Chile: 35 Jahre nach dem Beginn des Wiederaufbaus der Demokratie
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An einem Tag wie heute kehrte das chilenische Volk auf den Weg der Demokratie zurück. Der Amtsantritt von Patricio Aylwin Azócar (Partido Demócrata Cristiano) gab 1990 den Auftakt für einen langen und schwierigen Prozess des demokratischen Wiederaufbaus nach 17 Jahren Diktatur General Augusto Pinochets. Das Militär hatte nach dem Sturz der demokratischen Regierung der Unidad Popular unter Salvador Allende im September 1973 die Präsidentschaft in Chile übernommen und das Land rasch in ein großes Konzentrationslager verwandelt. Die Rückkehr an die Wahlurnen wurde durch das nationale Plebiszit von 1988 ermöglicht, eine Volksabstimmung, die in den Übergangsbestimmungen der Verfassung von 1980 vorgesehen war. Die von der De-facto-Regierung erlassene Carta Magna sah vor, dass ab 1987 eine Reihe von Übergangsmaßnahmen in Kraft treten sollte, um in einem Plebiszit zu entscheiden, ob Pinochet bis 1997 an der Macht bleiben sollte. Nach dem Sieg des „Nein“ mit fast 56 % der Stimmen wurden für 1989 Wahlen zur Exekutive und Legislative angesetzt. Mit der Entgegennahme der Präsidentenschärpe von Pinochet begann für den neuen Präsidenten Alwyn und das chilenische Volk ein komplexer Prozess des Übergangs zu einer „geschützten“ Demokratie. Einerseits war Alwyn und die nachfolgenden demokratischen Regierungen moralisch verpflichtet, ihrer Verantwortung zu Gerechtigkeit im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur nachzukommen, andererseits musste ein politischer Konsens mit den rechten Kräften gesucht werden, um dem Übergangsprozess Stabilität zu verleihen. Tatsächlich behielt der scheidende Diktator seinen Posten als Oberbefehlshaber der Armee bis 1998 und wurde dann Senator auf Lebenszeit. Pinochet wurde später während eines Besuchs in London verhaftet, nachdem er des Völkermords, des internationalen Terrorismus, der Folter und des Verschwindenlassens von Personen beschuldigt wurde. Ihm gelang es, 2000 in sein Land zurückkehren, wo er mehrfach angeklagt und immer wieder freigesprochen wurde. Zum Zeitpunkt seines Todes 2006 genoss er seine Freiheit. Nach Jahren der sozialen Unzufriedenheit löste die „Demokratie der Abkommen“ Oktober 2019 eine der größten sozialen Mobilisierungen in der chilenischen Geschichte aus und führte 2020 zu einem Referendum, mit dem versucht werden sollte, die aus den Jahren der Führung übernommene Verfassung zu ändern. Der vorgelegte Verfassungsentwurf wurde jedoch drei Jahre später abgelehnt – so dass die von der Diktatur entworfene Verfassung weiterhin das Schicksal Chiles bestimmt. (Bild: Quetzal-Redaktion, pg)