Para Yampier und Yohayna – Compis de corazón
Qué pasaba por la cabeza de nuestros padres
en los años 80 para poner esos nombres…
Ufffff, sería un buen estudio!!!!!!
Yohayna
Yanara, Yanelis, Yarelis, Yanice, Yanitas, Yanisbel, Yeisy, Yeline, Yendris, Yoana, Yohandra, Yohindra, Yohennia, Yastina, Yaima, Yamilet, Yastara, Yeniset, Yorleysis, Yosbiel, Yosbebi, Yolexis, Yormán, Yuseli, Yusimi, Yusmey, Yuniesqui, Yuliesqui, Yaquelin, Yanet, Yimy, Yunior…
Wie genau diese Namen geschrieben werden, weiß eigentlich niemand so genau. Meine Freundin Yohayna, eine neunundzwanzigjährige Kubanerin aus La Habana, erzählte mir zu ihrem Namen folgende merkwürdige Geschichte1:
Ich dachte immer, meinen Namen hätten sich meine Eltern ausgedacht. Aber das stimmte gar nicht, weil ich im Laufe der Jahre andere Yohaymas kennen gelernt habe. Allerdings nicht viele. Es gibt viel mehr Yaimas oder Yolandas. Yohaymas gibt es aber höchstens eine Handvoll, und alle werden unterschiedlich geschrieben, auch wenn sie gleich ausgesprochen werden. Meine Eltern haben mich eigentlich Yohayma genannt. Und so hieß ich auch, bis ich achtzehn war. Und als ich mir dann meinen Personalausweis (carnét de identidad) ausstellen ließ, war denen von der Behörde aufgefallen, dass schon in meinem Kinderausweis Yohayna stand. Ich habe versucht ihnen zu erklären, dass das ein Fehler war. Sie glaubten mir nicht und suchten meine Geburtsurkunde hervor. Und auch da hatte man sich geirrt und mich Yohayna genannt! Um meinen richtigen Namen, also Yohayma, festlegen zu lassen, hätte es eines großen bürokratischen Aufwands bedurft. Das habe ich mir erspart. Und deswegen nennen mich alle, die mich vor meinen achtzehnten Lebensjahr kennen gelernt haben, Yohayma, und alle späteren Bekannten und Freunde Yohayna.
Welchen identitätsstiftenden Charakter Namen in Kuba haben könnten, bzw. wie wenig letztlich personale Identitäten in Kuba von Vornamen abhängen (wie Yohaynas Fall zeigt), wäre ein sehr spannendes Untersuchungsthema. Im folgenden möchte ich mich allerdings einem anderen Fokus zuwenden, der Frage der Motivation zur Namensgebung.
Die Varianten der Namen der Generation Y sind sicher endlos. Doch warum kommt es überhaupt zu dieser großen Anzahl von Namen, die sonst eher der fantastischen Literatur zugeordnet würden? Der vorliegende Artikel möchte im Folgenden zwei Erklärungsansätzen für diese ungewöhnlichen Namensgebungen in Kuba nachgehen:
Zum einen ist zu vermuten, dass durch die Namen der Generación Y – einmal mehr – die Einzigartigkeit des „ersten freien Territoriums Amerikas“, wie es in Regierungskreisen immer wieder stolz heißt, durch die Namensgeber hervorgehoben werden soll. Andererseits können diese besonderen Namensgebungen als „letzter Rest von Freiheit“ (Sánchez 2010) verstanden werden. Doch vorher soll erläutert werden, was die Benennung Generación Y eigentlich genau beschreibt. Lassen wir dafür das wohl bekannteste Mitglied dieser Generation, die Bloggerin Yoani Sánchez, zu Wort kommen2:
Generación Y nenne ich meinen neuen Freiraum, ein Blog, inspiriert von den Erfahrungen meiner Generation. Leute, die im Kuba der siebziger und achtziger Jahre aufgewachsen sind und von Schulen und Arbeitseinsätzen auf dem Land geprägt wurden, von russischen Matrjoschkapuppen, Fluchtversuchen, geplatzten Illusionen…und vor allem eins gemeinsam haben: Fast alle unsere Namen beginnen oder enthalten ein »Y«. (Sánchez 2010: 12)
Auch Yohayna bestätigt:
Der Generación Y gehören diejenigen an, die in den Achtzigern geboren wurden. Auch wenn es sicher Ausnahmen gibt, fast alle, Männer wie Frauen, haben wir Namen, die mit Y beginnen. Die Namen haben sich die Eltern ausgedacht oder sind von irgendwo anders her, aber allen gemein war das Y. […] In der Oberschule hatte ich vier enge Freundinnen und alle fingen mit Y an. Und so nannten wir uns auch: Die vier Y. Yohayma, Yoselén, Yaima und Yoyo – das war ihr Spitzname. Sie hieß eigentlich Yosleidys, aber das konnte kein Mensch aussprechen. Aus demselben Grund nennen die meisten Leute mich Yoha.
