kam, daß ihr Sohn mich überhaupt nicht mochte. Das Sprichwort sagt bekanntlich: „Der Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht.“ Und genau das passierte in unserer Beziehung. Wir trennten uns. Sie wollte nicht, aber ich ertrug es nicht mehr. Wir trafen uns weiter, und natürlich nutzten wir diese Treffen, um zusammen ins Bett zu gehen.

Ich wollte mit der Schule fertigwerden, und ich wollte keine Schwierigkeiten mehr mit Frauen. Indes, „der Mensch denkt, und Gott lenkt“. Kurz bevor ich meinen Sekundärschulabschluß erhielt, verliebte ich mich in ein Mädchen namens Claudia. Sie war eine elegante Erscheinung. Ich machte ihr den Hof, und sie schien davon angetan. Wir heirateten mit Pauken und Trompeten, standesamtlich und in der Kirche.

Claudia war nicht aus der Hauptstadt, sie kam aus einer der Provinzen, aus Leon. Deshalb bekam sie nicht mit, daß ich schon zweimal geschieden war. Ohnehin kann man ja eine kirchlich geschlossene Ehe nicht auflösen.

Die Trauung fand in León statt. Unsere Liebe war heiß, wir liebten uns im Morgengrauen, vor dem Frühstück und am Abend. Leider dauerte das Ganze nicht lange. Als sie ihren Schulabschluß hatte, eröffnet mir Claudia, daß sie nach Leon ziehen wolle. Ich war natürlich dagegen, aber meine Einwände waren nutzlos. Sie ging zurück zu ihrer Mutter. Mir blieb nichts weiter übrig, als sie jedes Wochenende in Leon zu besuchen. Und ich, verrückt wie ich war, nahm jeden Samstagmorgen den Überlandbus, um hinzufahren. Montags in aller Frühe mußte ich dann zurück. Meistens schlief ich noch halb, wenn ich an die Haltestelle kam. Irgendwann hatte ich die Nase voll, und ich blieb am Wochenende in Managua. Claudia begann zu glauben, daß ich dort eine Geliebte hätte, oder daß ich mich mit ihr langweilen würde. Das war der Anfang vom Ende.

In Managua gehörte ich zu einer Gewerkschaftsgruppe. Dort traf ich Adela. Sie gefiel mir, ich wartete nicht lange und machte ihr Komplimente. Sie war nicht sehr konservativ, und wir landeten bald im Bett. Ich besuchte Claudia nicht mehr, und kurz darauf schickte sie mir meine Sachen und die Scheidungspapiere. Ich hatte nichts dagegen und blieb bei Adela.

Diesmal heiratete ich zum Glück nicht. Unsere Beziehung dauerte nämlich nur drei oder vier Monate. Adela hatte sehr liberale Ansichten, was das Liebesleben anging – um es deutlicher zu sagen, sie ging mit jedem ins Bett, der ihr gerade über den Weg lief.

Drei Jahre lang ging ich mal mit einer, mal mit einer anderen, bevor ich Marta kennenlernte. Ich wollte eine feste Beziehung mit ihr, und auch sie bestand darauf: ohne Hochzeit, wenn auch nur durch das Standesamt, wollte sie nicht mit mir Zusammensein. Ihr erzählte ich, daß ich geschieden sei und zeigte ihr die Scheidungspapiere von Claudia, erzählte ihr aber nichts von den anderen Ehen. Ach, aber zwischen Himmel und Erde bleibt nichts verborgen, und zwei Jahre nach der Hochzeit erfuhr sie von meiner Vergangenheit und daß ich sie einmal betrogen hatte. Sie verlangte, daß wir uns trennten, da ich, wie sie sagte, mich sowieso nie ändern würde. Sie packte ihre Sachen und ging. Ich konnte sie nicht zurückhalten, auch wenn ich noch so sehr um Verzeihung flehte und ihr für die Zukunft Treue schwor. Ich war fast fertig mit meinem Ingenieurstudium, und ich arbeitete schon in meinem Beruf. Da ich keine Frau hatte, entschloß ich mich, zu meiner Mutter zu ziehen. Gerade als ich mein Diplom erhielt, schickte mir Marta die Scheidungspapiere, als eine Art Geschenk zum erfolgreichen Abschluß des Studiums.

