Otto Rene Castillo wurde in 1936 in Quetzaltenango – einer Provinzhauptstadt im Nordwesten Guatemalas -geboren. Er erhielt u.a. folgende Preise: „Premio Centroamericano de Poesia“ durch die Universität von San Salvador 1955; „Premio Autonomía“ der Universität San Carlos von Guatemala 1956; den „Premio Internacional de Poesia“ durch den Weltbund der demokratischen Jugend von Budapest aus 1957; den „Filadelfo-Salazar-Preis“ 1957. Von 1959 bis 1962 studierte er Literatur an der Universität Leipzig. Am 19. März 1967 wurde er von der von der guatemaltekischen Armee verhaftet und ermordet.
Man verliert sich
manchmal
in den Tiefen
einer Frau
und findet sich
niemals wieder.
Man geht
dann durch die Welt
seiner selbst unsicher
sicher nur seines Schweigens.
Manchmal
in einer Kneipe
Kognac trinkend
und einen traurigen Blues
hörend,
kommt jemand näher,
der uns
an die Frau erinnert,
in der wir uns
verloren haben.
Und seine Begleitung
läßt uns einsamer
denn je.
Man trinkt seinen Kognac
und geht dann.
Ohne daß jemand
verstünde
warum man lächelnd
geht.
Wenn man wenigstens
traurig wäre.
Wenn mann leiden würde
zumindest,
murrte.
Man geht
durch die Hintertür,
denn man fühlt sich
als großer Betrogener,
wenn man sich in Wirklichkeit
nur verloren hat
in den verworrene Tiefen
einer Frau,
die nicht einmal
gegangen ist,
sondern die uns
nur gehen ließ.
in Wirklichkeit
hat sie uns nicht verstanden.
Es gefällt uns, wenn man uns sagt
wie zu einsamen Kindern:
„Geh nicht. Bleib noch.
Es ist noch früh…“
Dies macht unsere Küsse
so wichtig,
daß einer Opfer
seiner eigenen Wirklichkeit wird.
Man ist so, wenn man allein ist.
Betrunken von sich bis an den Rand.
Man braucht es, daß jemand
einen wirklich braucht.
Und da keiner einen ruft,
damit man nicht geht,
so verliert man sich
in den Tiefen einer Frau,
die dann auch geht,
in dem Glauben, daß wir uns gelangweilt hätten,
ihre Lippen zu küssen und ihre Seele zu betrachten.
Es ist alles so verworren,
daß ich manchmal
mit Neid
an die einfachen Verliebten denke,
die durch Hände und Lippen vereint
die Einsamkeit des Körpers
noch nicht kennen.
Man verliert sich
manchmal
in den Tiefen
einer Frau,
die dann geht.
Und wenn man gegangen ist.
Und wir werden uns nicht mehr
wieder treffen.
Denn man bleibt
allein mit sich,
für immer in dem Glauben,
der große Betrogene zu sein,
der Cognac trinken muß
und sehr traurig sein,
und die harte Aufgabe
zu erfüllen
zu leben.
übersetzt von Reinhard Thoma und entnommen aus dem Buch „Selbst unter der Bitterkeit“ publiziert von Informationsstelle Guatemala e.V.