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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Öl fressen Menschen auf

Sven Schaller | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Wie Ölfirmen in den Lebensraum indigener Völker in Perus Amazonas vordringen

Perus Öl-Ressourcen in der Selva sind weitgehend aufgeteilt - Karte: IBCDer derzeit höchste Ölpreis aller Zeiten hat zahlreiche negative Auswirkungen. Über Inflation und Verminderung des Wachstums – speziell in den Ländern des Südens – wurde schon viel geschrieben. Auch darüber, dass sich die Ölreserven unweigerlich dem Ende entgegen bewegen und deshalb die Preise noch weiter steigen werden.

Angesichts dieser Situation winken auf der anderen Seite dicke Profite oder Renten, wie es in der Fachsprache heißt. Die Öl-Gelder mehren somit den Reichtum, allerdings nur einiger Weniger. Und vielleicht ist das der Punkt, warum die menschliche Hybris nicht einhalten kann. Alles ist einem Zweck untergeordnet, dem Zweck nämlich, die eigenen Hosentaschen zu füllen.

Damit das Öl und Geld weiter sprudelt, werden Explorationen in immer entlegeneren Gegenden notwendig. Den Rohstoff suchen Spezialfirmen inzwischen in der Antarktis genauso wie in Alaska oder in Tiefseegewässern. Dass dabei a priori die Zerstörung von Ökosystemen in Kauf genommen wird, belegt einmal mehr die Submission der Natur unter das Diktat der Geldvermehrung.

Die Grenzen der letzten unberührten Naturräume rücken also immer weiter zurück. Um auch sie in den kapitalistischen Verwertungsprozeß auf Basis der fossilen Brennstoffe einzubeziehen, versuchen die (korrupten) Regierungen der unterentwickelten Staaten gerade, neue Präzedenzfälle zu schaffen. Einen Vorstoß in diese Richtung unternahm zum Beispiel unlängst die peruanische Regierung. Sie übergab Konzessionen an einige internationale Ölfirmen, damit sie in den Amazonas-Wäldern nach dem schwarzen Gold suchen können. Die kanadische Petrolifera erhielt so die Explorationsrechte am Block 107, einem Gebiet von 12.000 Quadratkilometern Größe – mitten in der Selva, mitten im Lebensraum der Cacataibo.

Dieses indigene Volk, das bisher kaum Kontakt mit der „Zivilisation“ hatte, wurde weder konsultiert noch um Erlaubnis gefragt, ob die weißen Männer mit ihrer Technologie des 21. Jahrhunderts weite Schneisen in ihr Siedlungsgebiet schlagen dürfen. Sie machen es einfach. Die seismischen Linien und die dort ansetzenden Probebohrungen sollen Aufschluss darüber geben, wieviel Öl im Boden lagert. Dafür kreischen Sägen, explodiert Dynamit. Die verschüchterten Indígenas trauen sich kaum mehr, aus dem dichten Dschungel herauszutreten. Zu allem Überfluss kreisen nach Angaben von NGOs zudem Hubschrauber über dem Gebiet, um über einen Dolmetscher auf Cacataibisch in den Wald zu schallen, dass die weißen Männer nicht gekommen wären, ihre Frauen zu stehlen.

Neben den Cacataibo leben noch schätzungsweise 65 weitere indigene Völker mit etwa 300.000 Menschen im peruanischen Amazonasgebiet. Elf bis vierzehn der Stämme mit jeweils 20 bis 30 Mitgliedern gelten als „abgesonderte Völker“, wobei „abgesondert“ bedeutet, dass sie freiwillig den Kontakt mit der Außenwelt vermeiden. Als Ursache dafür vermuten Ethnologen negative Kontakte mit (illegalen) Holzfällern oder Siedlern.

Und nun dürfen mit Unterstützung der Regierung auch noch ausländische Ölfirmen in den Lebensraum der Indígenas eindringen. Das Kalkül der Politiker im 1000 Kilometer entfernten Lima ist klar: Lieber einen Dollar im Trockenen haben, auch wenn dafür Werte von 10 Dollar zerstört werden müssen. Das kann aber langfristig nicht aufgehen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob das Öl des Amazonas exportiert werden soll oder nicht. Selbst wenn Peru die Differenz zwischen der derzeitigen Förderquote von 120.000 Barrel pro Tag und dem Eigenverbrauch von 160.000 Barrel pro Tag mit den Ölfunden der Selvaregion auszugleichen gedenkt, bleiben die langfristigen Umweltschäden unkalkulierbar.

Erschwerend kommt aus ökonomischer wie ökologischer Sicht hinzu, dass die Lizenzen an internationale Gesellschaften vergeben wurden. Die wollen angesichts der unsicheren Erschließungen bei exorbitant hohen Kosten natürlich ein Entgegenkommen des Staates sehen. Niedrige Förderzinsen (Royalties) von fünf bis zwanzig Prozent bis zur Abschreibung der Investitionen und danach Gewinnsteuern von maximal 35 Prozent in Verbindung mit einer schwachen Umweltgesetzgebung befriedigen sowohl die korrupten Politiker als auch die Ölfirmen. Leider aber nicht die Cacataibo. Die werden – wie vor 25 Jahren die Shipibo in Canaan de Cachiyacu – auf verseuchtem Boden sitzen bleiben, ihrer Jagd- und Sammelmöglichkeiten beraubt. Ihre Flüsse werden tot sein. Und sie selbst aufgrund von Krebsleiden, Allergien oder verschmutztem Trinkwasser vielleicht auch.

Karte: Instituto del Bien Común Perú

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