Über die Gewerkschaft meines Betriebes begann ich, mich mit Politik zu beschäftigen. Dort lernte ich Ines kennen. Sie war Sekretärin und attraktiv, und ich kam gut mit ihr aus. Ines wußte, daß sie mir gefiel und daß ich allein war, und eines Tages schlug ich ihr vor, daß wir uns zusammentun sollten, und sie stimmte ein wenig verwirrt zu. Wir ließen uns standesamtlich und kirchlich trauen, aber das war erst später. Ich wollte nicht heiraten, mir reichte es, ohne Papiere mit ihr zusammen zu sein, aber als wir drei Monate miteinander gelebt hatten, war Ines schwanger.

Ihr erzählte ich meine ganze Geschichte. Die Zeit mit ihr war wunderbar. Ich kehrte zu einem normalen Leben zurück, von zuhause ging ich zur Arbeit und von dort zurück nach Hause. Meine Mutter war überglücklich, da ich nun mein Ziel gefunden hatte. Aber das Schicksal ist knauserig mit manchen. Ines hatte eine sehr schwere Geburt, nach der sie sich nicht mehr erholte. Sie starb wenige Tage, nachdem unser Sohn geboren war. Nach diesem Schicksalsschlag habe ich mich nur schwer wieder gefaßt.

Zwei Jahre blieb ich Witwer, und in dieser Zeit engagierte ich mich sehr stark in der Gewerkschaft. In dieser Zeit wohnte ich bei meiner Mutter. Die Nachbarin meiner Mutter war ziemlich jung und hatte eine Schönheit mit dem Namen Alicia zur Tochter. Sie war zwanzig. Die Nachbarin mochte mich und lud mich ab und zu ein, bei ihr eine Tasse Kaffee zu trinken. Bei diesen Besuchen unterhielt ich mich immer öfter mit Alicia, wir kamen uns näher und mochten einander schließlich so, daß wir uns zu einem Fehltritt hinreißen ließen. Weil ich die Mutter von Alicia sehr schätzte, plagte mich das schlechte Gewissen. Ich wollte ihre Gastfreundschaft nicht verhöhnen.

Nach einem inneren Kampf entschloß ich mich, mit Alicias Mutter zu sprechen und um die Hand ihrer Tochter anzuhalten. Am Anfang war sie sehr verärgert, aber nachdem sie sich beruhigt hatte, akzeptierte sie mich als ihren künftigen Schwiegersohn. Alicia fühlte sich durch meine Haltung gekränkt, denn für sie war das Ganze nicht mehr als ein Abenteuer gewesen, wie sie mir sagte. Ich war ziemlich niedergeschlagen, aber es gab kein Zurück mehr, da ich ihrer Mutter schon mein Wort gegeben hatte.

Zwei Monate später heirateten wir, aber unsere Ehe stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Es war nicht meine Schuld, daß sie nicht lange hielt. Das Unglück verfolgt mich in Liebesdingen. Alicia betrog mich mit einem Armeegeneral. Sie wartete nicht mal ab, bis wir ein Jahr verheiratet waren. Der General hatte etwas, was mir fehlte: Geld, um ihre Wünsche und Launen zu befriedigen. Das einzig Gute daran war, daß ich nicht einen Pfennig für die Scheidung bezahlen mußte, denn der General kam für alles auf.

Ich war mittlerweile siebenunddreißig. Mein Sohn war groß geworden und sah genauso aus wie Ines. Ich ging manchmal am Nachmittag oder am Wochenende mit ihm spazieren. Er lebte bei ihren Eltern, seinen Großeltern, so hatte es Ines‘ Mutter gewollt und ich dachte, daß es das Beste für ihn sei.

In einer Zweigstelle meines Betriebes machte ich Bekanntschaft mit Patricia. Wir gingen zusammen aus, und bald zogen wir zusammen. Das reichte ihr aber nicht, und sie verlangte, daß wir heirateten. Ich dachte nach und sagte am Ende ja. Ich wollte endlich eine Familie. Wir heirateten, und ich begann mein Leben als Ehemann. Ich arbeitete sehr ordentlich und engagierte mich weiterhin in der Gewerkschaft, obwohl mein Betrieb das nicht gern sah. Meine Frau bekam Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb und begann schließlich, sich gegen meine Gewerkschaftsarbeit zu stellen. Sie wollte, dass ich damit aufhörte und meine Funktion aufgab, denn sonst hatte sie keine Chance, eine höhere Position zu bekommen. So fingen unsere Probleme an, und bald stritten wir uns nur noch.