Sánchez zu folge ist es aber nicht nur der erste Buchstabe ihres Namens, der die Kubaner_innen jener Generation verbindet:
Obwohl durch dieses Y vereint, besteht meine Generation aus extrem unterschiedlichen Menschen: Polizeibeamte gehören ebenso dazu wie “Gigolos“ auf der Suche nach Touristen, denen sie ihr Geld abnehmen können. […] Der zweitletzte Buchstabe des Alphabets ist das Kennzeichen einer Generation von Kubanern, die in die Pubertät kamen, als die Mauer schon gefallen und von der Sowjetunion nicht mehr geblieben war als der Name einer Illustrierten, die in den Regalen verstaubt. Wir sind wie ein abgemähtes Feld, haben keine Utopien mehr, an die wir uns klammern könnten, und sind immun gegen alle Träume, die gesellschaftliche Gleichheit versprechen. (Sánchez 2010: 12-13)
Yoani Sánchez verbindet mit der Generation Y vor allem eine politisch resignierte Gruppe von Menschen, die in einer Zeit schärfster staatlicher Überwachung und Repression aufgewachsen ist. Sie ist folglich eine der populärsten Vertreterinnen der These, dass die Y-Namensgebung eher Produkt einer Rebellion gegen das herrschende System in Kuba ist denn eines kreativen Patriotismus:
In diesen Jahrzehnten strenger Überwachung [siebziger und achtziger Jahre; S.M.]3 bewahrte man sich einen letzten Rest von Freiheit durch die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie die eigenen Kinder heißen sollen. Und so erlaubten sich unsere uniformierten Eltern – in ihren Hemden und Hosen im Einheitsschnitt der staatlichen Produktion – den Spleen, uns, ihren Kindern, exotisch klingende Namen zu verpassen. (Ebd.: 12)
Für die Bloggerin ist die Generation Y somit vor allem ein Ausdruck des verzweifelten Versuchs, Individualität in einem homogenisierten Staat zu behalten. Sie versteht die Namensgebungen als Teil der kleinschrittigen Auflehnung gegen die Regierung und ihren Repressionsapparat:
Das Y an die Macht. Ich mache mal eine einfache Rechnung auf: Wie viele Leute aus der Generación Y bekleiden heute wichtige Posten in unserer Gesellschaft? Mir scheint, dass alle Yunieskys, Yordankas und Yusimís irgendwo im Verborgenen leben. Auf der Straße drehe ich mich häufig um, weil jemand einen Namen ruft, der meinem ähnlich ist. Aber auf den Posten, auf denen über den Kurs unseres Landes bestimmt wird, herrscht nicht annähernd die gleiche »Y-Dichte«. So ist auf der Liste der Abgeordneten […] dieser beschwichtigte Buchstabe kaum zu entdecken. Und auch unter Funktionären, hohen Beamten und Betriebsleitern ist das kapriziöse Y äußerst rar. Aber vielleicht werden wir eines Tages von unserem zweitletzten Platz im Alphabet, von diesem extravaganten, so selten vorkommenden Buchstaben aus, einen Ruf erschallen lassen, der bis zu den mächtigen Vokalen und Konsonanten in der ersten Reihe dringt. […] Ich mag die Leute, die ich Generación Y getauft habe. Denn Parolen wie »Es lebe Yunisleidis!« oder »Ewiger Ruhm für Yusimí!« werden wir vermutlich nie zu hören bekommen. (Ebd.: 190- 191)
Nichtsdestotrotz kann die Generation Y aber auch als Teil eines anderen politischen Selbstverständnisses verstanden werden. So ist davon auszugehen, dass Anhänger_innen der Revolution in Kuba durch die einzigartige Benennung ihrer Kinder verdeutlichen wollen, welche besondere Rolle die größte der Antillen im internationalen politischen Feld einnimmt. Dabei sind jedoch nicht nur die sozialpolitischen Umbrüche seit 1959 relevant, sondern auch die besondere hybride Kultursituation4 der Insel. So sind sowohl Bezüge auf indigene als auch auf europäische Kulturelemente äußerst verbreitet. Yohayna berichtet diesbezüglich:
Mein Onkel hatte meiner Mutter meinen Namen vorgeschlagen. Er sagte, dass das der Name einer afrokubanischen Göttin sei, einer indigenen Kazike, einer Taína vielleicht. Das verbindet mich mit meinen präkolumbischen Vorfahren. Ich weiß nicht, ob das alles so stimmt, was mein Onkel Goyo da erzählt hat. Er hat gerne mal einen zu viel getrunken….Ich bekam also meinen Namen vom größten Säufer aller Zeiten, hahahaha, und das mir, wo ich doch Abstinenzlerin bin! Ich habe mal eine Gruppe Ägypter kennen gelernt. Die waren sehr erstaunt über meinen Namen und sagten, dass es ein ägyptischer Name sei, der sehr willensstarken Frauen gegeben würde.
