2000 Kilometer auf dem Río Paraguay – Reise durch ein wildes Land
Träge mäandert der Río Paraguay durch dichten Dschungel und an ärmlichen Fischerhütten vorbei. Die Menschen sind alle Fischer „in dieser gottverlassenen Gegend“. Die meiste Zeit des Tages schaukeln sie aber in ihren Hängematten und schlürfen tereré, das traditionelle Mategetränk. Was sollen sie bei 40 Grad – und das bereits um acht Uhr früh – auch sonst tun? Gelebt wird von der Hand in den Mund. Dies ist die traurige Realität, die man schnell hinter sich lässt, um gleich darauf in der surrealen Welt der Hauptstadt Asunción all die Gegensätze des Landes vor Augen geführt zu bekommen. Was von weitem noch wie die Skyline einer sterilen Geschäftsmetropole aussieht, löst sich immer mehr zum bunten Treiben einer mittelgroßen Stadt mit mehr informellen Betrieben als legalen Firmen, mehr Fälschungen als Originalen auf. Informalität scheint die einzige Überlebensstrategie zu sein – oder ein Posten im korrupten Staatsapparat. Wie paradox die Situation in Paraguay ist, fängt die Reportage in einer wunderbaren Perspektive ein: Vor dem Präsidentenpalast liegt ein kleiner Park mit englischem Rasen, wo Staatsgäste wie der deutsche Präsident Horst Köhler mit Prunk und Ehren empfangen werden. Hinter dem Palast, keine 100 Meter entfernt, wühlen Hausschweine im Müll, hungern Kinder – und lauern Krankheiten wie Dengue und Gelbfieber.
Es sind diese Gegensätze, die die Dokumentation sehenswert machen. Leider verflacht die Reportage im mittleren Teil. Denn beim Besuch der zu Reichtum gekommenen Mennoniten wird plötzlich deren Geschichte und Organisation mit allerlei unnützen Kochrezepten und Familienporträts überfrachtet. Außerdem war dem Regisseur, Thomas Aders, das Bild hier offenbar wichtiger als eine Analyse.
Dennoch findet die Reportage schnell zurück in den Rhythmus der tereré-Trinker. Fast zu schnell im Vergleich zu deren stoischer Ruhe. Denn das beharrliche Warten der Menschen auf das einzige Schiff im Norden Paraguays, die Aquidaban, und damit auf Medikamente oder die Versorgung mit Lebensmitteln sind für europäische Verhältnisse ebenso unerklärlich wie die Zustände an Bord.
Dass das Ende den Ärmsten der Armen, den Indígenas, gewidmet ist, schließt den Kreis. Und wenn auch nicht direkt ausgesprochen, so beantwortet es wohl auch die Frage, warum die Menschen jeden Tag ihres Lebens genießen: Denn wer nicht mal das Geld zusammenbekommt, um zum Arzt zu fahren, der kann genauso gut tereré schlürfen wie arbeiten.
Reportage
ARD, Sendung vom 05.04.2008