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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Kubanisch-europäische Perspektiven

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Am 23. und 24. Juni 2001 fand in Berlin ein internationaler Solidaritätskongreß für Kuba statt, der von linken Parlamentariern des Europaparlaments, der PDS, Nichtregierungsorganisationen, die im Netzwerk Cuba zusammenarbeiten, sowie der Tageszeitung „junge welt“ ausgerichtet wurde. 850 Menschen aus 14 Ländern Europas und Lateinamerikas diskutierten offen und kritisch den Stand der Beziehungen zwischen der EU und Kuba. Es lag in der Natur der Sache, daß sowohl die Situation auf der Insel als auch die besondere Stellung Kubas in einer immer stärker globalisierten Welt gleichermaßen im Zentrum der Debatte standen wie das eigentliche Thema des Kongresses. Alle drei waren Gegenstand eigener Foren. In seinem Eröffnungsbeitrag hob Francis Wurtz, der Vorsitzende der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke, die Bedeutung Kubas im Ringen um eine andere Welt hervor und kritisierte vehement die widersprüchliche Haltung der EU, die zwischen Kooperation und dem Diktat unannehmbarer Bedingungen schwankt – eine Einschätzung, die im Verlaufe des Kongresses von allen mit der Materie vertrauten Politikern und Aktivisten geteilt wurde. Die Kubaner, die durch eine hochrangige Delegation unter Leitung von Pedro Ross Leal, Generalsekretär der Gewerkschaftszentrale, vertreten wurden, betonten einerseits ihren in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellten Willen, der Blockade der USA zu trotzen, und verwiesen nicht ohne Stolz darauf, daß sie es durchaus gewohnt sind, gegen den Strom zu schwimmen, machten aber andererseits – u.a. durch den Europaverantwortlichen im ZK der KP Kubas Claudio Ramos – deutlich, daß es nicht nur für Kuba wichtig ist, wie sich die EU gegenüber Kuba verhält. Eine starke EU wäre auch im Eigeninteresse gefordert, als Gegengewicht zur Dominanz der USA in einer unipolaren Welt aktiv zu werden. Eine Verbesserung der europäischkubanischen Beziehungen, die jedoch auf gegenseitiger Achtung beruhen müßten und nicht an einseitige Vorbedingungen geknüpft sein dürften, liegt im Interesse beider Seiten. Für Kuba ist die Zusammenarbeit mit der EU eine strategische Option gegenüber der von den USA dominierten Lateinamerikanischen Freihandelszone (ACLA). Da eine ähnlich klare Orientierung der EU bisher nicht erkennbar ist, fordern die Teilnehmer des Kongresses die EU in einer Abschlußerklärung auf, sich von der US-Blockadepolitik zu distanzieren und eine eigenständige Kuba-Politik zu entwickeln, die Politik der Bevormundung gegenüber Kuba aufzugeben, das Land ohne Vorbedingungen in das EU-AKP-Abkommen von Cotonou aufzunehmen und ein Kooperationsabkommen mit Kuba zu unterzeichnen. Diese Schritte sind auch deshalb längst überfällig, weil sie von zahlreichen Mitgliedsländern der EU in ihren bilateralen Beziehungen zu Kuba bereits praktiziert werden. Die EU steht vor der Entscheidung, entweder weiter im Schatten der USA zu segeln und sich wie ein ängstlicher Juniorpartner zu verhalten oder sich zu einer eigenständigen weltpolitischen Rolle zu bekennen. Die Beziehungen zu Kuba böten dazu eine bestens geeignete Gelegenheit. Laura Gonzalez, linke Europaabgeordnete aus Spanien, wies in ihren temperamentvollen Beiträgen daraufhin, daß die Völker Europas mit ihrer Sympathie für den zähen und opfervollen Überlebenskampf Kubas ihren Regierungen weit voraus sind. Parlamentarier, Politiker, Gewerkschafter und Nichtregierungsorganisation müßten sich jedoch in enger Zusammenarbeit dieses Potential noch weiter erschließen, um gemeinsam den notwendigen Druck für eine Wende der EU-Politik gegenüber Kuba zu entwickeln – eine Erkenntnis, die über den Kreis der Veranstalter hinaus besonders von Xavier Declercq (OXFAM Belgien) und Horst Schmitthenner vom Vorstand der IG Metall unterstrichen wurde. Ein treffendes Bild der EU-Politik zeichnete Sergio Corrieri, Präsident des kubanischen Instituts Völkerfreundschaft (ICAP), indem er eine Karikatur beschrieb, auf der ein dünner Mann (Kuba) von einem dicken (USA) langsam mit einem Strick erdrosselt wurde, während der daneben stehende Betrachter der Szene (EU) moniert, daß die Krawatte (sprich: Strick) des dünnen Mannes schlecht gebunden sei. Es war fast beschämend für alle anwesenden Europäer, daß Sergio Corrieri sich abschließend wünschte, daß Europa doch europäisch bleiben möge. Eine Episode gab Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion im Bundestag zum besten, der von einem gemeinsamen Kuba-Besuch mit Gerhard Schröder, damals noch Juso-Chef, berichtete, auf dem dieser ihn, den Chef der Jugendorganisation der DKP, ständig von links zu überholen versuchte. Es war bedauerlich, daß Heidemarie Wieczorek-Zeul, Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, und Hans-Olaf Henkel, Ex-Chef des BDI, ihre Einladung aus Termingründen nicht wahrnehmen konnten. Auch Josef-Franz Antwerpes, ehemaliger Regierungspräsident von Köln und passionierter Kubafreund, schaffte es nicht, an der Abschlußdiskussion teilzunehmen. Alle drei übermittelten jedoch Grüße und wünschten dem Kongreß Erfolg.

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