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FDP-Minister für Aufstandsbekämpfung

Gerhard Dilger | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

In Kolumbien sollen deutsche Entwicklungsexperten bei einem Projekt zugunsten von Kleinbauern mitwirken. Menschenrechtler sind jedoch alarmiert.

Nationalpark Macarena in Kolumbien - Karte: Public DomainWegen der geplanten Beteiligung deutscher Entwicklungsexperten an einem kolumbianischen Aufstandsbekämpfungsprogramm ist Minister Dirk Niebel (FDP) unter Rechtfertigungsdruck geraten. „Kolumbien ist eine der stabilsten Demokratien in Lateinamerika und bedarf der Unterstützung der freien Welt“, sagte er in Peru, der nach Bolivien zweiten Station seiner Reise durch die Andenregion.

Am Donnerstag wird er in Bogotá erwartet. Ausgerechnet das Kriegsgebiet um den Macarena-Nationalpark fünf Autostunden südöstlich der kolumbianischen Hauptstadt hat sich der Entwicklungsminister für einen seiner „Paradigmenwechsel“ auserkoren – dort, wo sich Farc-Guerilla, Paramilitärs und Armee regelmäßig Gefechte liefern. Am florierenden Kokainhandel verdienen alle mit. Zwischen den Fronten steht die Zivilbevölkerung: Hunderte wurden massakriert, Tausende verloren Haus und Hof. Innerhalb der letzten zwölf Monate wurden dort mehrere Massengräber entdeckt.

Mit 500.000 Euro soll die „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“(GTZ) zwei Jahre lang beratend bei der „partizipativen Erstellung eines Raum/Umweltordnungsplans“ für den Nationalpark mitwirken. So steht es in einem Brief von Staatssekretärin Gudrun Kopp an den Grünen-Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe vom letzten Freitag. Niebels Parteifreundin deklariert darin die Maßnahme ausdrücklich als Unterstützung des kolumbianischen „Plans zur Integralen Konsolidierung der Macarena“ (PCIM).

Offiziell geht es Bogotá dabei um Sicherheit, Drogenvernichtung, Justiz und Mitsprache der Betroffenen. Und Niebels mitreisender Abteilungsleiter Harald Klein (FDP) versichert, durch das deutsche Projekt wolle man die Vergabe von Landtiteln an Kleinbauern vorbereiten. Dabei wird an dem Vorhaben, das 2011 starten soll, offenbar noch mit heißer Nadel gestrickt. Unklar ist auch, warum die Bauern ausgerechnet im Nationalpark angesiedelt werden sollen.

In Wirklichkeit ist der PCIM ein „Aufstandsbekämpfungsprogramm“, das die Regierung des vormaligen Staatschefs Álvaro Uribe zusammen mit US-Militärs konzipiert hat und seit 2007 in der historischen Farc-Hochburg in die Tat umsetzt. Kleinbauern hingegen haben immer weniger Perspektiven – auch, weil Agrarfirmen mit dem Rückhalt der Regierung große Palmölplantagen in der Region anlegen. Auch Erdölvorkommen und mineralische Bodenschätze wecken Begehrlichkeiten, die nichts Gutes für die Landbevölkerung verheißen.

Seit seinem Amtsantritt drängte Niebel auf einen Kurswechsel in der Entwicklungszusammenarbeit mit Kolumbien, das unter dem Vorwand des „Antidrogenkriegs“ systematisch zum Brückenkopf der USA im linksgewendeten Südamerika ausgebaut wird. „Mit Kolumbien sollten wir ideologiefreier umgehen“, erklärte der Minister bereits vor einem Jahr. Zugleich hielt er das GTZ-Büro in Bogotá dazu an, seine Vorgaben umzusetzen.

In der Macarena-Region waren die Farc jahrzehntelang die bestimmende politische und militärische Kraft. Gut 100.000 Menschen leben heute im südlichsten Teil der Tieflandprovinz Meta. Teile davon, vor allem die Kleinstädte, sind jetzt tatsächlich unter der Kontrolle der Militärs. Doch in vielen Weilern sind die Guerilleros immer noch „das Gesetz“ – trotz der gut achtjährigen Offensive der Armee, die ihnen schwer zugesetzt hat. Am östlichen Fuß der Anden kam im September bei einem Angriff der Armee Jorge Briceño um, einer der meistgefürchteten Farc-Kommandanten.

In der Region selbst ist der „Konsolidierungsplan“ umstritten. Gegen Alternativprojekte zum Kokaanbau und zugunsten von Kleinbauern sei nichts einzuwenden, sagt José Figueroa Gómez, der für das Kriegsgebiet zuständige katholische Bischof, doch „bisher funktionieren die einfach nicht“.

„Der Plan ist sehr militärisch geprägt, und die Organisationen der Bevölkerung werden durch das Vorgehen von Militär und Polizei geschwächt“, kritisiert er. Schlechte Voraussetzungen also für ein „partizipatives“ Entwicklungsprojekt. Jede „internationale Intervention“ müsse die Menschenrechte als Priorität haben, sagt Figueroa und empfiehlt den Deutschen ausdrücklich, den Plan nicht zu unterstützen.

Auch die Mitarbeiter kirchlicher deutscher Hilfsorganisationen in Bogotá sind alarmiert. Niebels Projekt sei als Türoffner für eine weitergehendes Engagement gedacht, sagen sie hinter vorgehaltener Hand. „In der Region besteht – auf Grund der bis dato fast inexistenten ‚positiven Präsenz’ staatlicher Stellen sowie der anhaltenden Kampfhandlungen – ein tiefes Misstrauen, heißt es in einem vertraulichen GTZ-Gutachten, das der taz vorliegt. Zudem bestehe die Gefahr, dass „Partner und qZielgruppen zum Ziel von illegalen Akteuren werden könnten“. Aus Sicherheitsgründen soll das Projekt daher von einem Kolumbianer in der fernen Provinzhauptstadt Villavicencio koordiniert werden. „In einem ‚spill-over’-Effekt“ sei es sogar denkbar, dass die GTZ-Arbeit in ganz Kolumbien kompromittiert werde.

Die Linken-Bundesabgeordnete Heike Hänsel, die mit Niebel reist, spricht von einer „skandalösen Entscheidung“. Ihr grüner Kollege Thilo Hoppe verurteilt Niebels „Tabubruch“. Die Deutschen hätten sich bisher wegen der „desaströsen Menschenrechtsbilanz der kolumbianischen Streitkräfte“ zu Recht aus der Aufstandsbekämpfung herausgehalten, sagte er der taz.

Jetzt wolle man das ändern, „trotz der massiven Bedenken der dortigen ‚Zivilgesellschaft’“. Für Hoppe ist klar: „Der Bundesregierung geht es nicht in erster Linie um die Bedürfnisse der Menschen vor Ort, sondern darum, der kolumbianischen Regierung und ihren politischen Strategien Legitimität zu verleihen“.

Abteilungsleiter Klein beteuert dagegen: „Es wird keine Vermischung mit dem militärischen Einsatz gegen die Guerilla geben“. Und Dirk Niebel bekräftigt: „Wir machen ein Projekt zu Umweltkartierung als Vorstufe für die Vergabe von Landtiteln, und deswegen hat das mit Aufstandsbekämpfung überhaupt nichts zu tun“.

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Dieser Artikel erschien bereits am 04. November 2010 in der taz, die Tageszeitung. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Bildquelle: Public Domain

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