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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Uruguay – ein Kurzportrait

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten
Uruguay Kurzportrait (134 Downloads )

Los uruguayos somos poquitos, nada más que tres millones. (…)
Tres millones de anarquistas conservadores…
Eduardo Galeano: Una contradicción llamada Uruguay

Was soll ein Land denn tun, wenn es so klein ist, – und irgendwie unbedeutend? Ein Land am Rio de la Plata? Klar doch – Argentinien! Uruguay? Stimmt, das gibt es ja auch noch. Eingezwängt zwischen zwei Giganten wird dieses kleine Land von der Welt kaum wahrgenommen, gerade so, als existierte es gar nicht.

3,3 Mill. Einwohner auf 176.215 km². Das sind knapp 19 pro km². Die Hauptstadt Montevideo ist mit 1,26 Mill. Einwohnern die einzige Großstadt des Landes. Ihren Namen erhielt sie angeblich nach dem Ausspruch eines Konquistadors, der meinte, einen Berg gesehen zu haben. In einer Gegend, die sich fast auf Höhe des Meeresspiegels befindet, erscheint auch der kleinste Hügel als Berg. Geschenkt! Apropos geschenkt: Die viertgrößte Stadt (knapp 65.000 Einwohner) heißt Maldonado, was man wenig schmeichelhaft mit schlecht geschenkt übersetzen könnte. Bedarf es noch eines weiteren Kommentars?

Von den gut drei Millionen Einwohnern Uruguays leben übrigens ca. 90 % in den Städten, soll heißen der größte Teil des kleinen Landes ist leer und unbewohnt. Vermutlich leben in diesem Land mehr Rindviecher und Schafe als Menschen. Die Rinder und Schafe zeigen das „Problem“ Uruguays: Es gibt dort rein gar nichts, kein Gold, kein Silber, kein Kupfer – nur Weideflächen. Aus diesem Grund wurde Uruguay sehr spät besiedelt, erst am Ende des 17. Jahrhunderts entstanden die ersten europäischen Siedlungen. Die wenigen Ureinwohner, vornehmlich vom Volk der Charrúa, wurden schnell dezimiert und schließlich völlig ausgerottet. Man brauchte Platz für die Viehherden. Bis heute sind Viehwirtschaft und Fleischproduktion die wichtigsten Wirtschaftszweige; allerdings ist vom großen Wohlstand, den Uruguay bis in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts hinein genoss, nicht mehr viel zu spüren. Zuletzt zog die Wirtschaftskrise in Argentinien das Land mit sich hinab.

Die Geschichte Uruguays war von Beginn an eng mit der der großen Nachbarn Argentinien und Brasilien verbunden. Die Ähnlichkeiten mit Argentinien sind unverkennbar: Viehwirtschaft, Tango, Gauchos, Einwanderung vorwiegend aus Südeuropa … Die Brasilianer wiederum haben ihren Einfluss nicht nur in der Sprache hinterlassen. Die Begehrlichkeiten der Riesen in Richtung des Zwergs waren nicht gering, aber Uruguay hatte diese immer wieder abwehren können Mehr als einmal musste es sich Invasoren entgegenstellen. Doch immerhin: Truppen aus Montevideo gelang auch schon einmal die Einnahme des großen Rivalen von der anderen Seite des Flusses – Buenos Aires.. Das war noch zu Zeiten von José Artigas gewesenen. Ja, José Artigas! Der General, der Befreier im Süden – Pendant zu Simón Bolívar. Er war ein Bauerngeneral, für den argentinischen Präsidenten Sarmiento nichts anderes als ein ungebildeter Bauerntrampel. Hierzulande ist Artigas kaum jemandem bekannt, obwohl er doch der erste war, der auf dem Kontinent eine Landreform durchführte.

Wen interessiert schon ein so kleines Land? Wie lässt der Schriftsteller Mario Benedetti einen Argentinier zu einem Uruguayer sagen? „Wir haben die guten Fußballer und ihr den Weltmeister.“ Ja, doch, dieses kleine Uruguay war auch Fußball-Weltmeister! Und das sogar zweimal – 1930 und 1950. Aber das ist lange her, und selbst die patriotischsten Fußballfans des Ländchens hängen derzeit dem Traum auf einen erneuten Triumph wohl eher nicht an. Dabei dürften die beiden Weltmeistertitel der Urus wohl zu den Ereignissen in der Landesgeschichte gehören, die im Gedächtnis der Welt noch am besten haften geblieben sind.

Doch die Schweiz Südamerikas hat noch mehr zu bieten. Im Jahre 1914 setzte Präsident José Batlle y Ordoñez umfassende Bürger- und Arbeitsrechte durch, darunter auch das allgemeine Wahlrecht. Sogar Frauen sollten fortan wählen dürfen. Zumindest mit der Umsetzung des Frauenwahlrechts hatte es dann doch noch bis 1932 gedauert. Aber auch der Wille zählt, die Anerkennung universeller Menschenrechte. Und diese war in Uruguay definitiv früher vorhanden als in der (namensgebenden) Schweiz selbst. Es gibt noch einige andere zivilisatorische Errungenschaften, die in Uruguay früher umgesetzt wurden als in europäischen Demokratien. Aber das nur am Rande.