Die Gründe und Motivationen für Yohaynas Namensgebung sind also sehr vielfältig und teilweise sogar legendenartig. Einen wesentlichen Unterschied zu Sánchez‘ Beobachtung findet sich folglich in den eher arbiträren denn freiheitlich-demokratischen Anlässen zur Namensgebung.
Cora Knoblauch (2007) macht in ihrem aufschlussreichen Artikel neben anderen Motivationen wie der bereits genannten religiösen oder familiären Tradition weitere Faktoren aus.
Einerseits lässt sich in Kuba eine Tradition abendländisch-christlicher Namen ausmachen. Die christliche Namensgebung hat ihre Ursprünge im vierten Jahrhundert und verbreitete sich vor allem im Zuge des wachsenden Einflusses der Kirche im zwölften Jahrhundert (vgl. ebd.: 248). Weit verbreitet waren demnach Namen biblischer Heiliger oder Märtyrer. In Kuba tauchen diese Namen, allen voran María, Dolores und Carlos, vornehmlich in den älteren Generationen auf. Die Generation Y kann demnach auch als ein Bruch mit jener Tradition gesehen werden, zumal der Einfluss der Religionen in Kuba massiv durch den auferlegten Atheismus bis weit in die neunziger Jahre recht erfolgreich unterbunden wurde.
Andererseits stellt Knoblauch einen starken Einfluss ausländischer bzw. anderssprachiger Namen fest. Waren es in den sechziger und siebziger Jahren noch vor allem Namen aus den sowjetischen „Bruderländern“, die in Kuba Anklang fanden, ist mit der Generation Y auch dahingehend ein auffälliger Bruch zu verzeichnen. Mit Namen wie Boris, Vladimir und Tatiana lässt sich erstmals eine Mode ausländischer Namen feststellen (vgl. ebd.: 259). Im darauffolgenden Jahrzehnt tauchen dann neben den schon erwähnten Kunstnamen sehr viele Namen auf, deren Aussprache vor allem in Anlehnung an das amerikanische Englisch und mitteleuropäische Sprachen (vgl. ebd.) imitiert wird. Als Grund dafür nimmt Knoblauch an, dass diese Namen als modern gelten. Yampier beispielsweise erzählte mir, dass seine Mutter schon immer eine Vorliebe für die französische Kultur hegte. Am liebsten hätte sie ihn Jean Pierre genannt, ganz französisch also, aber sie hatte Angst, dass die Leute ihn Yen oder Pierre (mit stark gerolltem R), ganz kubanisch also, nennen würden, und der französische Zauber wäre dahin. Während also dem Namen Jean-Pierre in Kuba etwas altmodisch-konservatives anhängt, wird Yampier hingegen zu einem Ausdruck modernen Fortschritts – in einem Land, so lässt sich einschränkend ergänzen, in dem viele alteingesessene Hoheiten immer noch unangetastet bleiben.
Die Beantwortung der Frage nach der Motivation von Namensgebungen auf Kuba ist somit auch immer politisch motiviert. Dazu hat nicht zuletzt die Debatte um Sánchez‘ Blog beigetragen.5 Auch die Untersuchung der jeweiligen politischen Hintergründe und Motivationen könnten Teil weiterer Analysen ein.
