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Ollantay – Drama in 15 Szenen (Auszug)

Gabino Pacheco Zegarra | | Artikel drucken
Lesedauer: 10 Minuten

Wir befinden uns in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Peru. Ollantay, sieggewohnter Heerführer des Inka Pachacútec, liebt Cusi Koillur, die Tochter seines Dienstherren. Mag Ollantay auch ein erfolgreicher Heerführer und der Befehlshaber der Andenregion sein, er gehört nicht zur Herrscherkaste. In der streng gegliederten Inkagesellschaft ist eine Verbindung zwischen ihm und der Tochter des Herrschers schlicht unmöglich. Die Bitte, der Inka möge ihm seine Tochter zur Frau geben, hat daher keinerlei Aussicht auf Erfolg; seine heimliche Verbindung mit Cusi Koillur, die ein Kind von ihm erwartet, kommt einem Verbrechen gleich.

Folgerichtig zürnt der Inka den Liebenden. Er verbannt seine Tochter in das Aclla Huasi, das Haus der erwählten Jungfrauen; dort wächst – getrennt von der Mutter – auch ihre Tochter Ima Sumi auf. Ollantay, vom Tod bedroht, flieht mit seinen Getreuen in die Andenfestung Tambo. Dort verschanzt er sich und läßt sich selbst zum Herrscher ausrufen. Erst nach zehn Jahren gelingt es, ihn in einen Hinterhalt zu locken und gefangenzunehmen. Doch Pachacútec lebt nicht mehr, auf dem Thron sitzt jetzt sein Sohn, Túpac Inca Yupanqui. Dieser steht der illegitimen Verbindung aufgeschlossener gegenüber, er verzeiht seiner Schwester und Ollantay. Vereint mit ihrer Tochter steht dem Glück der Beiden nun nichts mehr im Wege.

Szene 1

Hauptplatz in Cuzco mit Sonnentempel im Hintergrund.
Die Szene spielt in der Vorhalle des Tempels

Auftretende Personen

Ollantay, Befehlshaber der Andenregion
Piqui Chaqui, sein Diener
Huillac-Umu, Oberpriester des Inka

Erster Dialog

Ollantay und Piqui Chaqui

Ollantay: Hast du die bezaubernde Cusi Koillur in ihrem Haus gesehen?

Piqui Chaqui: Bewahre Gott mich davor, ihr nachzuspionieren. Wie kommt es, daß du dich nicht vor der Tochter des Inkas hütest?

Ollantay: So ist es nun einmal, ich kann nicht leben, ohne diese zarte Taube anzubeten. Mach mir Mut, ihr zu folgen wie ein junges Lämmchen.

Piqui Chaqui: Es scheint, du hast den Teufel im Leib und dein Kopf ist nicht sehr sicher. Es gibt genug Jungfrauen, die du lieben kannst. Warum drängst du so zur Eile? An dem Tag, an dem der Inka dein dreistes Vorhaben entdeckt, wird er dir den Kopf abschlagen und deinen Körper zu den Lamas werfen.

Ollantay: Mann, nimm mir nicht den Mut, wenn du nicht sterben willst! Sei still oder ich zerreiße dich eigenhändig!

Piqui Chaqui: Zieh mich nur mit wie einen toten Hund, wenn du willst. Aber sage nicht ständig: ”Piqui Chaqui, suche Cusi Koillur”. Tag und Nacht, jahrein, jahraus.

Ollantay: Piqui Chaqui, ich habe es dir schon einmal gesagt: Selbst wenn der Tod mit seiner Sense oder die heiligen Berge sich als furchtbare Feinde gegen mich wenden, kann ich widerstehen und mich ihnen entgegenstellen, um zu sterben oder um zu Füßen meiner Göttin Cusi Koillur zu leben.

Piqui Chaqui: Und wenn der Teufel auftaucht?

Ollantay: Dann lasse ich ihn ins Gras beißen.

Piqui Chaqui: Solange du nicht einmal seine Nasenspitze gesehen hast, kannst du so reden.

Ollantay: So ist es. Aber sag mir, Piqui Chaqui, frei heraus und ohne Umschweife: Ist Cusi Koillur nicht die schönste aller Blumen? Los, gestehe es!

Piqui Chaqui: Cusi Koillur verwirrt immer noch deinen Verstand! Ich habe sie nicht gesehen. Aber vielleicht war sie es, die ich gestern abend sah, an der einsamsten Stelle der Promenade. An diesem Ort erschien sie mir strahlend wie die Sonne und schön wie der Mond.

Ollantay: Das war sie! Du kennst sie bereits! Welch göttliche Schönheit! Überbringe ihr sofort eine Liebesbotschaft von mir.

Piqui Chaqui: Wie soll ich sie denn finden, mitten am Tag in ihrem Palast, in der Menge der herausgeputzten Frauen, die sie umringen. Unter denen kann ich sie nicht erkennen?