Die Stadtguerilla, eine ursprünglich eher spaßbehaftete neue „revolutionäre“ Organisationsform, wurde in Uruguay erfunden. Der Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros (MLN-T), unter dem Eindruck der kubanischen Revolution bereits Anfang der 1960er Jahre gegründet und nach dem Inka-Führer Tupac Amaru II benannt, sollte eine parteiunabhängige Organisation sein, deren Ziel die Veränderung der gesellschaftlichen Zustände im Lande war. Und die waren seinerzeit alles andere als rosig, das Land befand sich in einer tiefen ökonomischen Krise, der einstige Reichtum schmolz dahin. Die Tupamaros starteten einige spektakuläre Aktionen, wie z.B. eine Bewaffnungsaktion in einem Schweizer(!) Schießklub oder Beschlagnahmungsaktionen in Robin-Hood-Manier, die auch immer das Ziel verfolgten, die Herrschenden lächerlich zu machen. Ihre Sympathien im Volk verscherzten sie sich allerdings, als sie mehr und mehr zum individuellen Terror übergingen. Die unnachgiebige Verfolgung durch die Polizei hatte an dieser Entwicklung keinen unwesentlichen Anteil. Ihre wohl spektakulärste Aktion war die Entführung des US-Amerikaners Dan Mitrione, der, wie die Guerilleros beweisen konnten, kein Wirtschaftsberater, sondern ein Instrukteur in Sachen Folter war. Mit der Ermordung Mitriones verspielten die Tupamaros die letzten Sympathien in der Bevölkerung. Die Regierung nutzte die Aktion als Begründung für die Verstärkung der politischen Repressionen im Land. Das Konzept der Tupamaros fand Nachahmer auch in Europa. Jedoch wurde dort, insbesondere in Deutschland, auf den „Spaßfaktor“ von Anfang an weitgehend verzichtet.

Trotz schärfster Verfolgung haben die Tupamaros überlebt: Als politische Partei gehört der MLN-T zum Wahlbündnis Frente Amplio (Breite Front). Der Frente Amplio stellt seit 2004 mit Tabaré Ramón Vázquez Rosas (Partido Socialista) den Präsidenten des Landes. Auch wieder so ein Beispiel: Von Uruguay ist kaum die Rede, wenn es um den Linksruck in Lateinamerika geht.

Traurige Berühmtheit erlangte Uruguay, nachdem im Jahre 1973 eine Militärdiktatur errichtet worden war. Das Militär machte das Land zu dem mit der höchsten Gefangenendichte in Lateinamerika – gemessen an der Bevölkerungszahl. Die Diktatur hielt sich sieben Jahre; danach besann man sich wieder auf die lange demokratische Tradition. Im Jahre 1992 entschieden fast drei Viertel der Wahlberechtigten in einem Plebiszit, dass die grundlegenden öffentlichen Dienste des Landes öffentlich bleiben müssen. Eine historische Entscheidung, die außerhalb der Landesgrenzen allerdings eher wenig zur Kenntnis genommen wurde, und auch nicht unbedingt Schule machte.

Heute spielt das kleineUruguay eine große Rolle im Einigungsprozess Lateinamerikas. Das Sekretariat des Mercosur und die Asociación Latinoamericana de Integración (Aladi) haben ihren Sitz in Montevideo. Trotzdem scheint das Land irgendwie im Verborgenen zu wirken: Ein lebender Widerspruch – um mit Galeano zu sprechen: Klein, unbeirrt und nicht unterzukriegen.

2 Kommentare

  1. mijita sagt:

    Ja, ein kleines unscheinbares Land. Liebenswert. Freundlich. Warmherzig. Gruen. 600 km Strand. 12 Mio Rinder. Bestes Fleisch. Nicht voll Chemie. Schafe. Ziegen. Wale. Pinguine. Obst und Gemuese mit Geschmack. Zitronen. Orangen. Voll Saft. Keine Schlote. Reine Luft. Computer fuer jedes Kind in der Schule. High-Tech. Digitalisiert. Internet. Asado. Mate. Tango. La Cumparsita. Punta del Este. Rocha. Heisse Thermen. Groesstes Trinkwasser-Reservoir der Welt. Einwanderer. Residencia. AuslaenderFREUNDLICHKEIT. Und Fussballweltmeister. Aber nicht irgendeiner…..nein! Der ERSTE Fussballweltmeister ueberhaupt. Ja, das ist MEINE Sicht auf und aus Uruguay. Ich fuehle mich wohl hier. Und von hier aus gruesse ich den Rest der Welt. mijita

  2. Norbert o Küdde sagt:

    Hallo mijita,
    Alles was sie in Ihrem Bericht geschrieben haben, trifft auf Uruguay zu, nur eins haben Sie vergessen, die Menschen die dort leben, sind freundlich zuvorkommend usw. einfach nett.
    Durfte in Monte von 1954-1960 leben es war eine super tolle Zeit für mich, habe mich vom ersten bis zum letzten Tag dort sehr wohl gefühlt und mein Leben genossen.
    Leider wird von Uruguayischer Seite, dieses Land in Deutschland sehr schlecht vermarktet ( Torysmus ) warum ist das so? die schönen Strände die dort sind, das gute Essen (Asado) und alles was Sie geschrieben haben.
    Sie sehen ich liebe dieses Land, es war 1989 wo ich das letzte Mal dort war!
    Mit freundlichen Grüßen an Uruguay und Ihre Bewohner

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