Das Wichtigste scheint mir jedoch schließlich und endlich, dass Yohayna ihren Namen mag:
Mein Name gefällt mir. Zunächst hat mir Yohayna nicht besonders zugesagt, aber jetzt gefällt er mir sogar besser als Yohayma, er ist irgendwie kultivierter. Letztlich aber denke ich, dass einen Namen der Gebrauch ausmacht. Da hörst du ständig Yohayna, Yohayna und irgendwann gewöhnst du dich dran. Für mich hat mein Name keine schwerwiegende Bedeutung. Er ist weder mit einem besonderen Familienerbe verbunden, noch hat er eine tiefgreifende historische oder kulturelle Substanz. In diesem Sinne ist er inhaltsleer. […]
Für viele Menschen ist es sehr schwer, meinen Namen auszusprechen. Ich denke wegen der Kombination yna. Manche kriegen es nie hin. Aber naja, ich bin in einer Generation komischer und außergewöhnlicher Namen aufgewachsen, also war das schon wieder die Norm, unser Spaß, unsere Mode.
Mir hat schon immer die Vorstellung gefallen, dass meine Eltern mit mir etwas Originelles ausprobierten, bis hin zu meinem Namen. Auch bei meiner Schwester war das so: Sie heißt Noslen. Das ist der Name meines Vaters rückwärts, Nelson. Als Kind habe ich mich oft gefragt, warum meine Eltern mich nicht Ralip nannten, das ist der Name meiner Mutter rückwärts, Pilar. Also gut, jetzt heiße ich eben nicht Ralip, aber ich habe trotzdem einen kuriosen Namen.
Bildquelle: [1], [2], [3] Quetzal-Redaktion, gt.
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1 Die folgenden Übersetzungen sind alle von der Autorin.
2 Yoani Sánchez ist eine mittlerweile weltweit bekannte Regimekritikerin, die trotz einiger repressions (technischer) Schwierigkeiten seit April 2007 ihren Blog http://www.desdecuba.com/generaciony/ unterhält. Zur besonderen Kommunikationsform im in-between dieses Blogs siehe Dröscher (2010).
3 Mehr Informationen über diese prägende Zeit finden sich u.a. in Gärtner (1998), Heras León/ Navarro (2008) und Zeuske (2007).
4 Zum Begriff siehe A. de Toro (2003).
5 Yohayna bspw. hält sich bei der Frage nach ihrer Meinung zu diesem Blog eher reserviert: „Mit diesem Blog und dem, was er repräsentiert, verbindet mich nichts im geringsten. Ich gehöre nicht zu ihrer [Sánchez‘] Generation und möchte es auch nicht.“ Auch Yampier sagte mir: „Ich kann wohl nicht leugnen, dass ich zur Generación Y gehöre. Aber mit dem Blog von Yoani habe ich nichts zu tun.“
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Bibliographie
[1] Dröscher, Barbara (2010): „Espacios in-between, notas sobre las dinámicas culturales en la Cuba actual“; In: Gremels, Andrea/ Spiller, Roland (Hg.) (2010). Cuba: La Revolución revis(it)ada. Tübingen: Narr.
[2] Gärtner, Peter (1998): Lateinamerika 1968: Ein Schaltjahr für Guerilleros, Reformisten und Diktatoren; In: Quetzal. Politik und Kultur in Lateinamerika. https://quetzal-leipzig.de/printausgaben/ausgabe-22-1968/lateinamerika-1968-ein-schaltjahr-fur-guerilleros-reformisten-und-diktatoren (10.05.2012)
[3] Heras León, Eduardo/ Navarro, Desiderio. (2008) La política cultural del período revolucionario: memoria y reflexión. Ciclo de conferencias organizado por el Centro Teórico Cultural Criterios. La Habana: Criterios.
[4] Knobloch, Cora (2007): „Nombres es Cuba. Modas y tendencias en la denominación cubana“; In: Störl.
[5] Kerstin (Hg.) (2007). Con optimismo e imaginación. La realidad cubana de hoy y su reflejo lingüístico. Frankfurt (Main): Lang. S. 247-257.
[6] Sánchez, Yoani (2010). Cuba Libre. Von der Kunst, Fidel Castro zu überleben. München: Heyne.
[7] Toro, Alfonso de (2003): „Jenseits von Postmoderne und Postkolonialität. Materialien zu einem Modell der Hybridität und des Körpers als transrelationalem, transversalem und transmedialem Wissenschaftskonzept“; In: Hamann, Christoph / Sieber Cornelia (Hg.).
(2003) Räume der Hybridität. Zur Aktualität postkolonialer Konzepte. Hildesheim/Zürich/New York: Olms. S.15-52; Aus: www.uni-leipzig.de/~detoro (Zugriff: 21.4.2008)
[8] Zeuske, Michael (2007). Kleine Geschichte Kubas. München: Beck.