Unsere Ehe nahm kein gutes Ende. Sie löste sich auf, als mich die Gewerkschaft zu einem Aufenthalt von sechs Monaten nach Prag schickte. Patricia war völlig dagegen, und meine Entscheidung, trotzdem zu gehen, führte dazu, daß sie die Scheidung verlangte, die ich ihr nicht verweigerte. Als ich aus Prag zurückkehrte, war ich wieder ledig. Aus meinem Betrieb wurde ich entlassen, und nach kurzer Zeit verhaftete man mich sogar, womit mir die Regierung meinen Aufenthalt in einem sozialistischen Land quittierte. Ich verbrachte sieben Monate im Gefängnis. Die Gewerkschaft und die Sozialistische Partei taten, was sie konnten, aber es war schwer, mich rauszuholen. Mein Glück scheint mein ärgster Feind zu sein, es liebt mich nicht und läßt mich nicht in Frieden leben. Während ich im Gefängnis war, wurde meine Mutter schwerkrank, und alles, was die Ärzte unternahmen, um sie wieder gesund werden zu lassen, war umsonst. Gott vergebe mir, denn ich konnte nicht einmal zu ihrer Beerdigung gehen, ich bekam keine Erlaubnis dafür.

Als ich freikam, hatte ich zuerst keine Bleibe. Meine Geschwister waren verheiratet, und ich genierte mich, sie um Aufnahme zu bitten. Schließlich bot mir die Leitung der Partei an, in ihrem Gästehaus zu wohnen. Ich nahm an, und sie gaben mir ein kleines Gehalt. So wurde ich ein Parteiarbeiter: In meinem Beruf waren mir alle Möglichkeiten versperrt. Es war ein Fehler, ins Parteihaus zu ziehen: in den drei Monaten, da ich dort wohnte, wurde ich zweimal festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Da die Partei ihren Einfluß auf dem Land vergrößern wollte, schlugen sie mir vor, dabei die Leitung zu übernehmen. Ich begann also in San Fernando zu arbeiten. Dort bildeten sich schnell Gewerkschaftsgruppen. Der Mann, der sämtliche Verbindungen herstellte, war Don Pedro. Mit ihm schloß ich Freundschaft, und bald verbrachte ich meine ganze freie Zeit bei ihm. Don Pedro hatte eine Tochter… Renata war neunzehn, und sie war ein reizendes Geschöpf. Zwischen mir und Renata entwickelte sich eine gegenseitige Anziehung. Als ich Don Pedros Haus wieder einmal besuchte, siegte die Versuchung: die Situation war wie geschaffen für ein Liebesstelldichein. Wir merkten nicht, daß ihr Vater plötzlich zurückkam. Er setzte mir eine Machete an den Schädel und bot mir zwei Alternativen: den Altar oder den Friedhof. Klar, daß ich mich für den Altar entschied. Ich ging allerdings nicht zum Pfarrer, sondern direkt aufs Standesamt, und am nächsten Tag waren wir verheiratet. Unsere Flitterwochen waren ziemlich kurz, denn die Nationalgarde von San Fernando hatte inzwischen meinen Aufenthaltsort erfahren, und fünf Tage nach der Hochzeit wurde ich verhaftet und nach Ocotal gebracht, wo ich wieder acht Monate im Gefängnis saß. Danach kehrte ich in die Stadt zurück. Renata begleitete mich.

Die Arbeit für die Partei nahm mich sehr in Anspruch, und ich verbrachte fast meine ganze Zeit damit. Außerdem mußte ich meiner Frau beim Lernen helfen, denn sie konnte kaum lesen und schreiben. Renata war sehr hartnäckig, und sie wollte unbedingt studieren. Es waren sehr schwierige Jahre, vor allem, weil ich ziemlich oft ins Gefängnis mußte. 1972, als ich gerade wieder einsaß, ereignete sich das große Erdbeben, das fast die ganze Stadt zerstörte.

Renata und ich hatten zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. 1976 mußte ich wegen der Verfolgung durch die Nationalgarde in die Illegalität gehen. Wenige Monate vor dem Zusammenbruch der Diktatur wurde meine Frau verhaftet. Nach dem Krieg erfuhr ich, daß sie Renata in den ersten Junitagen umgebracht hatten. Meine Kinder hatten keine Mutter mehr, und ich verlor die Frau, die ich liebte. Der Tod von Ines war damals schlimm für mich gewesen, aber den Verlust von Renata habe ich nicht verwinden können. Ich kann nicht einmal ihr Grab besuchen, denn ich weiß nicht, wo man sie begraben hat. Ach, dieses Leben ist hart!

Übersetzung: Gabi Pisarz

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