Ollantay: Eben hast du mir noch gesagt, daß du sie kennst.

Piqui Chaqui: Das habe ich im Scherz gesagt. Cusi Koillur ist ein Stern, der mir in der Nacht leuchtet, zu dieser Stunde kann ich sie erkennen.

Ollantay: Du wirst es gleich sehen, du Abergläubischer! Meine geliebte Cusi Koillur verdunkelt die Sonne und nichts kommt ihr gleich.

Piqui Chaqui: Dort kommt ein Greis oder eine Alte. Es ist wohl eher eine Frau. Sie wird deine Nachricht überbringen, laß es sie machen. Wenn ich es täte, würden mich alle ein Klatschmaul nennen.

Zweiter Dialog

Vorige und Huillac-Umu

Huillac-Umu: Ewige Sonne, ich werfe mich vor dir nieder, ich bewundere dich ehrerbietig in deinem Lauf. Tausend Lamas werden an diesem festlichen Tag geopfert und dir geweiht. Nach dem Fasten wird dir zu Ehren ihr Blut fließen und der riesige Scheiterhaufen wird sie verzehren.

Ollantay: Sieh, Piqui Chaqui, dort kommt der weise Huillac-Umu. Dieser alte Fuchs zieht die Last von Hexereien immer mit sich. Ich verabscheue diesen Hexenmeister, der den Mund nur öffnet, um Unheil zu prophezeien. Wenn er spricht, sagt er nichts als Mißgeschicke vorher.

Piqui Chaqui: Psst! Schweig, ich bin sicher, dieser Zauberer weiß schon in seiner Erinnerung, was du sagst und was du denkst. Und dann sagt er alles vorher.

Ollantay: Er hat mich schon gesehen, ich werde zu ihm gehen. Erlauchter und vornehmer Huillac-Umu, ehrfurchtsvoll verneige ich mich vor dir. Der Himmel leuchte dir und entferne die Schatten von deinen Augen.

Huillac-Umu: Mächtiger Ollantay, ach würde das ganze Land dir untertan sein und dein starker Arm das Universum umfassen.

Ollantay: Bei deinem Anblick, Greis, erschrickt man. In deinem Umkreis sieht man nichts als Knochen, Totenblumen, Urnen und Edelsteine, und man sieht dich mit Furcht. Was bedeutet das? Hat dich der Inka zum Propheten des Unheils ernannt oder als Genius des Guten? Warum bist du vor dem heiligen Tag auf dein Fest gekommen? Ist vielleicht der Inka krank? Oder hast du gesehen, daß das Blut schneller fließen muß? Der Tag der Trankopfer für Sonne und Mond ist auch noch weit, er zeigt sich kaum. Und auch den festlichen Tag der Opferungen bei dem großen Fest haben wir noch nicht.

Huillac-Umu: Warum fragst du mich in diesem klagenden Ton? Bin ich etwa dein Untertan? Ich weiß alles, und ich werde es dir gleich beweisen.

Ollantay: Ich fühle, daß mein Herz vor Angst stirbt, da ich dich heute so unerwartet sehe. Vielleicht bringt mir deine Ankunft Unheil!

Huillac-Umu: Ollantay, hab keine Angst, weil du mich heute hier siehst. Vielleicht ist es Liebe, die mich an deine Seite führt, so wie der Wind das trockene Blatt treibt. Sag mir, gibt dein Kopf deinem teuflischen Herzen nach? Dieser Tag hat für dich Bedeutung, weil du nach eigenem Willen dein Glück oder Verderben wählst, das Leben oder den Tod.

Ollantay: Erläutere deine Worte, damit ich sie verstehe. Sie scheinen ein verwickeltes Knäuel zu sein, und du tätest gut daran, es mir zu entwirren.

Huillac-Umu: Nun gut, hör mir zu, Ollantay. Die Wissenschaft zeigt mir das Verborgene der gemeinen Seelen. Ich erwäge es in ausreichendem Maße, um alles zu enthüllen und um aus dir einen großen Anführer zu machen. Seit deinen frühesten Jahren habe ich dich erzogen und sehr geliebt, um dir diese Möglichkeit zu geben. Das Volk verehrt dich als Befehlshaber der Andenregion, und der Inka schätzt dich sehr und würde seine Würde mit dir teilen. Er hat auf alle seinen Blick gerichtet, allein auf dir ließ er ihn ruhen. Er erkannte deinen Arm als mächtig gegen die Schläge seiner Feinde. Und du hast sie alle besiegt, so viele es auch waren. Doch ist das ein Grund, das Herz des Inkas zu beleidigen? Du liebst seine Tochter und du glaubst, daß sie für dich den Verstand verliert, mißbraucht von dieser Leidenschaft. Das schaffst du nicht: Einem edlen Herzen entspringt niemals ein solches Verbrechen. Wie groß ist deine Leidenschaft? Ist sie ein Grund, seine Liebe mit Schande zu bezahlen. Du bist unschlüssig, aber ich werde dich zurückhalten am Rande des Abgrunds. Du weißt genau, daß der Inka eine unstandesgemäße Heirat seiner Tochter niemals erlauben wird. Es auszusprechen, würde in seinem Herzen einen fürchterlichen Sturm entfachen. Durch deine verrückten Illusionen würdest du deinen Posten verlieren. Du würdest degradiert vom Fürsten zum Plebejer.

