Unzählige Diskussionen gibt es zur möglichen „Redlichkeit“ der Opposition hinsichtlich eines Dialogs mit der Regierung. Damit wird eine öffentliche Meinung geformt, die weniger die Notwendigkeit der Verständigung selbst thematisiert, als eher eine gewisse Verpflichtung der Regierung, zu einer Verabredung kommen zu müssen. Gleichzeitig wird deutlich gemacht: wer nicht für diesen Dialog ist, der solle politisch verdammt sein. Allerdings handelt es sich dabei um eine falsche Interpretation, die versucht, klar zu trennen zwischen dem Guten, der den Dialog sucht, und dem Bösen, der ihn nicht zulässt.
Der politische Wille der Regierung, eine Brücke zu einer solch volksnahen Opposition wie der unseren zu schlagen, zeigt dem Land besonders zu diesem Zeitpunkt einmal mehr, wie sehr man dem Konsens in einer Demokratie zugetan ist. Zunächst ist aber diese Demokratie selbst zur notwendigen Umstrukturierung gezwungen, sowohl im Staatsapparat als auch in den institutionellen Strukturen. Notwendig sind zudem ein neuer Prozess zur wiederholten Legitimierung der gegenwärtigen politischen Amtsträger sowie schließlich eine neue Einigung darüber, wie die Regierungsarbeit zu leisten ist und wie dies in Zusammenarbeit mit den politischen Parteien geschehen kann.
Es ist weder bloße Provokation, noch ist es sonderlich einfach, inmitten dieses Szenarios nach einem Dialog zu rufen und möglicherweise kann sich niemand, der den tiefen Riss einmal bemerkt hat, dem Dialog verweigern. Wer ist nun – vor diesem Hintergrund – bereit, sich über die Konsolidierung neuer politischer Vorhaben zu verständigen?
Ein Dialog mit Regierungsgegnern, die in ihren Grundsätzen zur Umstrukturierung übereinstimmen, zeichnet sich in Venezuela nicht ab. Schlimmer noch: die Bedingungen, die ihn ermöglichen würden, sind gar nicht erst auszumachen. Zu welchem Dialog soll es kommen, ohne dass es ein politisches Programm gibt, das dem der Regierung gegenübersteht?
Dass das Land politisch gespalten ist, ist nicht das Hauptproblem. Die moderne Politikwissenschaft, die eine Demokratie gern anhand ihres repräsentativen Charakters einordnet, kann ihre „positive“ Einschätzung dieser politischen Differenzierung nicht verbergen. Zu behaupten, das Land sei quantitativ gespalten, ist nicht korrekt. Und betrachtet man den Ausgang des Referendums vom 15. Februar 2009, kann von einer Polarisierung noch viel weniger die Rede sein. In demokratischen Staaten hat es stets den Verlierern an politischer Repräsentanz gemangelt, was allerdings verfassungsrechtlich verwunden werden konnte. Worin liegt nun bei uns der Unterschied?
Es ist nötig, darüber zu diskutieren, wie gegnerische Kräfte in die Staatsführung einbezogen werden können. Allerdings folgen diese weder den Grundsätzen der „Redlichkeit“ noch denen des konstruktiven Zwiegesprächs. Ganz im Gegenteil: sie planen einen radikalen Bruch und wollen ohne viel Gerede den Machtwechsel.
Demnach gilt es, die Eigenschaften einzuschätzen, welche die gegnerischen Kräfte kennzeichnen. Kurz gesagt: man steht einem patriotischen Bürgertum gegenüber, das sich auf das Punto-Fijo-Abkommen des Jahres 1958 gründet; man begegnet einer neuen Art des Klassenkampfes und tritt schließlich einer Rechten gegenüber, die bei jeder Gelegenheit versucht, mit linker Rhetorik Stellung zu beziehen. Daher heißt es: Vorsicht!
Wohin soll der Dialog führen? Nach zehn Jahren, in denen man versucht hat, die Revolution zusammenzuhalten und zu vertiefen, kann niemand – bis auf wenige Ausnahmen – die Verbesserungen leugnen, die auf allen Ebenen der Gesellschaft und bei der Lebensqualität erreicht wurden. Was fehlt nun noch?
