El Salvador: Präsident Bukele macht „Urlaub“ von seinen Amtsgeschäften, oder wie man völlig legal die Verfassung verletzen kann
|Derzeit wird der salvadorianische Präsident Nayib Bukele in seinem Amt vertreten. Nein, er ist nicht etwa tot, krank, zurückgetreten oder anderweitig verhindert, und sein Vertreter ist auch nicht wie in ähnlichen Fällen üblich der Vizepräsident. Bukele macht einfach „Urlaub“ von seinem Präsidentenposten, zwar ohne Gehalt, aber mit weiter geltenden Vorrechten wie z. B. dem der Immunität. Vizepräsident Félix Ulloa, der dessen Amt in einem üblichen Fall hätte übernehmen müssen, tut es ebenso. Bukeles Vertreterin für genau ein halbes Jahr ist vielmehr seit dem 1. Dezember 2021 … seine Privatsekretärin Claudia Juana Rodríguez de Guevara, ihres Zeichens gelernte Finanzbuchhalterin. Ein Schalk natürlich, der bezweifelt, die Privatsekretärin regiere gänzlich ohne ihren Boss. Bukeles Grund? Obwohl die seit 1983 geltende Verfassung selbiges ausdrücklich verbietet, wollte er doch so gern eine weitere Präsidentschaftsperiode genießen, zum Wohle seines Volkes natürlich. Im Unterschied zu woanders amtierenden Präsidenten hat er es dazu nicht einmal für nötig befunden, die Verfassung zu ändern. Wie das ging? In weiser Voraussicht hatte Bukele schon im Mai 2021 das Oberste Gericht, einschließlich des fünfköpfigen Verfassungsgerichts (Sala Constitucional de la Corte Suprema), austauschen lassen, über einen Beschluss des Parlaments wohlgemerkt. Nicht weiter verwunderlich, wenn doch Bukeles Partei Nuevas Ideas bzw. deren Koalition darin über die absolute Mehrheit verfügte. Am 3. September 2021 hat dann das nach Bukeles Gutdünken neu zusammengesetzte Gericht die geltende Verfassung von 1983 neu „ausgelegt“ … einfach so, weil es das eben konnte, was dann auch das Parlament, wieder gehorsamst, bestätigte. Dass selbige Verfassung aber allein schon nach Artikel 88 völlig eindeutig jegliche Wiederwahl des Präsidenten verbietet (die Artikel 131, 154, 248, 75 bestimmen Ähnliches), wurde vom neuen Verfassungsgericht und von der Obersten Wahlbehörde schlichtweg ignoriert. Diese stützten sich bei ihrer Entscheidung allein und diesen letztlich „uminterpretierend“, besser: auch ihn verletzend, auf Artikel 152/1. Ansonsten sei die Verfassung eben „nicht mehr up to date, weil nur den Anforderungen von vor 40 Jahren entsprechend“. Auch so kann man also Verfassungsverletzung legitimieren, ja „legalisieren“! Artikel 152/1 besagt: „Nicht Präsidentschaftskandidat darf sein, wer, ob konsekutiv oder nicht, die Präsidentschaft während der unmittelbar vor der (neuen/Einfügung: Quetzal) Präsidentschaft liegenden Periode, von sechs Monaten, ausgeübt hat (…)/Übersetzung: Quetzal.“ Laut Verfassungsgericht „müssen“ am 1. Dezember 2023 also lediglich sechs Monate, bis zum 1. Juli 2024, dem Tag der Inauguration des „neuen“ Präsidenten, überbrückt werden. Dass Bukele bereits viereinhalb Jahre regiert hat, fällt somit überhaupt nicht ins Gewicht. In der so definierten sechsmonatigen Periode dürfe der alte Präsident „natürlich“ für eine weitere Präsidentschaftsperiode kandidieren. Weil er ja in dieser Zeit vom Präsidentenamt „getrennt“ sei, handele es sich auch nicht um eine Wiederwahl, zumal diese ja gar nicht garantiert sei, denn er kandidiere ja nur. Nun also kann Bukele in aller Ruhe Wahlkampf machen. Die Präsidentschaftswahlen sollen am 4. Februar 2024 stattfinden. Umfragen sagen voraus, dass darin zwischen 62 und 93 Prozent der WählerInnen für Bukele stimmen könnten. Dass er sie gewinnen wird, daran zweifelt niemand. Kein Wunder, bei einer derart schwachen Opposition! Übrigens: Der letzte salvadorianische Präsident, der das in der Verfassung verankerte Verbot der Wiederwahl des (Vize)Präsidenten missachtete, amtierte nicht etwa zu Zeiten des Bürgerkrieges, sondern es war … Maximiliano Hernández Martínez, seines Zeichens berüchtigter Diktator zwischen 1931 und 1944! (Bildquelle: David_Peterson, Pixabay cc)