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Was aber bedeutet Regime-Hybrid in der politischen Realität Kolumbiens?

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten
Was bedeutet Regime-Hybrid - Kolumbien (218 Downloads )

Für Pablo Garcia im kolumbianischen Putumayo, dem von seiner Regierung und diversen Demokratie-Indizes immer wieder bedeutet wird, er lebe in einer „richtigen“ Demokratie, zeigt sich die Hybridität „seines“ politischen Regimes darin, daß er sowohl demokratische als auch nichtdemokratische Räume um sich hat. Das läßt ihn zwar einerseits freier sein als etwa seinen Vater, der noch die Erfahrung einer Militärdiktatur gemacht hatte. Andererseits hat die Sache aber immer dann, wenn Pablo seine Freiheit ausprobieren will, einen Haken: Für Pablo machen Zivilisten und nicht, wie zu Zeiten seines Vaters, ein General die Landespolitik, und auch die politischen Geschicke seines Dorfes leiten Zivilisten. Doch wenn der Ausnahmezustand verkündet wird oder wenn sich der Bürgermeister von Guerrilla und/oder paramilitares bedroht sieht und flieht, kann sich das ganz schnell ändern. Dann bestimmen wieder Uniformen die Amtsstuben. Daran, daß das Kokafeld, seine einzige Einnahmequelle, mit Pestiziden bestreut wird und darüber immer wieder gepanzerte Armeehubschrauber kreisen, ist Pablo ohnehin gewöhnt. Aber Pablo könnte ja in Wahlen deutlich machen, daß er lieber einen solchen Präsidenten sähe, der der Armee die Besprühung seines Feldes versagte.

Und er besitzt tatsächlich die Auswahl zwischen zig Parteien. Vielleicht hat er ja Glück, und der Weg zur Wahlurne ist nicht weit, und er braucht keinen Bus, dessen Nutzung ihm teurer käme als ein Tagesverdienst. Glücklich im Wahllokal gelandet, sollte er sich jedoch genau überlegen, ob er sein Kreuzchen hinter eine von den traditionellen Parteien verschiedene politische Kraft setzt – würde sie zu stark, könnte es sein, daß ihre Kandidaten das nicht überleben. Würde Pablo selbst für eine dieser Parteien aktiv werden, könnten die paramilitares denken, daß er ein Guerrilla-Sympathisant sei, was dann auch für ihn nichts Gutes bedeutete. Sollte seine Sympathie jedoch einer traditionellen Partei gelten und er mit ihr gar einen beständigen Kontakt wünschen, so wäre ihm zu raten, dies in alter klientelistischer Manier unter Anbietung des einen oder anderen Dienstes zu tun. Auf keinen Fall dürfte er erwarten, daß es eine kontinuierliche Parteiarbeit gebe, an der er als ein gleichberechtigtes Mitglied regelmäßig und selbstbestimmt teilhaben könnte. Natürlich kann Pablo, wenn er von paramilitares, Guerrilla oder auch Kriminellen bedroht wird, die Justiz zur Strafverfolgung anrufen. Aber er muß fest damit rechnen, daß es entweder Jahre dauert, bis sein Fall bearbeitet wird, oder daß dieser gänzlich der Straflosigkeit anheimfällt. Wenn Pablo denn lesen könnte, die Journalisten keine Angst vor der Publikation der Wahrheit haben müßten, wenn zudem alle – auch die alternativen – Zeitungen sein Dorf erreichten und wenn schließlich Pablo das Geld für einen Zeitungskauf abzweigen könnte, verfügte er über die Möglichkeit, Informationsfreiheit zu genießen. Aber er hat ja in jedem Fall das Fernsehen – dem Abzapfen zentraler Strommasten sei Dank – bei dem er sowieso davon verschont bleibt, hören zu müssen, dass nicht alles Demokratie ist, was ihn umgibt. Natürlich könnte Pablo, etwa wenn er sein Kokafeld und damit seine Existenzgrundlage verlöre, in die Guerrilla gehen. Da hätte er wenigstens sein Auskommen. Dort würde er nun aber genau die umgekehrte – allerdings ebenso einseitige – Erfahrung machen: Er würde hören, daß alles, aber auch alles, was ihn umgibt, das Gegenteil von Demokratie sei. Nach demokratischen Handlungsspielräumen zu fragen, so würde ihm erklärt, wäre unsinnig, denn das gesamte Regime sei autoritär, ja faschistisch. Aber auch das irritierte Pablo … denn er kann ja unter verschiedenen politischen Optionen wählen, gewählt werden, sich organisieren, alternative Informationen bekommen, sich ohne die Furcht vor einer Bestrafung – zumindest durch den Staat – zu allen politischen Angelegenheiten zu äußern usw. usf., wenn die Sache nicht jene Haken hätte … und damit begänne die Geschichte von vorn.

In die trockene Sprache der Demokratieforschung übersetzt, widerspiegelt Pablos realer ambivalenter politischer Kontext und sein Problem, sich weder für die Sicht der Regierung – das kolumbianische Regime sei rundum demokratisch – noch für die der Guerrilla -es sei rundum nichtdemokratisch – entscheiden zu können, ein reales Regime-Phänomen.

Dieses kann mit dem Begriff „Hybrid“ am besten widergespiegelt werden. In Kolumbien, Pablos Vaterland, vereint das Regime-Hybrid polyarchische, also demokratische, mit violenten, nichtrechtsstaatlichen, exklusiven, also nichtdemokratischen, Segmenten.

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