Voraussetzung der Revolution ist die Umgestaltung der institutionellen Strukturen des Staates und des demokratischen Systems selbst sowie die Suche nach Wegen, die kapitalistische Kultur in eine sozialistische umzuwandeln. Wenn das nicht stattfindet, dann ist dies keine Revolution, sondern schlicht und einfach eine andere Sache.
Über die Effizienz der Regierungsarbeit muss gesagt werden, dass sie die Achillesferse der Regierung darstellt und darüber hinaus der Grund dafür gewesen ist, dass die gewünschten 40 bis 60 Prozent an Unterstützung nicht vorhanden sind. Außerdem ist sie dafür verantwortlich, dass die Revolution nicht ihre ganze Kraft hat entfalten können.
Die massenhafte Kritik an der Unfähigkeit bis hin zur Unbrauchbarkeit des von uns geerbten Staates nimmt dadurch zu, dass die Regierung hohe Erwartungen in ihre Kooperation mit der Macht des Volkes weckt. Die Vielzahl der geweckten sozialen Forderungen ist erschöpft und mehr noch sind es Handlungsfähigkeit und Antwortmöglichkeiten.
Schlechte Nachrichten also! Effizienz und Effektivität der Regierungsvorhaben sind nicht nur eine Frage der übermäßigen Bürokratie oder unzureichenden Repräsentanz der Institutionen, genauso wenig sind sie eine Frage der ererbten bürokratischen Kultur.
Für den nötigen Dialog müssen gemeinsam (Partei und Regierung) die Möglichkeiten eines erneuerten Staats behandelt werden:
- verbesserte Funktion durch öffentliche Politik;
- Anhörung der Beteiligten (Institutionen und Organismen) nicht nur im Laufe der Entwicklung des Prozesses, sondern bereits bei der Formulierung der Politik;
- bewusster Dialog über die Notwendigkeit, neue Wege der Entscheidungsfindung einzuschlagen, und das mit neuen Repräsentanten und Führungspersonen, welche die Regierungsarbeit erneuern und legitimieren;
- den sozialen Forderungen auf neue Weise nachkommen, die sich vom passiven Stil und den organisatorischen Überresten des aktuellen Staates distanziert und
- as Vermögen, Pläne zu artikulieren und in der öffentlichen Politik umzusetzen.
All dies erfordert von einem politischen Kompromiss, dass Regierungsarbeit und Staatsführung nicht identisch sein sollten. Von der Staatsführung verlangt dies nachhaltige ideologische Stärkung, um so der Regierungsarbeit Legitimität zu verleihen. Es bedarf eines Bewusstseins für die eigene Arbeit sowie der Stärke des Staatschefs und der Entfaltung der strategischen Reihen durch die jeweils Verantwortlichen. Ob allein Überprüfung, Berichtigung und Wiederanstoß sowie die erwähnten Schritte den Herausforderungen des gegenwärtigen Staates gewachsen sind, ist unklar. Hier ist der Dialog notwendig und wird mit Sicherheit auch in die Wege geleitet werden müssen.
Der Präsident wird sich mit den nötigen Veränderungen herumschlagen müssen sowie mit der Implosion, die dies innerhalb des Revolutionsprozesses und in den Parteien verursachen wird. Wir wissen, dass die Revolution nicht nur von dem bedroht wird, was sie selbst voraussetzt und was sie im Rahmen politischer Veränderungen bedeutet, sondern sie sieht sich darüber hinaus einem von kapitalistischer Kultur durchtränkten Wertesystem gegenüber, das sogar die erfasst, die sich als Revolutionäre bezeichnen.
Alles zusammen wird dazu führen, dass der revolutionäre Versuch nicht mehr die ideologische Kraft entwickeln wird, die ein neues Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen Regierung und Volk, aufbauen kann.
Übersetzung aus dem Spanischen: Katja Schmiedgen
* Eberhard Karls Universität Tübingen