Ollantay: Woher weißt du das alles, was dunkel in meinem Herzen liegt? Nur ihre Mutter weiß davon, doch jetzt hast du mir alles enthüllt.

Huillac-Umu: Wie in einem offenen Buch im Mondlicht; das tiefste Schicksal tritt vor meinen Augen klar zutage.

Ollantay: Ich verstehe. Es war dein Wunsch, von meinem Herzen zu trinken und den Durst zu löschen, der dich verzehrte. Wirfst du den Becher weg, nachdem du ihn gelehrt hast?

Huillac-Umu: Manchmal trinken wir aus Bechern mit tödlichem Gift! Wisse, oft trifft uns das Schicksal durch unseren Eigensinn.

Ollantay: Du hast das Messer in deiner Hand, stoß es mir in die Kehle und reiß mir das Herz heraus. Ich werfe mich dir zu Füßen.

Huillac-Umu: (zu Piqui Chaqui) Reich mir diese Blume.

(zu Ollantay) Wie du siehst, scheint sie trocken zu sein… Ich zerdrücke sie… Sieh, wie sie weint… Sie weint! (zerdrückt die Blume)

Ollantay: Es wäre einfacher, daß Wasser aus dem Fels entspringt und der Sand weint, als mich zu zwingen, den Stern meines Glücks zu verlassen.

Huillac-Umu: Wirf schlechten Samen auf die Erde, und in wenigen Tagen wird er sich vervielfachen und weit entfernt von den Grenzen des Feldes wachsen. Und je zügelloser und größer dein Frevel auch sei, um so kleiner wirst du sein.

Ollantay: Ehrwürdiger Vater, ich werde dir mein Herz öffnen und meine Fehler bekennen. Da du mein Geheimnis bereits enthüllt hast, möchte ich, daß du weißt, daß die Schlingen, die mich festhalten, mich nicht mehr ersticken. Und sei es ein Gewebe aus Goldfäden, ein Frevel wie meiner ist es Wert, damit bestraft zu werden. Cusi Koillur gehört mir bereits. Ich bin mit ihr vereint und jetzt bin ich so vornehm wie sie. Ich habe dafür gesorgt, daß mein Blut in ihren Adern fließt. Ihre Mutter weiß das genau, sie kann es bezeugen. Ich werde dem Inka alles sagen. Und wenn er es weiß, rechne ich mit deinem Einfluß, daß er mir Cusi Koillur gibt. Ich werde mit Tatkraft und ohne Scheu mit ihm sprechen, seinem Zorn trotzen und seiner Verachtung, weil ich kein würdiges Blut habe. Und falls er an meine Jugend erinnert, dann wird es ihn milde stimmen, deutlich meine Kämpfe in dieser siegreichen Armee zu sehen, daß ich Tausende von Kriegern besiegte und sie demütigte.

Huillac-Umu: Junger Fürst, du redest zu viel. Du hast das Knäuel deines Schicksals zerstört und verwickelt: schnüre und entwirre es. Geh und sprich allein mit dem Inka, aber rede wenig und mit viel Respekt. Und erleide die Strafe, die du gesucht hast. Denke stets daran, weder im Leben noch im Tod werde ich dich jemals vergessen. (geht)

Dritter Dialog

Die Vorigen, ohne den Astrologen

Ollantay: Ollantay, sei ein Mann. Du mußt nichts fürchten. Übertreibe die Gefahr nicht. Cusi Koillur, Stern des Glücks, leuchte mir. Piqui Chaqui, wo bist du?

Piqui Chaqui: Ich habe geschlafen, und ich habe unheimliche Dinge geträumt.

Ollantay: Was hast du geträumt.

Piqui Chaqui: Daß ein Fuchs gehenkt wurde.

Ollantay: Der Fuchs bist sicherlich du!

Piqui Chaqui: Das stimmt wohl: Meine Nüstern schärfen sich und meine Ohren wachsen.

Ollantay: Führe mich zu Cusi Koillurs Haus.

Piqui Chaqui: Es ist noch immer Tag.

Der hier abgedruckte Text folgt der aus dem 19. Jahrhundert stammenden spanischen Übersetzung von Gabino Pacheco Zegarra

Aus dem Span.: Gabi Töpferwein

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